werk zu seyn, sondern als ob alle Elemente ge- gen einander in Aufruhr gerathen wären, um sich zu zerstören.
Was aber drinnen in der Stadt unter dem armen wehrlosen Haufen vorgieng, ist vollends so jammervoll, daß meine Feder nicht vermag, es zu beschreiben. Da gab es bald nirgends ein Plätzchen mehr, wo die zagende Menge vor dem drohenden Verderben sich hätte bergen mögen. Ueberall zerschmetterte Gewölbe, einstürzende Bö- den, krachende Wände und aufwirbelnde Säulen von Dampf und Feuer. Ueberall die Gassen wimmelnd von rathlos umher irrenden Flüchtlin- gen, die ihr Eigenthum preisgegeben hatten und die, unter dem Gezisch der feindlichen umherkrei- senden Feuerbälle, sich verfolgt sahen von Tod und Verstümmelung. Geschrei von Wehklagen- den; Geschrei von Säuglingen und Kindern; Geschrei von Verirrten, die ihre Angehörigen in dem Gedränge und der allgemeinen Verwirrung verloren hatten; Geschrei der Menschen, die mit Löschung der Flammen beschäftigt waren; Lärm der Trommeln, Geklirr der Waffen, Rasseln der Fuhrwerke -- Nein, es ist nicht möglich, das furchtbare Bild in seiner ganzen Lebendigkeit auch nur von ferne zu schildern!
Jndem ich selbst mich in diesem allgemeinen Tumult veranlaßt fand, einmal nach meinem ei- genen Hause zu sehen, erwartete mich dort ein Anblick, der auch nicht dazu geeignet war, mich
(10 *)
werk zu ſeyn, ſondern als ob alle Elemente ge- gen einander in Aufruhr gerathen waͤren, um ſich zu zerſtoͤren.
Was aber drinnen in der Stadt unter dem armen wehrloſen Haufen vorgieng, iſt vollends ſo jammervoll, daß meine Feder nicht vermag, es zu beſchreiben. Da gab es bald nirgends ein Plaͤtzchen mehr, wo die zagende Menge vor dem drohenden Verderben ſich haͤtte bergen moͤgen. Ueberall zerſchmetterte Gewoͤlbe, einſtuͤrzende Boͤ- den, krachende Waͤnde und aufwirbelnde Saͤulen von Dampf und Feuer. Ueberall die Gaſſen wimmelnd von rathlos umher irrenden Fluͤchtlin- gen, die ihr Eigenthum preisgegeben hatten und die, unter dem Geziſch der feindlichen umherkrei- ſenden Feuerbaͤlle, ſich verfolgt ſahen von Tod und Verſtuͤmmelung. Geſchrei von Wehklagen- den; Geſchrei von Saͤuglingen und Kindern; Geſchrei von Verirrten, die ihre Angehoͤrigen in dem Gedraͤnge und der allgemeinen Verwirrung verloren hatten; Geſchrei der Menſchen, die mit Loͤſchung der Flammen beſchaͤftigt waren; Laͤrm der Trommeln, Geklirr der Waffen, Raſſeln der Fuhrwerke — Nein, es iſt nicht moͤglich, das furchtbare Bild in ſeiner ganzen Lebendigkeit auch nur von ferne zu ſchildern!
Jndem ich ſelbſt mich in dieſem allgemeinen Tumult veranlaßt fand, einmal nach meinem ei- genen Hauſe zu ſehen, erwartete mich dort ein Anblick, der auch nicht dazu geeignet war, mich
(10 *)
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werk zu ſeyn, ſondern als ob alle Elemente ge-
gen einander in Aufruhr gerathen waͤren, um ſich
zu zerſtoͤren.
Was aber drinnen in der Stadt unter dem
armen wehrloſen Haufen vorgieng, iſt vollends
ſo jammervoll, daß meine Feder nicht vermag,
es zu beſchreiben. Da gab es bald nirgends ein
Plaͤtzchen mehr, wo die zagende Menge vor dem
drohenden Verderben ſich haͤtte bergen moͤgen.
Ueberall zerſchmetterte Gewoͤlbe, einſtuͤrzende Boͤ-
den, krachende Waͤnde und aufwirbelnde Saͤulen
von Dampf und Feuer. Ueberall die Gaſſen
wimmelnd von rathlos umher irrenden Fluͤchtlin-
gen, die ihr Eigenthum preisgegeben hatten und
die, unter dem Geziſch der feindlichen umherkrei-
ſenden Feuerbaͤlle, ſich verfolgt ſahen von Tod
und Verſtuͤmmelung. Geſchrei von Wehklagen-
den; Geſchrei von Saͤuglingen und Kindern;
Geſchrei von Verirrten, die ihre Angehoͤrigen in
dem Gedraͤnge und der allgemeinen Verwirrung
verloren hatten; Geſchrei der Menſchen, die mit
Loͤſchung der Flammen beſchaͤftigt waren; Laͤrm
der Trommeln, Geklirr der Waffen, Raſſeln der
Fuhrwerke — Nein, es iſt nicht moͤglich, das
furchtbare Bild in ſeiner ganzen Lebendigkeit auch
nur von ferne zu ſchildern!
Jndem ich ſelbſt mich in dieſem allgemeinen
Tumult veranlaßt fand, einmal nach meinem ei-
genen Hauſe zu ſehen, erwartete mich dort ein
Anblick, der auch nicht dazu geeignet war, mich
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/163>, abgerufen am 17.07.2024.
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