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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

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gefunden und bei manchem, noch altgläubigen
Militair mitunter Anstoß erregt. Wer aber hätte
es glauben sollen, daß es irgend einst einem Sol-
chen einfallen könnte, mich, den Unschuldigsten
bei dem gesammten Handel, deshalb feierlichst in
Anspruch zu nehmen? Dennoch geschah es also;
und auch hierüber gehört ja wohl ein kurzer Be-
richt in meine Lebensgeschichte.

Von Seiten Eines der Commandanten, die
auf Gneisenau folgten, ward ich eines Tages
durch eine Ordonnanz beschickt, mich zu einer
bestimmten Stunde in seiner Amtswohnung bei
ihm einzufinden. Jch gieng, und ward in einen
großen Saal eingeführt, den ich ganz von den
sämmtlichen, in einem Zirkel herumstehenden,
Officieren unsrer Besatzung gefüllt fand. Mitten
unter ihnen saß der Garnison-Auditeur L*, hin-
ter einem Tische, den viele Schriften und Schreib-
Materialien bedeckten. Alles hatte so ziemlich die
Miene eines großen gerichtlichen Acts; und ohne
noch zu wissen, wozu diese Vorbereitungen füh-
ren sollten, wurden doch Verwunderung und Neu-
gier bei mir in gleichem Maasse rege.

Sofort nach meinem Eintritt, kam mir der
zeitige Commandant mit einem gedruckten Buche
in Quarto entgegen, und bedeutete mich: Er
habe mir etwas vorzulesen, auf das ich ihm so-
dann antworten werde. -- Jch hatte nichts dar-
wider; und er setzte hinzu: "Sollten die Worte
und Beschuldigungen erlogen seyn, so verdiene

gefunden und bei manchem, noch altglaͤubigen
Militair mitunter Anſtoß erregt. Wer aber haͤtte
es glauben ſollen, daß es irgend einſt einem Sol-
chen einfallen koͤnnte, mich, den Unſchuldigſten
bei dem geſammten Handel, deshalb feierlichſt in
Anſpruch zu nehmen? Dennoch geſchah es alſo;
und auch hieruͤber gehoͤrt ja wohl ein kurzer Be-
richt in meine Lebensgeſchichte.

Von Seiten Eines der Commandanten, die
auf Gneiſenau folgten, ward ich eines Tages
durch eine Ordonnanz beſchickt, mich zu einer
beſtimmten Stunde in ſeiner Amtswohnung bei
ihm einzufinden. Jch gieng, und ward in einen
großen Saal eingefuͤhrt, den ich ganz von den
ſaͤmmtlichen, in einem Zirkel herumſtehenden,
Officieren unſrer Beſatzung gefuͤllt fand. Mitten
unter ihnen ſaß der Garniſon-Auditeur L*, hin-
ter einem Tiſche, den viele Schriften und Schreib-
Materialien bedeckten. Alles hatte ſo ziemlich die
Miene eines großen gerichtlichen Acts; und ohne
noch zu wiſſen, wozu dieſe Vorbereitungen fuͤh-
ren ſollten, wurden doch Verwunderung und Neu-
gier bei mir in gleichem Maaſſe rege.

Sofort nach meinem Eintritt, kam mir der
zeitige Commandant mit einem gedruckten Buche
in Quarto entgegen, und bedeutete mich: Er
habe mir etwas vorzuleſen, auf das ich ihm ſo-
dann antworten werde. — Jch hatte nichts dar-
wider; und er ſetzte hinzu: „Sollten die Worte
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[183/0199] gefunden und bei manchem, noch altglaͤubigen Militair mitunter Anſtoß erregt. Wer aber haͤtte es glauben ſollen, daß es irgend einſt einem Sol- chen einfallen koͤnnte, mich, den Unſchuldigſten bei dem geſammten Handel, deshalb feierlichſt in Anſpruch zu nehmen? Dennoch geſchah es alſo; und auch hieruͤber gehoͤrt ja wohl ein kurzer Be- richt in meine Lebensgeſchichte. Von Seiten Eines der Commandanten, die auf Gneiſenau folgten, ward ich eines Tages durch eine Ordonnanz beſchickt, mich zu einer beſtimmten Stunde in ſeiner Amtswohnung bei ihm einzufinden. Jch gieng, und ward in einen großen Saal eingefuͤhrt, den ich ganz von den ſaͤmmtlichen, in einem Zirkel herumſtehenden, Officieren unſrer Beſatzung gefuͤllt fand. Mitten unter ihnen ſaß der Garniſon-Auditeur L*, hin- ter einem Tiſche, den viele Schriften und Schreib- Materialien bedeckten. Alles hatte ſo ziemlich die Miene eines großen gerichtlichen Acts; und ohne noch zu wiſſen, wozu dieſe Vorbereitungen fuͤh- ren ſollten, wurden doch Verwunderung und Neu- gier bei mir in gleichem Maaſſe rege. Sofort nach meinem Eintritt, kam mir der zeitige Commandant mit einem gedruckten Buche in Quarto entgegen, und bedeutete mich: Er habe mir etwas vorzuleſen, auf das ich ihm ſo- dann antworten werde. — Jch hatte nichts dar- wider; und er ſetzte hinzu: „Sollten die Worte und Beſchuldigungen erlogen ſeyn, ſo verdiene

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/199>, abgerufen am 17.05.2024.