der Machthaber und freuten sich des gestifteten Unheils; überall Neckerei, Reibung und abge- neigter Wille, und -- zum Uebermaaß dieses Nothstandes -- eine vielleicht nicht hinlänglich beschäftigte Anzahl alter und junger Militairs, deren Ueberschwang an Lebendigkeit sich in man- cherlei Störungen des friedlichen bürgerlichen Ver- kehrs, in Prügel-Scenen, in gewaltsamen An- griffen und Verwundungen rechtlicher Männer kund that.
Wiederum auf der andern Seite ist eben so wenig in Abrede zu stellen, daß unsern Einwoh- nern durch die Belagerung das Herz ein wenig groß geworden. Sie hatten in ungewöhnlichen Anstrengungen auch ungewöhnliche Kräfte in sich erwecken müssen; und so wie sie sich dadurch selbst im Werthe gehoben fühlten, wollten sie sich auch von Andern besser geachtet wissen; während man- ches andre Verdienst, das sich neben ihnen spreizte, entweder hie und da noch einige nähere Unter- suchung zuließ, oder doch, ihres Ermessens, mit dem angefochtenen eigenen auf gleicher Linie stand. Aber vielfach hatten sie auch, in der Zeit der Noth und Gefahr, nicht bloß redlich mit ihrer Person bezahlt, sondern auch bedeutende Opfer an Eigenthum und Vermögen dargebracht; hat- ten gehofft, nach des Feindes Abzuge durch man- cherlei Erleichterungen sich für soviel Einbußen und Entbehrungen entschädigt zu sehen, und fühlten sich nun doppelt getäuscht, da statt der
der Machthaber und freuten ſich des geſtifteten Unheils; uͤberall Neckerei, Reibung und abge- neigter Wille, und — zum Uebermaaß dieſes Nothſtandes — eine vielleicht nicht hinlaͤnglich beſchaͤftigte Anzahl alter und junger Militairs, deren Ueberſchwang an Lebendigkeit ſich in man- cherlei Stoͤrungen des friedlichen buͤrgerlichen Ver- kehrs, in Pruͤgel-Scenen, in gewaltſamen An- griffen und Verwundungen rechtlicher Maͤnner kund that.
Wiederum auf der andern Seite iſt eben ſo wenig in Abrede zu ſtellen, daß unſern Einwoh- nern durch die Belagerung das Herz ein wenig groß geworden. Sie hatten in ungewoͤhnlichen Anſtrengungen auch ungewoͤhnliche Kraͤfte in ſich erwecken muͤſſen; und ſo wie ſie ſich dadurch ſelbſt im Werthe gehoben fuͤhlten, wollten ſie ſich auch von Andern beſſer geachtet wiſſen; waͤhrend man- ches andre Verdienſt, das ſich neben ihnen ſpreizte, entweder hie und da noch einige naͤhere Unter- ſuchung zuließ, oder doch, ihres Ermeſſens, mit dem angefochtenen eigenen auf gleicher Linie ſtand. Aber vielfach hatten ſie auch, in der Zeit der Noth und Gefahr, nicht bloß redlich mit ihrer Perſon bezahlt, ſondern auch bedeutende Opfer an Eigenthum und Vermoͤgen dargebracht; hat- ten gehofft, nach des Feindes Abzuge durch man- cherlei Erleichterungen ſich fuͤr ſoviel Einbußen und Entbehrungen entſchaͤdigt zu ſehen, und fuͤhlten ſich nun doppelt getaͤuſcht, da ſtatt der
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[187/0203]
der Machthaber und freuten ſich des geſtifteten
Unheils; uͤberall Neckerei, Reibung und abge-
neigter Wille, und — zum Uebermaaß dieſes
Nothſtandes — eine vielleicht nicht hinlaͤnglich
beſchaͤftigte Anzahl alter und junger Militairs,
deren Ueberſchwang an Lebendigkeit ſich in man-
cherlei Stoͤrungen des friedlichen buͤrgerlichen Ver-
kehrs, in Pruͤgel-Scenen, in gewaltſamen An-
griffen und Verwundungen rechtlicher Maͤnner
kund that.
Wiederum auf der andern Seite iſt eben ſo
wenig in Abrede zu ſtellen, daß unſern Einwoh-
nern durch die Belagerung das Herz ein wenig
groß geworden. Sie hatten in ungewoͤhnlichen
Anſtrengungen auch ungewoͤhnliche Kraͤfte in ſich
erwecken muͤſſen; und ſo wie ſie ſich dadurch ſelbſt
im Werthe gehoben fuͤhlten, wollten ſie ſich auch
von Andern beſſer geachtet wiſſen; waͤhrend man-
ches andre Verdienſt, das ſich neben ihnen ſpreizte,
entweder hie und da noch einige naͤhere Unter-
ſuchung zuließ, oder doch, ihres Ermeſſens, mit
dem angefochtenen eigenen auf gleicher Linie ſtand.
Aber vielfach hatten ſie auch, in der Zeit der
Noth und Gefahr, nicht bloß redlich mit ihrer
Perſon bezahlt, ſondern auch bedeutende Opfer
an Eigenthum und Vermoͤgen dargebracht; hat-
ten gehofft, nach des Feindes Abzuge durch man-
cherlei Erleichterungen ſich fuͤr ſoviel Einbußen
und Entbehrungen entſchaͤdigt zu ſehen, und
fuͤhlten ſich nun doppelt getaͤuſcht, da ſtatt der
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/203>, abgerufen am 17.02.2025.
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