auf der Straße stehen lassen?" -- "Nein, wahr- haftig nicht!" scholl eine weibliche Stimme da- gegen -- "Tausendmal willkommen! Da muß sich schon ein Winkelchen finden." -- Und es fand sich auch so bequem und wohnlich, daß wir noch in guter Ruhe einige Stunden ausschlafen konnten. Mein Reisegefährte hatte große Lust, sich über diesen glücklichen Zauber meines bloßen Namens zu verwundern: allein ich entzauberte ihn schnell, indem ich ihm erklärte, daß ich bloß meinen alten freundlichen Wirth wieder aufge- sucht, bei welchem ich vor nicht gar langer Zeit gehauset hätte, als ich hier das Kind meines Freundes, des Regierungsraths Wisseling, aus der Taufe gehoben.
Noch Vormittags ward die Ankunft des kö- niglichen Paares erwartet, dessen Zug vor un- serm Hause vorüber mußte. Wir warfen uns also in unsre Staatskleider -- ich in meine Ad- miralitäts-Uniform, mein Gefährte in das Co- stume der Bürger-Garde, und erwarteten, auf einer erhöheten Treppe, den für unser Herz so theuren Anblick, dessen Hoffnung bereits überall eine unzählbare Menge um und neben uns ver- sammlet hatte. Wagen auf Wagen, mit dem Königl. Gefolge erfüllt, rollten vorüber. End- lich, um 10 Uhr, nahte sich der König selbst, neben ihm die Königinn sitzend, langsamen Schrit- tes, in einem offenen Wagen. Es klopfte uns hoch in der Brust, und wir verbeugten uns ehr-
auf der Straße ſtehen laſſen?‟ — „Nein, wahr- haftig nicht!‟ ſcholl eine weibliche Stimme da- gegen — „Tauſendmal willkommen! Da muß ſich ſchon ein Winkelchen finden.‟ — Und es fand ſich auch ſo bequem und wohnlich, daß wir noch in guter Ruhe einige Stunden ausſchlafen konnten. Mein Reiſegefaͤhrte hatte große Luſt, ſich uͤber dieſen gluͤcklichen Zauber meines bloßen Namens zu verwundern: allein ich entzauberte ihn ſchnell, indem ich ihm erklaͤrte, daß ich bloß meinen alten freundlichen Wirth wieder aufge- ſucht, bei welchem ich vor nicht gar langer Zeit gehauſet haͤtte, als ich hier das Kind meines Freundes, des Regierungsraths Wiſſeling, aus der Taufe gehoben.
Noch Vormittags ward die Ankunft des koͤ- niglichen Paares erwartet, deſſen Zug vor un- ſerm Hauſe voruͤber mußte. Wir warfen uns alſo in unſre Staatskleider — ich in meine Ad- miralitaͤts-Uniform, mein Gefaͤhrte in das Co- ſtume der Buͤrger-Garde, und erwarteten, auf einer erhoͤheten Treppe, den fuͤr unſer Herz ſo theuren Anblick, deſſen Hoffnung bereits uͤberall eine unzaͤhlbare Menge um und neben uns ver- ſammlet hatte. Wagen auf Wagen, mit dem Koͤnigl. Gefolge erfuͤllt, rollten voruͤber. End- lich, um 10 Uhr, nahte ſich der Koͤnig ſelbſt, neben ihm die Koͤniginn ſitzend, langſamen Schrit- tes, in einem offenen Wagen. Es klopfte uns hoch in der Bruſt, und wir verbeugten uns ehr-
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auf der Straße ſtehen laſſen?‟ — „Nein, wahr-
haftig nicht!‟ ſcholl eine weibliche Stimme da-
gegen — „Tauſendmal willkommen! Da muß
ſich ſchon ein Winkelchen finden.‟ — Und es
fand ſich auch ſo bequem und wohnlich, daß wir
noch in guter Ruhe einige Stunden ausſchlafen
konnten. Mein Reiſegefaͤhrte hatte große Luſt,
ſich uͤber dieſen gluͤcklichen Zauber meines bloßen
Namens zu verwundern: allein ich entzauberte
ihn ſchnell, indem ich ihm erklaͤrte, daß ich bloß
meinen alten freundlichen Wirth wieder aufge-
ſucht, bei welchem ich vor nicht gar langer Zeit
gehauſet haͤtte, als ich hier das Kind meines
Freundes, des Regierungsraths Wiſſeling, aus
der Taufe gehoben.
Noch Vormittags ward die Ankunft des koͤ-
niglichen Paares erwartet, deſſen Zug vor un-
ſerm Hauſe voruͤber mußte. Wir warfen uns
alſo in unſre Staatskleider — ich in meine Ad-
miralitaͤts-Uniform, mein Gefaͤhrte in das Co-
ſtume der Buͤrger-Garde, und erwarteten, auf
einer erhoͤheten Treppe, den fuͤr unſer Herz ſo
theuren Anblick, deſſen Hoffnung bereits uͤberall
eine unzaͤhlbare Menge um und neben uns ver-
ſammlet hatte. Wagen auf Wagen, mit dem
Koͤnigl. Gefolge erfuͤllt, rollten voruͤber. End-
lich, um 10 Uhr, nahte ſich der Koͤnig ſelbſt,
neben ihm die Koͤniginn ſitzend, langſamen Schrit-
tes, in einem offenen Wagen. Es klopfte uns
hoch in der Bruſt, und wir verbeugten uns ehr-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/216>, abgerufen am 17.02.2025.
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