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Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666.

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die Kleopatra.
er ihn dazu bereden könne. Dieses hat Kassius bey ihm reiff-
lich erwogen/ und ihnen Beyfall gegeben. Hat sich darauf bald
zu dem Brutus verfüget/ allerhand angenehme und gunst-
reitzende Unterredung mit ihm gepflogen/ und endltich gefra-
get/ ob er den vierzehenden Martii würde zu Rahthause ge-
hen? Er hette von glaubwürdigen Leuten verstanden/ daß ih-
nen des Cesärs gute Freunde/ von Absetzung etlicher Aem-
pter zu handeln/ den Cesar zum Könige zu machen/ und ihn in
ein freyes Regiment zu setzen/ gäntzlich vorgenommen. Darauf
hat Brutus geantwortet: Daß er nicht zu Rahthause gehen
würde/ wo es sich also verhielte. Kassius aber: Wie? wenn sie
uns fordern lassen? Darauf gab Brutus zur Antwort: So
werde ich nicht schweigen/ sondern vor das Gemeine beste der
Stadt reden/ und die Römische Freyheit schützen/ und solte
ich auch des Todes darüber seyn. Darauf sagte Kassius:
Welcher unter uns wolte das leiden? Aber mein lieber Her-
tzensfreund Brutus/ kennet ihr euch nicht selbst? Wisset ihr
nicht von was treflichen Leuten ihr entsprungen? Habt ihr eu-
res Anherrn des tapfren Brutus löbliche That aus den Au-
gen gesetzet? Habt ihr eurer Ehre und grossen Gewalt in die-
ser Stadt vergessen? Seyd versichert/ solte Cesar das freye Re-
giment überkommen/ es würde euer hohes Ansehen/ mit der
Zeit/ wo nicht gantz doch der meiste Theil fallen und schaden
leiden. Meinet ihr daß euer Tribunal und Gerichtsstelle von
schlechten Bürgern so beschrieben worden? Ach nein. Es sind
die vornehmsten mit dieser Stadt. Sie begehren durch Euch
in ihren Freyheiten und alten Rechten geschützt zu seyn/ und
wollen daß ihr eurer Vorfahren Heldenthat mit ritterlichem
Hertzen wiederholen/ und sie von der Königlichen Tyranney
erretten sollet. Und ist keiner der sich nicht/ Guht und Blut/
ja Leib und Leben bey euch aufzusetzen/ willig erboten/ und
wünschen nichts mehr/ als daß ihr mit einwilligen/ und den
hochmühtigen Cesar aus dem wege zu reumen/ helffen wollet.
Mit diesen Worten/ fiel er ihm üm den Hals/ küssete ihn/
und nam ihn mit liebkosenden Worten dermassen ein/ daß er
sich bald entschloß/ und getreuen Beystand zu leisten/ ver-
sprach. Darauf giengen sie von einander/ und bekam ein jeder
einen starken Anhang. Als nun der Tag herbey kommen/
nahmen alle Geschworne heimliche Gewehre zu sich/ und war-
teten auf den Käyser. Als er nun kam/ und in die Rahtsftube
gieng/ stunde jederman/ aus gewöhnlicher Ehrerbietung/ auf
die Kleopatra.
er ihn dazu bereden koͤnne. Dieſes hat Kaſſius bey ihm reiff-
lich erwogen/ und ihnen Beyfall gegeben. Hat ſich darauf bald
zu dem Brutus verfuͤget/ allerhand angenehme und gunſt-
reitzende Unterredung mit ihm gepflogen/ und endltich gefra-
get/ ob er den vierzehenden Martii wuͤrde zu Rahthauſe ge-
hen? Er hette von glaubwuͤrdigen Leuten verſtanden/ daß ih-
nen des Ceſaͤrs gute Freunde/ von Abſetzung etlicher Aem-
pter zu handeln/ den Ceſar zum Koͤnige zu machen/ und ihn in
ein freyes Regiment zu ſetzen/ gaͤntzlich vorgenommen. Darauf
hat Brutus geantwortet: Daß er nicht zu Rahthauſe gehen
wuͤrde/ wo es ſich alſo verhielte. Kaſſius aber: Wie? wenn ſie
uns fordern laſſen? Darauf gab Brutus zur Antwort: So
werde ich nicht ſchweigen/ ſondern vor das Gemeine beſte der
Stadt reden/ und die Roͤmiſche Freyheit ſchuͤtzen/ und ſolte
ich auch des Todes daruͤber ſeyn. Darauf ſagte Kaſſius:
Welcher unter uns wolte das leiden? Aber mein lieber Her-
tzensfreund Brutus/ kennet ihr euch nicht ſelbſt? Wiſſet ihr
nicht von was treflichen Leuten ihr entſprungen? Habt ihr eu-
res Anherꝛn des tapfren Brutus loͤbliche That aus den Au-
gen geſetzet? Habt ihr eurer Ehre und groſſen Gewalt in die-
ſer Stadt vergeſſen? Seyd verſichert/ ſolte Ceſar das freye Re-
giment uͤberkommen/ es wuͤrde euer hohes Anſehen/ mit der
Zeit/ wo nicht gantz doch der meiſte Theil fallen und ſchaden
leiden. Meinet ihr daß euer Tribunal und Gerichtsſtelle von
ſchlechten Buͤrgern ſo beſchrieben worden? Ach nein. Es ſind
die vornehmſten mit dieſer Stadt. Sie begehren durch Euch
in ihren Freyheiten und alten Rechten geſchuͤtzt zu ſeyn/ und
wollen daß ihr eurer Vorfahren Heldenthat mit ritterlichem
Hertzen wiederholen/ und ſie von der Koͤniglichen Tyranney
erretten ſollet. Und iſt keiner der ſich nicht/ Guht und Blut/
ja Leib und Leben bey euch aufzuſetzen/ willig erboten/ und
wuͤnſchen nichts mehr/ als daß ihr mit einwilligen/ und den
hochmuͤhtigen Ceſar aus dem wege zu reumen/ helffen wollet.
Mit dieſen Worten/ fiel er ihm uͤm den Hals/ kuͤſſete ihn/
und nam ihn mit liebkoſenden Worten dermaſſen ein/ daß er
ſich bald entſchloß/ und getreuen Beyſtand zu leiſten/ ver-
ſprach. Darauf giengen ſie von einander/ und bekam ein jeder
einen ſtarken Anhang. Als nun der Tag herbey kommen/
nahmen alle Geſchworne heimliche Gewehre zu ſich/ und war-
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[233/0305] die Kleopatra. ³. er ihn dazu bereden koͤnne. Dieſes hat Kaſſius bey ihm reiff- lich erwogen/ und ihnen Beyfall gegeben. Hat ſich darauf bald zu dem Brutus verfuͤget/ allerhand angenehme und gunſt- reitzende Unterredung mit ihm gepflogen/ und endltich gefra- get/ ob er den vierzehenden Martii wuͤrde zu Rahthauſe ge- hen? Er hette von glaubwuͤrdigen Leuten verſtanden/ daß ih- nen des Ceſaͤrs gute Freunde/ von Abſetzung etlicher Aem- pter zu handeln/ den Ceſar zum Koͤnige zu machen/ und ihn in ein freyes Regiment zu ſetzen/ gaͤntzlich vorgenommen. Darauf hat Brutus geantwortet: Daß er nicht zu Rahthauſe gehen wuͤrde/ wo es ſich alſo verhielte. Kaſſius aber: Wie? wenn ſie uns fordern laſſen? Darauf gab Brutus zur Antwort: So werde ich nicht ſchweigen/ ſondern vor das Gemeine beſte der Stadt reden/ und die Roͤmiſche Freyheit ſchuͤtzen/ und ſolte ich auch des Todes daruͤber ſeyn. Darauf ſagte Kaſſius: Welcher unter uns wolte das leiden? Aber mein lieber Her- tzensfreund Brutus/ kennet ihr euch nicht ſelbſt? Wiſſet ihr nicht von was treflichen Leuten ihr entſprungen? Habt ihr eu- res Anherꝛn des tapfren Brutus loͤbliche That aus den Au- gen geſetzet? Habt ihr eurer Ehre und groſſen Gewalt in die- ſer Stadt vergeſſen? Seyd verſichert/ ſolte Ceſar das freye Re- giment uͤberkommen/ es wuͤrde euer hohes Anſehen/ mit der Zeit/ wo nicht gantz doch der meiſte Theil fallen und ſchaden leiden. Meinet ihr daß euer Tribunal und Gerichtsſtelle von ſchlechten Buͤrgern ſo beſchrieben worden? Ach nein. Es ſind die vornehmſten mit dieſer Stadt. Sie begehren durch Euch in ihren Freyheiten und alten Rechten geſchuͤtzt zu ſeyn/ und wollen daß ihr eurer Vorfahren Heldenthat mit ritterlichem Hertzen wiederholen/ und ſie von der Koͤniglichen Tyranney erretten ſollet. Und iſt keiner der ſich nicht/ Guht und Blut/ ja Leib und Leben bey euch aufzuſetzen/ willig erboten/ und wuͤnſchen nichts mehr/ als daß ihr mit einwilligen/ und den hochmuͤhtigen Ceſar aus dem wege zu reumen/ helffen wollet. Mit dieſen Worten/ fiel er ihm uͤm den Hals/ kuͤſſete ihn/ und nam ihn mit liebkoſenden Worten dermaſſen ein/ daß er ſich bald entſchloß/ und getreuen Beyſtand zu leiſten/ ver- ſprach. Darauf giengen ſie von einander/ und bekam ein jeder einen ſtarken Anhang. Als nun der Tag herbey kommen/ nahmen alle Geſchworne heimliche Gewehre zu ſich/ und war- teten auf den Kaͤyſer. Als er nun kam/ und in die Rahtsftube gieng/ ſtunde jederman/ aus gewoͤhnlicher Ehrerbietung/ auf und

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Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666/305>, abgerufen am 23.11.2024.