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Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666.

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III.
Chilo ein Peloponneser
von Lacedämon.

CHJLO der Lacedämonier/ ist des Da-
mogetens Sohn gewesen. Er hat darvor
gehalten/ daß die Vorersehung künfftiger
Dinge durch Vernunft weiser Leute wol
könne begriffen werden. Als sein Bruder einsmals
ungehalten gewesen/ daß er nicht auch zu einem
Oberauffseher erwehlet würde/ da er Chilo doch
gewesen/ hat er geantwortet: Jch kan Unrecht
leiden/ du aber nicht. Dieser Chilo hat dem Hip-
pocrates/ als selbiger in der Stadt Olympien ge-
opffert/ und die Opffertiegel sonder zuthun des
Feuers erhitzet/ gerahten/ daß/ wo er noch in le-
digem Stande/ er darin verbleiben/ oder wo er ein
Weib hette/ solches von sich jagen/ und die erzeu-
gete Kinder tödten solte.

Man sagt/ daß/ als ihn AEsopus der Redner ge-
fraget/ was doch Juppiter im Himmel machte/
er diese Antwort ertheilet: Die Hoffertigen demü-
tiget er/ und die Demütigen erhöhet er. Man sagt
auch/ daß er in seinem Alter betheuret habe/ so
lang als er gelebt/ wüste er sich keiner Undankbar-
keit schüldig; nur ein Ding bekümmerte ihn ein
wenig/ daß nemlich/ als er unter guten Freunden
solte Richter seyn/ und gleichwol nicht wider die
Rechte handlen wollen/ er sie abgewiesen/ und den
einen überredet/ sich an ein ander Gericht zu schla-
gen/ damit er also beydes/ so wol die Gesetze hand-
haben/ als ihn zum Freunde behalten möchte.

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III.
Chilo ein Peloponneſer
von Lacedaͤmon.

CHJLO der Lacedaͤmonier/ iſt des Da-
mogetens Sohn geweſen. Er hat darvor
gehalten/ daß die Vorerſehung kuͤnfftiger
Dinge durch Vernunft weiſer Leute wol
koͤnne begriffen werden. Als ſein Bruder einsmals
ungehalten geweſen/ daß er nicht auch zu einem
Oberauffſeher erwehlet wuͤrde/ da er Chilo doch
geweſen/ hat er geantwortet: Jch kan Unrecht
leiden/ du aber nicht. Dieſer Chilo hat dem Hip-
pocrates/ als ſelbiger in der Stadt Olympien ge-
opffert/ und die Opffertiegel ſonder zuthun des
Feuers erhitzet/ gerahten/ daß/ wo er noch in le-
digem Stande/ er darin verbleiben/ oder wo er ein
Weib hette/ ſolches von ſich jagen/ und die erzeu-
gete Kinder toͤdten ſolte.

Man ſagt/ daß/ als ihn Æſopus der Redner ge-
fraget/ was doch Juppiter im Himmel machte/
er dieſe Antwort ertheilet: Die Hoffertigen demuͤ-
tiget er/ und die Demuͤtigen erhoͤhet er. Man ſagt
auch/ daß er in ſeinem Alter betheuret habe/ ſo
lang als er gelebt/ wuͤſte er ſich keiner Undankbar-
keit ſchuͤldig; nur ein Ding bekuͤmmerte ihn ein
wenig/ daß nemlich/ als er unter guten Freunden
ſolte Richter ſeyn/ und gleichwol nicht wider die
Rechte handlen wollen/ er ſie abgewieſen/ und den
einen uͤberredet/ ſich an ein ander Gericht zu ſchla-
gen/ damit er alſo beydes/ ſo wol die Geſetze hand-
haben/ als ihn zum Freunde behalten moͤchte.

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[341/0425] III. Chilo ein Peloponneſer von Lacedaͤmon. CHJLO der Lacedaͤmonier/ iſt des Da- mogetens Sohn geweſen. Er hat darvor gehalten/ daß die Vorerſehung kuͤnfftiger Dinge durch Vernunft weiſer Leute wol koͤnne begriffen werden. Als ſein Bruder einsmals ungehalten geweſen/ daß er nicht auch zu einem Oberauffſeher erwehlet wuͤrde/ da er Chilo doch geweſen/ hat er geantwortet: Jch kan Unrecht leiden/ du aber nicht. Dieſer Chilo hat dem Hip- pocrates/ als ſelbiger in der Stadt Olympien ge- opffert/ und die Opffertiegel ſonder zuthun des Feuers erhitzet/ gerahten/ daß/ wo er noch in le- digem Stande/ er darin verbleiben/ oder wo er ein Weib hette/ ſolches von ſich jagen/ und die erzeu- gete Kinder toͤdten ſolte. Man ſagt/ daß/ als ihn Æſopus der Redner ge- fraget/ was doch Juppiter im Himmel machte/ er dieſe Antwort ertheilet: Die Hoffertigen demuͤ- tiget er/ und die Demuͤtigen erhoͤhet er. Man ſagt auch/ daß er in ſeinem Alter betheuret habe/ ſo lang als er gelebt/ wuͤſte er ſich keiner Undankbar- keit ſchuͤldig; nur ein Ding bekuͤmmerte ihn ein wenig/ daß nemlich/ als er unter guten Freunden ſolte Richter ſeyn/ und gleichwol nicht wider die Rechte handlen wollen/ er ſie abgewieſen/ und den einen uͤberredet/ ſich an ein ander Gericht zu ſchla- gen/ damit er alſo beydes/ ſo wol die Geſetze hand- haben/ als ihn zum Freunde behalten moͤchte. Son- p iij

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Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666/425>, abgerufen am 22.11.2024.