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Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666.

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in dem er mir folgete/ die hochaußragende Korn-
ähre mit einem Stokke abgeschlagen/ damit/
wenn du ihn fragest/ er dir erzehlen könne/ was er
von mir gesehen und gehöret. Darüm mache du
es auch also/ im fall du das tyrannische Regiment
sicher erhalten und einen festen Fuß darein setzen
wilst. Reume die vornemsten Herren der Stadt/
unangesehen sie sind Freunde oder Feinde/ aus
dem wege. Denn einem Tyrannen sind offtmals
auch die Freunde verdächtig. Mit seiner Gemah-
lin Lysis hat Periander zween Söhne gezeuget/
Cypselus und Lycophron: Lycophron als der
Jüngste/ war eines klugen/ hingegen Cypselus
der ältere eines tumnärrischen Verstandes. Als
einsmals sein Ehgemahlin bey ihm durch ver-
leumderisches Angeben der leichtfertigen Kebs-
weiber/ welche er doch hernachmals alle verbren-
nen lassen/ verhetzet wurde/ hat er sie im Zorn/
unangesehen sie mit schwerem Leibe gieng/ die
Treppe hinab geworffen/ mit Füssen getreten/ und
ermordet. Da aber der Sohn Lycophron/ den Tod
seiner Mutter beweinete/ ist er vom Vater seines
kindlichen Rechts entsetzet/ und in die Jnsel Cor-
cyra verwiesen worden. Als nun sein Alter hoch
gestiegen/ hat er den verwiesenen Lycophron/ auf
daß er ihm das tyrannische Regiment persönlich
übergeben möchte/ zu sich hohlen lassen. Die Cor-
cyrenser aber/ sind nach Erkündigung seines Raht-
schlags ihm zuvor kommen/ und den Sohn üms
Leben gebracht. Nach Erfahrung dessen/ hat er
in zornigem Eyfer der Corcyrenser Kinder fangen/
und sie dem Alyattes/ daß er solche wieder tödtete/
in Lydien geschikket. Als aber das Schiff bey der
Jnsel Samus angelendet/ sind die Kinder/ da sie

der
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in dem er mir folgete/ die hochaußragende Korn-
aͤhre mit einem Stokke abgeſchlagen/ damit/
wenn du ihn frageſt/ er dir erzehlen koͤnne/ was er
von mir geſehen und gehoͤret. Daruͤm mache du
es auch alſo/ im fall du das tyranniſche Regiment
ſicher erhalten und einen feſten Fuß darein ſetzen
wilſt. Reume die vornemſten Herren der Stadt/
unangeſehen ſie ſind Freunde oder Feinde/ aus
dem wege. Denn einem Tyrannen ſind offtmals
auch die Freunde verdaͤchtig. Mit ſeiner Gemah-
lin Lyſis hat Periander zween Soͤhne gezeuget/
Cypſelus und Lycophron: Lycophron als der
Juͤngſte/ war eines klugen/ hingegen Cypſelus
der aͤltere eines tumnaͤrriſchen Verſtandes. Als
einsmals ſein Ehgemahlin bey ihm durch ver-
leumderiſches Angeben der leichtfertigen Kebs-
weiber/ welche er doch hernachmals alle verbren-
nen laſſen/ verhetzet wurde/ hat er ſie im Zorn/
unangeſehen ſie mit ſchwerem Leibe gieng/ die
Treppe hinab geworffen/ mit Fuͤſſen getreten/ und
ermordet. Da aber der Sohn Lycophron/ den Tod
ſeiner Mutter beweinete/ iſt er vom Vater ſeines
kindlichen Rechts entſetzet/ und in die Jnſel Cor-
cyra verwieſen worden. Als nun ſein Alter hoch
geſtiegen/ hat er den verwieſenen Lycophron/ auf
daß er ihm das tyranniſche Regiment perſoͤnlich
uͤbergeben moͤchte/ zu ſich hohlen laſſen. Die Cor-
cyrenſer aber/ ſind nach Erkuͤndigung ſeines Raht-
ſchlags ihm zuvor kommen/ und den Sohn uͤms
Leben gebracht. Nach Erfahrung deſſen/ hat er
in zornigem Eyfer der Corcyrenſer Kinder fangen/
und ſie dem Alyattes/ daß er ſolche wieder toͤdtete/
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Jnſel Samus angelendet/ ſind die Kinder/ da ſie

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[365/0457] in dem er mir folgete/ die hochaußragende Korn- aͤhre mit einem Stokke abgeſchlagen/ damit/ wenn du ihn frageſt/ er dir erzehlen koͤnne/ was er von mir geſehen und gehoͤret. Daruͤm mache du es auch alſo/ im fall du das tyranniſche Regiment ſicher erhalten und einen feſten Fuß darein ſetzen wilſt. Reume die vornemſten Herren der Stadt/ unangeſehen ſie ſind Freunde oder Feinde/ aus dem wege. Denn einem Tyrannen ſind offtmals auch die Freunde verdaͤchtig. Mit ſeiner Gemah- lin Lyſis hat Periander zween Soͤhne gezeuget/ Cypſelus und Lycophron: Lycophron als der Juͤngſte/ war eines klugen/ hingegen Cypſelus der aͤltere eines tumnaͤrriſchen Verſtandes. Als einsmals ſein Ehgemahlin bey ihm durch ver- leumderiſches Angeben der leichtfertigen Kebs- weiber/ welche er doch hernachmals alle verbren- nen laſſen/ verhetzet wurde/ hat er ſie im Zorn/ unangeſehen ſie mit ſchwerem Leibe gieng/ die Treppe hinab geworffen/ mit Fuͤſſen getreten/ und ermordet. Da aber der Sohn Lycophron/ den Tod ſeiner Mutter beweinete/ iſt er vom Vater ſeines kindlichen Rechts entſetzet/ und in die Jnſel Cor- cyra verwieſen worden. Als nun ſein Alter hoch geſtiegen/ hat er den verwieſenen Lycophron/ auf daß er ihm das tyranniſche Regiment perſoͤnlich uͤbergeben moͤchte/ zu ſich hohlen laſſen. Die Cor- cyrenſer aber/ ſind nach Erkuͤndigung ſeines Raht- ſchlags ihm zuvor kommen/ und den Sohn uͤms Leben gebracht. Nach Erfahrung deſſen/ hat er in zornigem Eyfer der Corcyrenſer Kinder fangen/ und ſie dem Alyattes/ daß er ſolche wieder toͤdtete/ in Lydien geſchikket. Als aber das Schiff bey der Jnſel Samus angelendet/ ſind die Kinder/ da ſie der q iij

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Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666/457>, abgerufen am 11.05.2024.