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Nicolai, Philipp: Frewden Spiegel deß ewigen Lebens. Frankfurt (Main), 1599.

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Der Ander Theil deß Frewden Spiegels.
von Angesicht zu Angesicht sehen/ ob schon vnser Fleisch vnd
Blut nit verstehet noch begreifft/ wie solches zugehen möge.

Die außerwehl
te Seelen im
Himmel kennen
sich vntereinan-
der.
Luc. 16.

Nicht allein aber sehen sie sich/ sondern in dem sie sich
sehen/ da kennen sie sich auch vntereinander/ denn es kennet
ja der reiche Mann den Lazarum von ferrne/ vnangesehen
daß er in der Helle ligt: Wie viel mehr kennen sich denn die
Außerwehlten im Himmel? Wie solte auch ein Außerwehl-
te Seele wissen/ daß sie zu jhrem Volck versammlet were/
wenn sie jhr Volck in jener Welt nicht kennete? Zu dem ist ja
das Leben d' Kinder deß Liechts im Himmel ein recht Paradeiß
Luc. 23.Leben/ wie der HErr zum Schächer spricht: Heut wirstu bey
mir im Paradeißseyn. Jsts nun ein Paradeiß Leben/ so folget/
gleich wie Adam vnd Eua im jrrdischen Paradeiß (ehe denn-
die Sünde vnnd Todt in die Welt kommen waren) sich
kannten/ vnnd hertzlich einer den andern liebete/ daß auch die
triumphirende Christen im himmlischen Paradeiß deß ewi-
gen Lebens (nach dem sie die Sünde vnnd den Todt durch
den Glauben an Christum vberwunden haben) sich einan-
der mit vngefärbter reiner Liebe vmbfangen/ vnd recht kennen.

Es war ein recht Paradeiß Leben auff Erden/ da Adam
Adam vnd Eua
kandten sich im
jrrdischen Pa-
radeiß.
Gen. 2.
ohne Sünde war/ vnd sein Weib Eua (als sie jhm erst zuge-
führet ward) fluchs nach dem Schlaff kandte/ fragt sie nicht:
Was bistu für eine Creatur? Wo kompstu her? Was suchstu
hie? Sondern sprach alsbald: Das ist doch Bein von meinen
Beinen/ vnd Fleisch von meinen Fleisch. Man wirt sie Männin
heissen/ darvmb/ daß sie vom Manne genommen ist. Deßglei-
chen kennet das Weib fort jhren Mann/ von welches Rip-
pen sie erbauwet war/ vnd fragte nicht lang/ Wer vnnd von
wannen er were/ sondern hielt vnnd gesellet sich zu jhm/
als zu jhrem eigen Fleisch vnnd Blut/ vnnd recht bekann-
ten Freundt. Sihe/ so ein lieblich Wesen vnnd freundli-
che Erkändtnuß war vnter den Menschen/ im jrrdischen

Para-

Der Ander Theil deß Frewden Spiegels.
von Angeſicht zu Angeſicht ſehen/ ob ſchon vnſer Fleiſch vnd
Blut nit verſtehet noch begreifft/ wie ſolches zugehen möge.

Die außerwehl
te Seelen im
Himmel kennen
ſich vntereinan-
der.
Luc. 16.

Nicht allein aber ſehen ſie ſich/ ſondern in dem ſie ſich
ſehen/ da kennen ſie ſich auch vntereinander/ denn es kennet
ja der reiche Mann den Lazarum von ferrne/ vnangeſehen
daß er in der Helle ligt: Wie viel mehr kennen ſich denn die
Außerwehlten im Himmel? Wie ſolte auch ein Außerwehl-
te Seele wiſſen/ daß ſie zu jhrem Volck verſammlet were/
weñ ſie jhr Volck in jener Welt nicht kennete? Zu dem iſt ja
das Leben d’ Kinder deß Liechts im Him̃el ein recht Paradeiß
Luc. 23.Lebẽ/ wie der HErr zum Schächer ſpricht: Heut wirſtu bey
mir im Paradeißſeyn. Jſts nun ein Paradeiß Lebẽ/ ſo folget/
gleich wie Adam vnd Eua im jrrdiſchen Paradeiß (ehe denn-
die Sünde vnnd Todt in die Welt kommen waren) ſich
kannten/ vnnd hertzlich einer den andern liebete/ daß auch die
triumphirende Chriſten im himmliſchen Paradeiß deß ewi-
gen Lebens (nach dem ſie die Sünde vnnd den Todt durch
den Glauben an Chriſtum vberwunden haben) ſich einan-
der mit vngefärbter reiner Liebe vmbfangẽ/ vnd recht keñen.

Es war ein recht Paradeiß Leben auff Erden/ da Adam
Adam vnd Eua
kandten ſich im
jrrdiſchen Pa-
radeiß.
Gen. 2.
ohne Sünde war/ vnd ſein Weib Eua (als ſie jhm erſt zuge-
führet ward) fluchs nach dem Schlaff kandte/ fragt ſie nicht:
Was biſtu für eine Creatur? Wo kompſtu her? Was ſuchſtu
hie? Sondern ſprach alsbald: Das iſt doch Bein von meinen
Beinẽ/ vñ Fleiſch von meinẽ Fleiſch. Man wirt ſie Männin
heiſſen/ darvmb/ daß ſie vom Manne genom̃en iſt. Deßglei-
chen kennet das Weib fort jhren Mann/ von welches Rip-
pen ſie erbauwet war/ vnd fragte nicht lang/ Wer vnnd von
wannen er were/ ſondern hielt vnnd geſellet ſich zu jhm/
als zu jhrem eigen Fleiſch vnnd Blut/ vnnd recht bekann-
ten Freundt. Sihe/ ſo ein lieblich Weſen vnnd freundli-
che Erkändtnuß war vnter den Menſchen/ im jrrdiſchen

Para-
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[366/0384] Der Ander Theil deß Frewden Spiegels. von Angeſicht zu Angeſicht ſehen/ ob ſchon vnſer Fleiſch vnd Blut nit verſtehet noch begreifft/ wie ſolches zugehen möge. Nicht allein aber ſehen ſie ſich/ ſondern in dem ſie ſich ſehen/ da kennen ſie ſich auch vntereinander/ denn es kennet ja der reiche Mann den Lazarum von ferrne/ vnangeſehen daß er in der Helle ligt: Wie viel mehr kennen ſich denn die Außerwehlten im Himmel? Wie ſolte auch ein Außerwehl- te Seele wiſſen/ daß ſie zu jhrem Volck verſammlet were/ weñ ſie jhr Volck in jener Welt nicht kennete? Zu dem iſt ja das Leben d’ Kinder deß Liechts im Him̃el ein recht Paradeiß Lebẽ/ wie der HErr zum Schächer ſpricht: Heut wirſtu bey mir im Paradeißſeyn. Jſts nun ein Paradeiß Lebẽ/ ſo folget/ gleich wie Adam vnd Eua im jrrdiſchen Paradeiß (ehe denn- die Sünde vnnd Todt in die Welt kommen waren) ſich kannten/ vnnd hertzlich einer den andern liebete/ daß auch die triumphirende Chriſten im himmliſchen Paradeiß deß ewi- gen Lebens (nach dem ſie die Sünde vnnd den Todt durch den Glauben an Chriſtum vberwunden haben) ſich einan- der mit vngefärbter reiner Liebe vmbfangẽ/ vnd recht keñen. Luc. 23. Es war ein recht Paradeiß Leben auff Erden/ da Adam ohne Sünde war/ vnd ſein Weib Eua (als ſie jhm erſt zuge- führet ward) fluchs nach dem Schlaff kandte/ fragt ſie nicht: Was biſtu für eine Creatur? Wo kompſtu her? Was ſuchſtu hie? Sondern ſprach alsbald: Das iſt doch Bein von meinen Beinẽ/ vñ Fleiſch von meinẽ Fleiſch. Man wirt ſie Männin heiſſen/ darvmb/ daß ſie vom Manne genom̃en iſt. Deßglei- chen kennet das Weib fort jhren Mann/ von welches Rip- pen ſie erbauwet war/ vnd fragte nicht lang/ Wer vnnd von wannen er were/ ſondern hielt vnnd geſellet ſich zu jhm/ als zu jhrem eigen Fleiſch vnnd Blut/ vnnd recht bekann- ten Freundt. Sihe/ ſo ein lieblich Weſen vnnd freundli- che Erkändtnuß war vnter den Menſchen/ im jrrdiſchen Para- Adam vnd Eua kandten ſich im jrrdiſchen Pa- radeiß. Gen. 2.

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Zitationshilfe: Nicolai, Philipp: Frewden Spiegel deß ewigen Lebens. Frankfurt (Main), 1599, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_freuden_1599/384>, abgerufen am 17.07.2024.