Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite



seinen Nebencorrector Sebaldus seine Größe fühlen
zu laßen. Er war nicht wenig erstaunt, daß dieser,
anstatt das Geschäft eines Uebersetzers, wie er, zu ver-
ehren, vielmehr davon mit der äußersten Verachtung
sprach. Es entstand daher ein ziemlich lebhafter Wort-
wechsel zwischen ihnen, welcher endlich heftig ward, da
sie, ich weiß nicht wie, auch auf die Apocalypse geriethen,
wovon der Corrector die richtigen bengelischcrusianischen
Begriffe hatte. Er erstaunte nicht wenig darüber, daß
Sebaldus, anstatt die Apocalypse von der christlichen
Kirche erklären zu wollen, sie für eine Wiederholung der
Geschichte Frankreichs ausgab; aber er gerieth in Wuth
da er vernahm, daß Sebaldus aus der Einrichtung des
himmlischen Jerusalems die Endlichkeit der Höllen-
strafen behaupten wolte. Er kreuzte und segnete
sich über solche Ketzerey, und lief sogleich zu ver-
schiedenen Buchdruckern, die ihm und Sebaldus
die meisten Bogen zu corrigiren gaben. Er klagte
ihnen, nicht etwa Sebaldus unrichtige Erklärungen
der Apocalypse, welches vielleicht nicht viel Eindruck
gemacht haben würde, sondern daß Sebaldus gegen
jedermann die Uebersetzungsfabriken, als einen der
Gelehrsamkeit nachtheiligen Mißbrauch verdammte,
und daß er bey dieser Gelegenheit von den Buchdru-
ckern und Verlegern, die mit Uebersetzungen ein nütz-

liches



ſeinen Nebencorrector Sebaldus ſeine Groͤße fuͤhlen
zu laßen. Er war nicht wenig erſtaunt, daß dieſer,
anſtatt das Geſchaͤft eines Ueberſetzers, wie er, zu ver-
ehren, vielmehr davon mit der aͤußerſten Verachtung
ſprach. Es entſtand daher ein ziemlich lebhafter Wort-
wechſel zwiſchen ihnen, welcher endlich heftig ward, da
ſie, ich weiß nicht wie, auch auf die Apocalypſe geriethen,
wovon der Corrector die richtigen bengeliſchcruſianiſchen
Begriffe hatte. Er erſtaunte nicht wenig daruͤber, daß
Sebaldus, anſtatt die Apocalypſe von der chriſtlichen
Kirche erklaͤren zu wollen, ſie fuͤr eine Wiederholung der
Geſchichte Frankreichs ausgab; aber er gerieth in Wuth
da er vernahm, daß Sebaldus aus der Einrichtung des
himmliſchen Jeruſalems die Endlichkeit der Hoͤllen-
ſtrafen behaupten wolte. Er kreuzte und ſegnete
ſich uͤber ſolche Ketzerey, und lief ſogleich zu ver-
ſchiedenen Buchdruckern, die ihm und Sebaldus
die meiſten Bogen zu corrigiren gaben. Er klagte
ihnen, nicht etwa Sebaldus unrichtige Erklaͤrungen
der Apocalypſe, welches vielleicht nicht viel Eindruck
gemacht haben wuͤrde, ſondern daß Sebaldus gegen
jedermann die Ueberſetzungsfabriken, als einen der
Gelehrſamkeit nachtheiligen Mißbrauch verdammte,
und daß er bey dieſer Gelegenheit von den Buchdru-
ckern und Verlegern, die mit Ueberſetzungen ein nuͤtz-

liches
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0160" n="136"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;einen Nebencorrector <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> &#x017F;eine Gro&#x0364;ße fu&#x0364;hlen<lb/>
zu laßen. Er war nicht wenig er&#x017F;taunt, daß die&#x017F;er,<lb/>
an&#x017F;tatt das Ge&#x017F;cha&#x0364;ft eines Ueber&#x017F;etzers, wie er, zu ver-<lb/>
ehren, vielmehr davon mit der a&#x0364;ußer&#x017F;ten Verachtung<lb/>
&#x017F;prach. Es ent&#x017F;tand daher ein ziemlich lebhafter Wort-<lb/>
wech&#x017F;el zwi&#x017F;chen ihnen, welcher endlich heftig ward, da<lb/>
&#x017F;ie, ich weiß nicht wie, auch auf die Apocalyp&#x017F;e geriethen,<lb/>
wovon der Corrector die richtigen bengeli&#x017F;chcru&#x017F;iani&#x017F;chen<lb/>
Begriffe hatte. Er er&#x017F;taunte nicht wenig daru&#x0364;ber, daß<lb/><hi rendition="#fr">Sebaldus,</hi> an&#x017F;tatt die Apocalyp&#x017F;e von der chri&#x017F;tlichen<lb/>
Kirche erkla&#x0364;ren zu wollen, &#x017F;ie fu&#x0364;r eine Wiederholung der<lb/>
Ge&#x017F;chichte Frankreichs ausgab; aber er gerieth in Wuth<lb/>
da er vernahm, daß <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> aus der Einrichtung des<lb/>
himmli&#x017F;chen Jeru&#x017F;alems die Endlichkeit der Ho&#x0364;llen-<lb/>
&#x017F;trafen behaupten wolte. Er kreuzte und &#x017F;egnete<lb/>
&#x017F;ich u&#x0364;ber &#x017F;olche Ketzerey, und lief &#x017F;ogleich zu ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Buchdruckern, die ihm und <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi><lb/>
die mei&#x017F;ten Bogen zu corrigiren gaben. Er klagte<lb/>
ihnen, nicht etwa <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> unrichtige Erkla&#x0364;rungen<lb/>
der Apocalyp&#x017F;e, welches vielleicht nicht viel Eindruck<lb/>
gemacht haben wu&#x0364;rde, &#x017F;ondern daß <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> gegen<lb/>
jedermann die Ueber&#x017F;etzungsfabriken, als einen der<lb/>
Gelehr&#x017F;amkeit nachtheiligen Mißbrauch verdammte,<lb/>
und daß er bey die&#x017F;er Gelegenheit von den Buchdru-<lb/>
ckern und Verlegern, die mit Ueber&#x017F;etzungen ein nu&#x0364;tz-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">liches</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0160] ſeinen Nebencorrector Sebaldus ſeine Groͤße fuͤhlen zu laßen. Er war nicht wenig erſtaunt, daß dieſer, anſtatt das Geſchaͤft eines Ueberſetzers, wie er, zu ver- ehren, vielmehr davon mit der aͤußerſten Verachtung ſprach. Es entſtand daher ein ziemlich lebhafter Wort- wechſel zwiſchen ihnen, welcher endlich heftig ward, da ſie, ich weiß nicht wie, auch auf die Apocalypſe geriethen, wovon der Corrector die richtigen bengeliſchcruſianiſchen Begriffe hatte. Er erſtaunte nicht wenig daruͤber, daß Sebaldus, anſtatt die Apocalypſe von der chriſtlichen Kirche erklaͤren zu wollen, ſie fuͤr eine Wiederholung der Geſchichte Frankreichs ausgab; aber er gerieth in Wuth da er vernahm, daß Sebaldus aus der Einrichtung des himmliſchen Jeruſalems die Endlichkeit der Hoͤllen- ſtrafen behaupten wolte. Er kreuzte und ſegnete ſich uͤber ſolche Ketzerey, und lief ſogleich zu ver- ſchiedenen Buchdruckern, die ihm und Sebaldus die meiſten Bogen zu corrigiren gaben. Er klagte ihnen, nicht etwa Sebaldus unrichtige Erklaͤrungen der Apocalypſe, welches vielleicht nicht viel Eindruck gemacht haben wuͤrde, ſondern daß Sebaldus gegen jedermann die Ueberſetzungsfabriken, als einen der Gelehrſamkeit nachtheiligen Mißbrauch verdammte, und daß er bey dieſer Gelegenheit von den Buchdru- ckern und Verlegern, die mit Ueberſetzungen ein nuͤtz- liches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/160
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/160>, abgerufen am 12.05.2024.