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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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sinnigen Franzosen und Engländer, noch keine bessere
Benennung haben finden können, als daß sie die Jn-
haber eines solchen Postens, Schlangen- und Krö-
tenesser
*) nennen.

Zweyter Abschnitt.

Es ist leicht zu erachten, daß, da der Herr Vetter,
der doch von guter Familie war, sich gegen das
hochadeliche Paar so gefällig bezeigte, man von Ma-
rianen,
eben so viel, wo nicht mehr Gefälligkeit wer-
de verlangt haben, und wie hart dies anfänglich einer
Person vorgekommen seyn müsse, die in der glückli-
chen Unabhängigkeit erzogen worden war, daß sie seit
ihrer ersten Kindheit an, von nichts als von ihrer eigenen
Vernunft, und von der Vernunft und der Liebe zärt-
licher Eltern abhängig gewesen war. Das unschätz-
bare Glück der Unabhängigkeit ist durch keine an-
dere Vortheile zu ersetzen. Man mag von dem mäch-
tigsten, von dem reichsten Manne, ja, selbst von sei-
nem eigenen Freunde abhängen, so fühlt man die Fes-
seln, sie mögen noch so weit losgelassen, und noch
so schön geschmückt seyn. Wem das Schicksal die Un-
abhängigkeit versagt, der mache sich gefaßt, einigen

der
*) Avaleurs de Coleuvres -- Toad-eaters



ſinnigen Franzoſen und Englaͤnder, noch keine beſſere
Benennung haben finden koͤnnen, als daß ſie die Jn-
haber eines ſolchen Poſtens, Schlangen- und Kroͤ-
teneſſer
*) nennen.

Zweyter Abſchnitt.

Es iſt leicht zu erachten, daß, da der Herr Vetter,
der doch von guter Familie war, ſich gegen das
hochadeliche Paar ſo gefaͤllig bezeigte, man von Ma-
rianen,
eben ſo viel, wo nicht mehr Gefaͤlligkeit wer-
de verlangt haben, und wie hart dies anfaͤnglich einer
Perſon vorgekommen ſeyn muͤſſe, die in der gluͤckli-
chen Unabhaͤngigkeit erzogen worden war, daß ſie ſeit
ihrer erſten Kindheit an, von nichts als von ihrer eigenen
Vernunft, und von der Vernunft und der Liebe zaͤrt-
licher Eltern abhaͤngig geweſen war. Das unſchaͤtz-
bare Gluͤck der Unabhaͤngigkeit iſt durch keine an-
dere Vortheile zu erſetzen. Man mag von dem maͤch-
tigſten, von dem reichſten Manne, ja, ſelbſt von ſei-
nem eigenen Freunde abhaͤngen, ſo fuͤhlt man die Feſ-
ſeln, ſie moͤgen noch ſo weit losgelaſſen, und noch
ſo ſchoͤn geſchmuͤckt ſeyn. Wem das Schickſal die Un-
abhaͤngigkeit verſagt, der mache ſich gefaßt, einigen

der
*) Avaleurs de Coleuvres — Toad-eaters
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[172/0198] ſinnigen Franzoſen und Englaͤnder, noch keine beſſere Benennung haben finden koͤnnen, als daß ſie die Jn- haber eines ſolchen Poſtens, Schlangen- und Kroͤ- teneſſer *) nennen. Zweyter Abſchnitt. Es iſt leicht zu erachten, daß, da der Herr Vetter, der doch von guter Familie war, ſich gegen das hochadeliche Paar ſo gefaͤllig bezeigte, man von Ma- rianen, eben ſo viel, wo nicht mehr Gefaͤlligkeit wer- de verlangt haben, und wie hart dies anfaͤnglich einer Perſon vorgekommen ſeyn muͤſſe, die in der gluͤckli- chen Unabhaͤngigkeit erzogen worden war, daß ſie ſeit ihrer erſten Kindheit an, von nichts als von ihrer eigenen Vernunft, und von der Vernunft und der Liebe zaͤrt- licher Eltern abhaͤngig geweſen war. Das unſchaͤtz- bare Gluͤck der Unabhaͤngigkeit iſt durch keine an- dere Vortheile zu erſetzen. Man mag von dem maͤch- tigſten, von dem reichſten Manne, ja, ſelbſt von ſei- nem eigenen Freunde abhaͤngen, ſo fuͤhlt man die Feſ- ſeln, ſie moͤgen noch ſo weit losgelaſſen, und noch ſo ſchoͤn geſchmuͤckt ſeyn. Wem das Schickſal die Un- abhaͤngigkeit verſagt, der mache ſich gefaßt, einigen der *) Avaleurs de Coleuvres — Toad-eaters

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/198>, abgerufen am 22.11.2024.