Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.gen, aus deren Winkeln beständig ein paar matte rothgelbe Augäpfel liebäugelten, die kleinen Fräulein waren noch allzu jung, und die übrigen weiblichen Ge- schöpfe waren unter der Notiz eines feinen Mannes wie Säugling. Hiezu kam, daß bey der ersten Un- terredung Mariane untrügliche Kennzeichen ihres guten Geschmacks merken ließ, wodurch Säugling Herz bekam, ihr ein Gedicht vorzulesen, welches Ma- riane mit so großem Beyfalle anhörte, und dessen Schönheiten so fein hervorzusuchen wußte, daß das kleine Männchen vor Entzücken ausser sich war. Dies veranlaßte eine nähere Bekanntschaft, in der schmei-
gen, aus deren Winkeln beſtaͤndig ein paar matte rothgelbe Augaͤpfel liebaͤugelten, die kleinen Fraͤulein waren noch allzu jung, und die uͤbrigen weiblichen Ge- ſchoͤpfe waren unter der Notiz eines feinen Mannes wie Saͤugling. Hiezu kam, daß bey der erſten Un- terredung Mariane untruͤgliche Kennzeichen ihres guten Geſchmacks merken ließ, wodurch Saͤugling Herz bekam, ihr ein Gedicht vorzuleſen, welches Ma- riane mit ſo großem Beyfalle anhoͤrte, und deſſen Schoͤnheiten ſo fein hervorzuſuchen wußte, daß das kleine Maͤnnchen vor Entzuͤcken auſſer ſich war. Dies veranlaßte eine naͤhere Bekanntſchaft, in der ſchmei-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0218" n="192"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> gen, aus deren Winkeln beſtaͤndig ein paar matte<lb/> rothgelbe Augaͤpfel liebaͤugelten, die kleinen Fraͤulein<lb/> waren noch allzu jung, und die uͤbrigen weiblichen Ge-<lb/> ſchoͤpfe waren unter der Notiz eines feinen Mannes<lb/> wie <hi rendition="#fr">Saͤugling.</hi> Hiezu kam, daß bey der erſten Un-<lb/> terredung <hi rendition="#fr">Mariane</hi> untruͤgliche Kennzeichen ihres<lb/> guten Geſchmacks merken ließ, wodurch <hi rendition="#fr">Saͤugling</hi><lb/> Herz bekam, ihr ein Gedicht vorzuleſen, welches <hi rendition="#fr">Ma-<lb/> riane</hi> mit ſo großem Beyfalle anhoͤrte, und deſſen<lb/> Schoͤnheiten ſo fein hervorzuſuchen wußte, daß das<lb/> kleine Maͤnnchen vor Entzuͤcken auſſer ſich war.</p><lb/> <p>Dies veranlaßte eine naͤhere Bekanntſchaft, in der<lb/><hi rendition="#fr">Saͤugling</hi> bald <hi rendition="#fr">Marianens,</hi> vor der Frau von <hi rendition="#fr">Ho-<lb/> henauf</hi> bisher ſo geheim gehaltene, Bibliothek von<lb/> guten deutſchen Buͤchern entdeckte. Er erſtaunte nicht<lb/> wenig, eine Franzoͤſinn ſo aufmerkſam auf die deutſche<lb/> Litteratur zu finden. Da er gewohnt war, alles was<lb/> er ſahe auf ſeine kleine Perſon zuruͤck zu fuͤhren, ſo<lb/> fiel er ſchnell darauf, wie moͤglich es ſey, (wenn er, wie er<lb/> zuverlaͤßig hoffte, unter den guten Dichtern Deutſch-<lb/> lands einen Platz verdienen wuͤrde,) daß ſein Ruhm<lb/> auch auſſer Deutſchland ſich ausbreiten, daß ſeine Ge-<lb/> dichte ins franzoͤſiſche uͤberſetzt, und von den Damen<lb/> an allen Hoͤfen Europens geleſen werden koͤnnten. Er<lb/> wußte es <hi rendition="#fr">Marianen</hi> Dank, daß ſie zuerſt eine ſo<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſchmei-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0218]
gen, aus deren Winkeln beſtaͤndig ein paar matte
rothgelbe Augaͤpfel liebaͤugelten, die kleinen Fraͤulein
waren noch allzu jung, und die uͤbrigen weiblichen Ge-
ſchoͤpfe waren unter der Notiz eines feinen Mannes
wie Saͤugling. Hiezu kam, daß bey der erſten Un-
terredung Mariane untruͤgliche Kennzeichen ihres
guten Geſchmacks merken ließ, wodurch Saͤugling
Herz bekam, ihr ein Gedicht vorzuleſen, welches Ma-
riane mit ſo großem Beyfalle anhoͤrte, und deſſen
Schoͤnheiten ſo fein hervorzuſuchen wußte, daß das
kleine Maͤnnchen vor Entzuͤcken auſſer ſich war.
Dies veranlaßte eine naͤhere Bekanntſchaft, in der
Saͤugling bald Marianens, vor der Frau von Ho-
henauf bisher ſo geheim gehaltene, Bibliothek von
guten deutſchen Buͤchern entdeckte. Er erſtaunte nicht
wenig, eine Franzoͤſinn ſo aufmerkſam auf die deutſche
Litteratur zu finden. Da er gewohnt war, alles was
er ſahe auf ſeine kleine Perſon zuruͤck zu fuͤhren, ſo
fiel er ſchnell darauf, wie moͤglich es ſey, (wenn er, wie er
zuverlaͤßig hoffte, unter den guten Dichtern Deutſch-
lands einen Platz verdienen wuͤrde,) daß ſein Ruhm
auch auſſer Deutſchland ſich ausbreiten, daß ſeine Ge-
dichte ins franzoͤſiſche uͤberſetzt, und von den Damen
an allen Hoͤfen Europens geleſen werden koͤnnten. Er
wußte es Marianen Dank, daß ſie zuerſt eine ſo
ſchmei-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |