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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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"nur, daß ich Jhre Liebe hoffen darf, und Sie sollen
"sehen, daß meine Liebe nicht wanken wird, es mag
"auch geschehen, was da wolle. Die Liebe wird mich
"den äussersten Gefahren trotzen lehren."

"Warum wollen Sie aber sich und mich den äu-
"ßersten Gefahren bloß geben. Unterdrücken Sie
"lieber eine Leidenschaft, die Sie und mich nicht glück-
"lich machen kann. Jch will aufrichtig mit Jhnen
"reden. Mein Herz hat Sie nie gehasset. Sie ha-
"ben viel liebenswürdige Eigenschaften, die ich hoch-
"schätzen muß; aber ich wiederhole es nochmals, ge-
"ben Sie der Vernunft Gehör, und bedenken Sie,
"daß unüberwindliche Schwierigkeiten" -- --

"O meine Schönste, der Liebe sind keine Schwie-
"rigkeiten unüberwindlich. Lieben Sie mich nur" -- --

"Wir wollen lieber die Schwierigkeiten vermei-
"den, als sie zu überwinden suchen. Jch schätze Sie
"aufrichtig hoch; seyn Sie damit zufrieden. Jch
"werde beständig Jhre wahre Freundin seyn, aber --

Jndem sie dieses sagte, trat wieder alles Vermu-
then hinter einer geschnittenen Hecke die Frau von Ho-
henauf
hervor, die seit der letzten Entdeckung von
Marianens deutscher Lectur mißtrauisch, beständig
alle ihre Schritte beobachtet hatte. Sie schalt ihren
Neffen heftig aus, wegen seiner niederträchtigen Nei-

gung
O 5



„nur, daß ich Jhre Liebe hoffen darf, und Sie ſollen
„ſehen, daß meine Liebe nicht wanken wird, es mag
„auch geſchehen, was da wolle. Die Liebe wird mich
„den aͤuſſerſten Gefahren trotzen lehren.‟

„Warum wollen Sie aber ſich und mich den aͤu-
„ßerſten Gefahren bloß geben. Unterdruͤcken Sie
„lieber eine Leidenſchaft, die Sie und mich nicht gluͤck-
„lich machen kann. Jch will aufrichtig mit Jhnen
„reden. Mein Herz hat Sie nie gehaſſet. Sie ha-
„ben viel liebenswuͤrdige Eigenſchaften, die ich hoch-
„ſchaͤtzen muß; aber ich wiederhole es nochmals, ge-
„ben Sie der Vernunft Gehoͤr, und bedenken Sie,
„daß unuͤberwindliche Schwierigkeiten‟ — —

„O meine Schoͤnſte, der Liebe ſind keine Schwie-
„rigkeiten unuͤberwindlich. Lieben Sie mich nur‟ — —

„Wir wollen lieber die Schwierigkeiten vermei-
„den, als ſie zu uͤberwinden ſuchen. Jch ſchaͤtze Sie
„aufrichtig hoch; ſeyn Sie damit zufrieden. Jch
„werde beſtaͤndig Jhre wahre Freundin ſeyn, aber —

Jndem ſie dieſes ſagte, trat wieder alles Vermu-
then hinter einer geſchnittenen Hecke die Frau von Ho-
henauf
hervor, die ſeit der letzten Entdeckung von
Marianens deutſcher Lectur mißtrauiſch, beſtaͤndig
alle ihre Schritte beobachtet hatte. Sie ſchalt ihren
Neffen heftig aus, wegen ſeiner niedertraͤchtigen Nei-

gung
O 5
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[217/0243] „nur, daß ich Jhre Liebe hoffen darf, und Sie ſollen „ſehen, daß meine Liebe nicht wanken wird, es mag „auch geſchehen, was da wolle. Die Liebe wird mich „den aͤuſſerſten Gefahren trotzen lehren.‟ „Warum wollen Sie aber ſich und mich den aͤu- „ßerſten Gefahren bloß geben. Unterdruͤcken Sie „lieber eine Leidenſchaft, die Sie und mich nicht gluͤck- „lich machen kann. Jch will aufrichtig mit Jhnen „reden. Mein Herz hat Sie nie gehaſſet. Sie ha- „ben viel liebenswuͤrdige Eigenſchaften, die ich hoch- „ſchaͤtzen muß; aber ich wiederhole es nochmals, ge- „ben Sie der Vernunft Gehoͤr, und bedenken Sie, „daß unuͤberwindliche Schwierigkeiten‟ — — „O meine Schoͤnſte, der Liebe ſind keine Schwie- „rigkeiten unuͤberwindlich. Lieben Sie mich nur‟ — — „Wir wollen lieber die Schwierigkeiten vermei- „den, als ſie zu uͤberwinden ſuchen. Jch ſchaͤtze Sie „aufrichtig hoch; ſeyn Sie damit zufrieden. Jch „werde beſtaͤndig Jhre wahre Freundin ſeyn, aber — Jndem ſie dieſes ſagte, trat wieder alles Vermu- then hinter einer geſchnittenen Hecke die Frau von Ho- henauf hervor, die ſeit der letzten Entdeckung von Marianens deutſcher Lectur mißtrauiſch, beſtaͤndig alle ihre Schritte beobachtet hatte. Sie ſchalt ihren Neffen heftig aus, wegen ſeiner niedertraͤchtigen Nei- gung O 5

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/243>, abgerufen am 14.05.2024.