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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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seyn werde. Sie war es auch wirklich, und er gieng,
obgleich mit Zittern und Zagen, dennoch ohne von
jemand bemerkt zu werden, durch den Hof und durch
das Haus, auf die freye Strasse des Dorfs.

Er eilte nun mit verdoppelten Schritten nach dem
Vorwerke, wo er die Pferde schon gesattelt und
Rambolden seiner erwartend antraf. Sie setzten
sich sogleich zu Pferde, Säugling in der größten
Traurigkeit, die ihn Rambolds Lustigkeit weder zu
wildern, noch dessen Schrauberey zu verbergen bewe-
gen konnte. Sie brachten auf der Zurückreise zween
Tage zu, demohnerachtet legte sich Säugling so-
gleich bey der Ankunft ins Bette, um sich theils von
einem Fieber, welches die Gemüthsbewegung, theils
ron einigen andern kleinen Beschwerlichkeiten, welche
die Strapazen der Reise, seinem zarten Körper zuge-
zogen hatten, heilen zu lassen.

Der unglücklichen Mariane, ward von der Frau von
Hohenauf mit der äußersten Härte begegnet. Keine
Entschuldigung ward angenommen, die schimpflichsten
Vorwürfe wurden nicht gesparet. Sie wäre sogleich
auf die Strasse geworfen worden, wenn nicht zu be-
fürchten gewesen wäre, daß Säugling, durch ihr Un-
glück, noch näher mit ihr verbunden werden möchte.
Sie ward also eingesperret, bis sich eine Gelegenheit
fände, sie gänzlich wegzuschaffen.

Die Fr. von Hohenauf besann sich, daß die Gräfinn
von *** bey ihrer Anwesenheit, im Discurse beyläufig ge-
äußert hatte, sie wünschte eine Person von guter Auffüh-
rung und von Talenten um sich zu haben, die ihr Ge-

sellschaft
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ſeyn werde. Sie war es auch wirklich, und er gieng,
obgleich mit Zittern und Zagen, dennoch ohne von
jemand bemerkt zu werden, durch den Hof und durch
das Haus, auf die freye Straſſe des Dorfs.

Er eilte nun mit verdoppelten Schritten nach dem
Vorwerke, wo er die Pferde ſchon geſattelt und
Rambolden ſeiner erwartend antraf. Sie ſetzten
ſich ſogleich zu Pferde, Saͤugling in der groͤßten
Traurigkeit, die ihn Rambolds Luſtigkeit weder zu
wildern, noch deſſen Schrauberey zu verbergen bewe-
gen konnte. Sie brachten auf der Zuruͤckreiſe zween
Tage zu, demohnerachtet legte ſich Saͤugling ſo-
gleich bey der Ankunft ins Bette, um ſich theils von
einem Fieber, welches die Gemuͤthsbewegung, theils
ron einigen andern kleinen Beſchwerlichkeiten, welche
die Strapazen der Reiſe, ſeinem zarten Koͤrper zuge-
zogen hatten, heilen zu laſſen.

Der ungluͤcklichen Mariane, ward von der Frau von
Hohenauf mit der aͤußerſten Haͤrte begegnet. Keine
Entſchuldigung ward angenommen, die ſchimpflichſten
Vorwuͤrfe wurden nicht geſparet. Sie waͤre ſogleich
auf die Straſſe geworfen worden, wenn nicht zu be-
fuͤrchten geweſen waͤre, daß Saͤugling, durch ihr Un-
gluͤck, noch naͤher mit ihr verbunden werden moͤchte.
Sie ward alſo eingeſperret, bis ſich eine Gelegenheit
faͤnde, ſie gaͤnzlich wegzuſchaffen.

Die Fr. von Hohenauf beſann ſich, daß die Graͤfinn
von *** bey ihrer Anweſenheit, im Discurſe beylaͤufig ge-
aͤußert hatte, ſie wuͤnſchte eine Perſon von guter Auffuͤh-
rung und von Talenten um ſich zu haben, die ihr Ge-

ſellſchaft
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[229/0257] ſeyn werde. Sie war es auch wirklich, und er gieng, obgleich mit Zittern und Zagen, dennoch ohne von jemand bemerkt zu werden, durch den Hof und durch das Haus, auf die freye Straſſe des Dorfs. Er eilte nun mit verdoppelten Schritten nach dem Vorwerke, wo er die Pferde ſchon geſattelt und Rambolden ſeiner erwartend antraf. Sie ſetzten ſich ſogleich zu Pferde, Saͤugling in der groͤßten Traurigkeit, die ihn Rambolds Luſtigkeit weder zu wildern, noch deſſen Schrauberey zu verbergen bewe- gen konnte. Sie brachten auf der Zuruͤckreiſe zween Tage zu, demohnerachtet legte ſich Saͤugling ſo- gleich bey der Ankunft ins Bette, um ſich theils von einem Fieber, welches die Gemuͤthsbewegung, theils ron einigen andern kleinen Beſchwerlichkeiten, welche die Strapazen der Reiſe, ſeinem zarten Koͤrper zuge- zogen hatten, heilen zu laſſen. Der ungluͤcklichen Mariane, ward von der Frau von Hohenauf mit der aͤußerſten Haͤrte begegnet. Keine Entſchuldigung ward angenommen, die ſchimpflichſten Vorwuͤrfe wurden nicht geſparet. Sie waͤre ſogleich auf die Straſſe geworfen worden, wenn nicht zu be- fuͤrchten geweſen waͤre, daß Saͤugling, durch ihr Un- gluͤck, noch naͤher mit ihr verbunden werden moͤchte. Sie ward alſo eingeſperret, bis ſich eine Gelegenheit faͤnde, ſie gaͤnzlich wegzuſchaffen. Die Fr. von Hohenauf beſann ſich, daß die Graͤfinn von *** bey ihrer Anweſenheit, im Discurſe beylaͤufig ge- aͤußert hatte, ſie wuͤnſchte eine Perſon von guter Auffuͤh- rung und von Talenten um ſich zu haben, die ihr Ge- ſellſchaft P 3

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/257>, abgerufen am 23.11.2024.