Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.sellschaft leisten, und ihr vorlesen könnte. Die Gräfinn, obgleich aus einem der ältesten Geschlechte, und unter der Procht und den Lustbarkeiten des Hofes erzogen, schätzte Verdienst mehr als Adel, und die Schönheiten der Natur und eine in der Stille wohlverbrachte Zeit mehr, als den glänzendesten Pomp. Diese Neigun- gen der Gräfinn von *** waren den Neigungen der Frau von Hohenauf, so schnurgerade zuwieder, daß zwischen ihnen mancher Wortwechsel darüber entstan- den war, und daß die letztere die erstere -- wie es immer zu geschehen pflegt, wenn ein Thor gegen einen Klugen Unrecht hat -- herzlich zu haßen anfieng, ob sie gleich freilich, dem Wohlstande gemäß, eine Dame von diesem Range äußerlich mit den größten Freund- schaftsbezeugungen überhäufte. "Ha! sagte die Frau von Hohenauf für diesen Nun trat die Frau von Hohenauf in Maria- die
ſellſchaft leiſten, und ihr vorleſen koͤnnte. Die Graͤfinn, obgleich aus einem der aͤlteſten Geſchlechte, und unter der Procht und den Luſtbarkeiten des Hofes erzogen, ſchaͤtzte Verdienſt mehr als Adel, und die Schoͤnheiten der Natur und eine in der Stille wohlverbrachte Zeit mehr, als den glaͤnzendeſten Pomp. Dieſe Neigun- gen der Graͤfinn von *** waren den Neigungen der Frau von Hohenauf, ſo ſchnurgerade zuwieder, daß zwiſchen ihnen mancher Wortwechſel daruͤber entſtan- den war, und daß die letztere die erſtere — wie es immer zu geſchehen pflegt, wenn ein Thor gegen einen Klugen Unrecht hat — herzlich zu haßen anfieng, ob ſie gleich freilich, dem Wohlſtande gemaͤß, eine Dame von dieſem Range aͤußerlich mit den groͤßten Freund- ſchaftsbezeugungen uͤberhaͤufte. „Ha! ſagte die Frau von Hohenauf fuͤr dieſen Nun trat die Frau von Hohenauf in Maria- die
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ſellſchaft leiſten, und ihr vorleſen koͤnnte. Die Graͤfinn,
obgleich aus einem der aͤlteſten Geſchlechte, und unter
der Procht und den Luſtbarkeiten des Hofes erzogen,
ſchaͤtzte Verdienſt mehr als Adel, und die Schoͤnheiten
der Natur und eine in der Stille wohlverbrachte Zeit
mehr, als den glaͤnzendeſten Pomp. Dieſe Neigun-
gen der Graͤfinn von *** waren den Neigungen der
Frau von Hohenauf, ſo ſchnurgerade zuwieder, daß
zwiſchen ihnen mancher Wortwechſel daruͤber entſtan-
den war, und daß die letztere die erſtere — wie es
immer zu geſchehen pflegt, wenn ein Thor gegen einen
Klugen Unrecht hat — herzlich zu haßen anfieng, ob
ſie gleich freilich, dem Wohlſtande gemaͤß, eine Dame
von dieſem Range aͤußerlich mit den groͤßten Freund-
ſchaftsbezeugungen uͤberhaͤufte.
„Ha! ſagte die Frau von Hohenauf fuͤr dieſen
„Zieraffen wird die ſchoͤne Mariane eine wuͤrdige Ge-
„ſellſchaft ſeyn.‟ Hiezu kam, daß die Guͤter der
Graͤfinn an fuͤnf und zwanzig Meilen entlegen waren,
indem ſie zur Zeit des Geburtsfeſtes, nur um eine
Verwandtinn zu beſuchen, in dieſe Gegend gekommen
war. Die Frau von Hohenauf ſchrieb alſo an die
Graͤfinn, und ſchlug ihr Marianen zur Geſellſchaf-
terin vor, doch ohne die wahre Urſach dieſes Vor-
ſchlags im geringſten zu erwaͤhnen. Die Graͤfinn,
welche ſich Marianens Betragen gegen den armen
Pachter noch mit Vergnuͤgen erinnerte, antwortete
nach Wunſch.
Nun trat die Frau von Hohenauf in Maria-
nens Gefaͤngniß, zwang ſich zu einer Freundlichkeit,
die
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