Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.gen nahe war. Der Tod fürs Vaterland hinge- gegen hatte auf Wilhelminen eine ganz entgegenge- setzte Wirkung. Er setzte ihren ohnedis zum roman- tischen geneigten Geist in ein neues Feuer. Sie fühlte Entzückung über die Gedanken, daß auch der Unter- than einer Monarchie nicht eine blosse Maschine sey, sondern seinen eigenthümlichen Werth als Mensch habe, daß die Liebe fürs Vaterland einer Nation eine große und neue Denkungsart gebe, daß sie eine Na- tion als ein Muster für andere darstelle. Von diesen Jdeen erhitzt, sann sie nach, wie sie in dem allgemei- nen Kriege der damahls Deutschland verheerte, ein Beyspiel ihrer Liebe fürs Vaterland geben könne. Mitten unter diesen Gedanken fiel ihr gleich auf der ersten Seite folgende Stelle aufs Herz: "Sollte wohl "ein Diener der Religion sich entweihen, sollte er wohl "dadurch sein Amt vernachlässigen, wenn er, nachdem "er tausendmal gesagt hat: Thut Busse; auch ein- "mal rieffe: Sterbet freudig fürs Vaterland?" Sie beschloß, daß niemand ihrem Manne das Ver- dienst rauben sollte, dieser Aufforderung zuerst ein Genüge gethan, noch ihr das Verdienst, ihn dazu aufgemuntert zu haben. Von diesem Vorsatze voll, trat sie, welches sie sonst selten zu thun pflegte, in Sebaldus Studierstube. Sie las ihm aus der Schrift,
gen nahe war. Der Tod fuͤrs Vaterland hinge- gegen hatte auf Wilhelminen eine ganz entgegenge- ſetzte Wirkung. Er ſetzte ihren ohnedis zum roman- tiſchen geneigten Geiſt in ein neues Feuer. Sie fuͤhlte Entzuͤckung uͤber die Gedanken, daß auch der Unter- than einer Monarchie nicht eine bloſſe Maſchine ſey, ſondern ſeinen eigenthuͤmlichen Werth als Menſch habe, daß die Liebe fuͤrs Vaterland einer Nation eine große und neue Denkungsart gebe, daß ſie eine Na- tion als ein Muſter fuͤr andere darſtelle. Von dieſen Jdeen erhitzt, ſann ſie nach, wie ſie in dem allgemei- nen Kriege der damahls Deutſchland verheerte, ein Beyſpiel ihrer Liebe fuͤrs Vaterland geben koͤnne. Mitten unter dieſen Gedanken fiel ihr gleich auf der erſten Seite folgende Stelle aufs Herz: „Sollte wohl „ein Diener der Religion ſich entweihen, ſollte er wohl „dadurch ſein Amt vernachlaͤſſigen, wenn er, nachdem „er tauſendmal geſagt hat: Thut Buſſe; auch ein- „mal rieffe: Sterbet freudig fuͤrs Vaterland?‟ Sie beſchloß, daß niemand ihrem Manne das Ver- dienſt rauben ſollte, dieſer Aufforderung zuerſt ein Genuͤge gethan, noch ihr das Verdienſt, ihn dazu aufgemuntert zu haben. Von dieſem Vorſatze voll, trat ſie, welches ſie ſonſt ſelten zu thun pflegte, in Sebaldus Studierſtube. Sie las ihm aus der Schrift,
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gegen hatte auf Wilhelminen eine ganz entgegenge-
ſetzte Wirkung. Er ſetzte ihren ohnedis zum roman-
tiſchen geneigten Geiſt in ein neues Feuer. Sie fuͤhlte
Entzuͤckung uͤber die Gedanken, daß auch der Unter-
than einer Monarchie nicht eine bloſſe Maſchine ſey,
ſondern ſeinen eigenthuͤmlichen Werth als Menſch
habe, daß die Liebe fuͤrs Vaterland einer Nation eine
große und neue Denkungsart gebe, daß ſie eine Na-
tion als ein Muſter fuͤr andere darſtelle. Von dieſen
Jdeen erhitzt, ſann ſie nach, wie ſie in dem allgemei-
nen Kriege der damahls Deutſchland verheerte, ein
Beyſpiel ihrer Liebe fuͤrs Vaterland geben koͤnne.
Mitten unter dieſen Gedanken fiel ihr gleich auf der
erſten Seite folgende Stelle aufs Herz: „Sollte wohl
„ein Diener der Religion ſich entweihen, ſollte er wohl
„dadurch ſein Amt vernachlaͤſſigen, wenn er, nachdem
„er tauſendmal geſagt hat: Thut Buſſe; auch ein-
„mal rieffe: Sterbet freudig fuͤrs Vaterland?‟
Sie beſchloß, daß niemand ihrem Manne das Ver-
dienſt rauben ſollte, dieſer Aufforderung zuerſt ein
Genuͤge gethan, noch ihr das Verdienſt, ihn
dazu aufgemuntert zu haben. Von dieſem Vorſatze
voll, trat ſie, welches ſie ſonſt ſelten zu thun pflegte,
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