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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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Schrift, die ihr so sehr gefiel, die stärksten Stellen
vor. Sie beschloß mit der eben angeführten an die
Prediger gerichteten Stelle, und setzte alle Gründe,
die sie sammlen konnte zusammen, um ihn zu bewe-
gen, daß er den nächsten Sonntag seiner Gemeine
predigen sollte: Sterbet freudig für das Vater-
land.

Sie fand bey Jhrem Manne einen stärkern Wi-
derstand, als sie sich vorgestellet hatte. Sebaldus,
dessen Geist, ohne Prophezeiung nicht so leicht in En-
thusiasmus gerieth, und der durch D. Stauzius Ein-
weihungspredigt noch weniger erwärmt worden war,
hatte ihrer feurigen Deklamation hundert kalte Gründe
entgegen zu setzen, auf die sie sich nicht gefaßt gemacht
hatte. Er sagte ihr unter andern, daß ein Geistlicher,
wenn er glaubte, oft genug gerufen zu haben: Thut
Busse,
noch eine Menge Wahrheiten zu predigen
habe, die ihn alle noch nützlicher dünkten, als der
Tod für das Vaterland. "Und, setzte er hinzu,
"wo ist in unserm unter Krieg und Verheerung seuf-
"zenden Deutschlande, jezt wohl das Vaterland zu
"finden? Deutsche fechten gegen Deutsche. Das
"Contingent unsers Fürsten ist bey dem einen Heere,
"und in unserm Ländchen wirbt man für das andere.
"Zu welchem sollen wir uns schlagen? Wen sollen

"wir



Schrift, die ihr ſo ſehr gefiel, die ſtaͤrkſten Stellen
vor. Sie beſchloß mit der eben angefuͤhrten an die
Prediger gerichteten Stelle, und ſetzte alle Gruͤnde,
die ſie ſammlen konnte zuſammen, um ihn zu bewe-
gen, daß er den naͤchſten Sonntag ſeiner Gemeine
predigen ſollte: Sterbet freudig fuͤr das Vater-
land.

Sie fand bey Jhrem Manne einen ſtaͤrkern Wi-
derſtand, als ſie ſich vorgeſtellet hatte. Sebaldus,
deſſen Geiſt, ohne Prophezeiung nicht ſo leicht in En-
thuſiasmus gerieth, und der durch D. Stauzius Ein-
weihungspredigt noch weniger erwaͤrmt worden war,
hatte ihrer feurigen Deklamation hundert kalte Gruͤnde
entgegen zu ſetzen, auf die ſie ſich nicht gefaßt gemacht
hatte. Er ſagte ihr unter andern, daß ein Geiſtlicher,
wenn er glaubte, oft genug gerufen zu haben: Thut
Buſſe,
noch eine Menge Wahrheiten zu predigen
habe, die ihn alle noch nuͤtzlicher duͤnkten, als der
Tod fuͤr das Vaterland. „Und, ſetzte er hinzu,
„wo iſt in unſerm unter Krieg und Verheerung ſeuf-
„zenden Deutſchlande, jezt wohl das Vaterland zu
„finden? Deutſche fechten gegen Deutſche. Das
„Contingent unſers Fuͤrſten iſt bey dem einen Heere,
„und in unſerm Laͤndchen wirbt man fuͤr das andere.
„Zu welchem ſollen wir uns ſchlagen? Wen ſollen

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[30/0050] Schrift, die ihr ſo ſehr gefiel, die ſtaͤrkſten Stellen vor. Sie beſchloß mit der eben angefuͤhrten an die Prediger gerichteten Stelle, und ſetzte alle Gruͤnde, die ſie ſammlen konnte zuſammen, um ihn zu bewe- gen, daß er den naͤchſten Sonntag ſeiner Gemeine predigen ſollte: Sterbet freudig fuͤr das Vater- land. Sie fand bey Jhrem Manne einen ſtaͤrkern Wi- derſtand, als ſie ſich vorgeſtellet hatte. Sebaldus, deſſen Geiſt, ohne Prophezeiung nicht ſo leicht in En- thuſiasmus gerieth, und der durch D. Stauzius Ein- weihungspredigt noch weniger erwaͤrmt worden war, hatte ihrer feurigen Deklamation hundert kalte Gruͤnde entgegen zu ſetzen, auf die ſie ſich nicht gefaßt gemacht hatte. Er ſagte ihr unter andern, daß ein Geiſtlicher, wenn er glaubte, oft genug gerufen zu haben: Thut Buſſe, noch eine Menge Wahrheiten zu predigen habe, die ihn alle noch nuͤtzlicher duͤnkten, als der Tod fuͤr das Vaterland. „Und, ſetzte er hinzu, „wo iſt in unſerm unter Krieg und Verheerung ſeuf- „zenden Deutſchlande, jezt wohl das Vaterland zu „finden? Deutſche fechten gegen Deutſche. Das „Contingent unſers Fuͤrſten iſt bey dem einen Heere, „und in unſerm Laͤndchen wirbt man fuͤr das andere. „Zu welchem ſollen wir uns ſchlagen? Wen ſollen „wir

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/50>, abgerufen am 21.11.2024.