Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.förmigkeit in der Lehre, wie ein Hauptmann bey einer wohleingerichteten Compagnie Soldaten, bey der jeder Rock so lang als der andere, jeder Zopf so dick als der andere, jede Stiefelette so lang aufgeknüpft ist als die andere, und die sich nie nach ihrem eigenen Willen, sondern blos nach dem Wink ihrer Obern beweget. So bald ein Prediger nur den geringsten Geruch von Ketzerey an sich spüren ließ, ward er abgeschaft. Dadurch ward das Ländgen wirklich so rein gehalten, daß Sebaldus der einzige war, der auf der schwar- zen Liste stand. Schon als D. Stauzius noch Dorf- pfarrer war, hatte er sich mit Sebaldus oft über die Ewigkeit der Höllenstrafen gestritten, die er mit großem Eifer behauptete, und von der Sebaldus, wie wir dem Leser schon haben merken lassen, Begriffe hatte, die zwar ganz menschenfreundlich, aber gar nicht orthodox waren. Seitdem D. Stauzius Su- perintendent worden war, hatte er die Lehre von der Ewigkeit der Höllenstrafen noch nothwendiger gefun- den. Er merkte beim Antritt seines Amts bald, daß er bey den Kammerjunkern und den fürstlichen Räthen, mit dem florentischen Wetterglase, aus welchem er vormahls seinen Bauern Wind und Wetter vorher- sagte,*) nicht viel ausrichten konnte. Er legte sich also *) S. Wilhelmine S. 105. C 3
foͤrmigkeit in der Lehre, wie ein Hauptmann bey einer wohleingerichteten Compagnie Soldaten, bey der jeder Rock ſo lang als der andere, jeder Zopf ſo dick als der andere, jede Stiefelette ſo lang aufgeknuͤpft iſt als die andere, und die ſich nie nach ihrem eigenen Willen, ſondern blos nach dem Wink ihrer Obern beweget. So bald ein Prediger nur den geringſten Geruch von Ketzerey an ſich ſpuͤren ließ, ward er abgeſchaft. Dadurch ward das Laͤndgen wirklich ſo rein gehalten, daß Sebaldus der einzige war, der auf der ſchwar- zen Liſte ſtand. Schon als D. Stauzius noch Dorf- pfarrer war, hatte er ſich mit Sebaldus oft uͤber die Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen geſtritten, die er mit großem Eifer behauptete, und von der Sebaldus, wie wir dem Leſer ſchon haben merken laſſen, Begriffe hatte, die zwar ganz menſchenfreundlich, aber gar nicht orthodox waren. Seitdem D. Stauzius Su- perintendent worden war, hatte er die Lehre von der Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen noch nothwendiger gefun- den. Er merkte beim Antritt ſeines Amts bald, daß er bey den Kammerjunkern und den fuͤrſtlichen Raͤthen, mit dem florentiſchen Wetterglaſe, aus welchem er vormahls ſeinen Bauern Wind und Wetter vorher- ſagte,*) nicht viel ausrichten konnte. Er legte ſich alſo *) S. Wilhelmine S. 105. C 3
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wohleingerichteten Compagnie Soldaten, bey der jeder
Rock ſo lang als der andere, jeder Zopf ſo dick als der
andere, jede Stiefelette ſo lang aufgeknuͤpft iſt als die
andere, und die ſich nie nach ihrem eigenen Willen,
ſondern blos nach dem Wink ihrer Obern beweget.
So bald ein Prediger nur den geringſten Geruch von
Ketzerey an ſich ſpuͤren ließ, ward er abgeſchaft.
Dadurch ward das Laͤndgen wirklich ſo rein gehalten,
daß Sebaldus der einzige war, der auf der ſchwar-
zen Liſte ſtand. Schon als D. Stauzius noch Dorf-
pfarrer war, hatte er ſich mit Sebaldus oft uͤber
die Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen geſtritten, die er mit
großem Eifer behauptete, und von der Sebaldus,
wie wir dem Leſer ſchon haben merken laſſen, Begriffe
hatte, die zwar ganz menſchenfreundlich, aber gar
nicht orthodox waren. Seitdem D. Stauzius Su-
perintendent worden war, hatte er die Lehre von der
Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen noch nothwendiger gefun-
den. Er merkte beim Antritt ſeines Amts bald, daß
er bey den Kammerjunkern und den fuͤrſtlichen Raͤthen,
mit dem florentiſchen Wetterglaſe, aus welchem er
vormahls ſeinen Bauern Wind und Wetter vorher-
ſagte, *) nicht viel ausrichten konnte. Er legte ſich
alſo
*) S. Wilhelmine S. 105.
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