Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite



er hineinbeschieden, um die Sentenz anzuhören, wel-
che, nach dem gewöhnlichen Eingange, folgenderma-
ßen lautete: "daß Beklagter wegen irriger Lehre und
"Abweichung von den so theuer beschwornen symboli-
"schen Büchern, wobey er aller liebreichen Ermah-
"nungen ohnerachtet verharret, seines Predigt- und
"Lehramts zu entsetzen, und er bedeutet werde, sich alles
"fernern Lehrens, Predigens und sonstiger Actuum mi-
"nisterialium
gänzlich zu enthalten, so lieb als ihm die
"Vermeidung fürstl. Ungnade, und zweyjähriger Zucht-
"hausstrafe sey. V. R. W." Es fand keine Appella-
tion statt. Es ward dem guten Sebaldus von dem
Consistorialbothen unverzüglich Kragen und Mantel
abgenommen, zugleich ward er ernstlich bedeutet,
die Pfarrwohnung zu räumen, indem die Pfarre
bereits vergeben sey, und darauf ward er mit einer
väterlichen Ermahnung in Frieden entlassen. Das
Consistorium aber blieb noch versammlet, um den
Präsidenten, ein lateinisches Chronodistichon, auf die-
sen merkwürdigen zur Festhaltung der reinen orthodo-
ren Lehre abzweckenden Actum, verlesen zu hören, das
er in den vierzehn Tagen seit der letzten Seßion zu
Stande gebracht hatte.

Sebaldus war, als er auf die Straße kam, von
dem, was vorgegangen war, so betäubt, daß er

alle



er hineinbeſchieden, um die Sentenz anzuhoͤren, wel-
che, nach dem gewoͤhnlichen Eingange, folgenderma-
ßen lautete: „daß Beklagter wegen irriger Lehre und
„Abweichung von den ſo theuer beſchwornen ſymboli-
„ſchen Buͤchern, wobey er aller liebreichen Ermah-
„nungen ohnerachtet verharret, ſeines Predigt- und
„Lehramts zu entſetzen, und er bedeutet werde, ſich alles
„fernern Lehrens, Predigens und ſonſtiger Actuum mi-
„niſterialium
gaͤnzlich zu enthalten, ſo lieb als ihm die
„Vermeidung fuͤrſtl. Ungnade, und zweyjaͤhriger Zucht-
„hausſtrafe ſey. V. R. W.‟ Es fand keine Appella-
tion ſtatt. Es ward dem guten Sebaldus von dem
Conſiſtorialbothen unverzuͤglich Kragen und Mantel
abgenommen, zugleich ward er ernſtlich bedeutet,
die Pfarrwohnung zu raͤumen, indem die Pfarre
bereits vergeben ſey, und darauf ward er mit einer
vaͤterlichen Ermahnung in Frieden entlaſſen. Das
Conſiſtorium aber blieb noch verſammlet, um den
Praͤſidenten, ein lateiniſches Chronodiſtichon, auf die-
ſen merkwuͤrdigen zur Feſthaltung der reinen orthodo-
ren Lehre abzweckenden Actum, verleſen zu hoͤren, das
er in den vierzehn Tagen ſeit der letzten Seßion zu
Stande gebracht hatte.

Sebaldus war, als er auf die Straße kam, von
dem, was vorgegangen war, ſo betaͤubt, daß er

alle
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="42"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
er hineinbe&#x017F;chieden, um die Sentenz anzuho&#x0364;ren, wel-<lb/>
che, nach dem gewo&#x0364;hnlichen Eingange, folgenderma-<lb/>
ßen lautete: &#x201E;daß Beklagter wegen irriger Lehre und<lb/>
&#x201E;Abweichung von den &#x017F;o theuer be&#x017F;chwornen &#x017F;ymboli-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chen Bu&#x0364;chern, wobey er aller liebreichen Ermah-<lb/>
&#x201E;nungen ohnerachtet verharret, &#x017F;eines Predigt- und<lb/>
&#x201E;Lehramts zu ent&#x017F;etzen, und er bedeutet werde, &#x017F;ich alles<lb/>
&#x201E;fernern Lehrens, Predigens und &#x017F;on&#x017F;tiger <hi rendition="#aq">Actuum mi-<lb/>
&#x201E;ni&#x017F;terialium</hi> ga&#x0364;nzlich zu enthalten, &#x017F;o lieb als ihm die<lb/>
&#x201E;Vermeidung fu&#x0364;r&#x017F;tl. Ungnade, und zweyja&#x0364;hriger Zucht-<lb/>
&#x201E;haus&#x017F;trafe &#x017F;ey. V. R. W.&#x201F; Es fand keine Appella-<lb/>
tion &#x017F;tatt. Es ward dem guten <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> von dem<lb/>
Con&#x017F;i&#x017F;torialbothen unverzu&#x0364;glich Kragen und Mantel<lb/>
abgenommen, zugleich ward er ern&#x017F;tlich bedeutet,<lb/>
die Pfarrwohnung zu ra&#x0364;umen, indem die Pfarre<lb/>
bereits vergeben &#x017F;ey, und darauf ward er mit einer<lb/>
va&#x0364;terlichen Ermahnung in Frieden entla&#x017F;&#x017F;en. Das<lb/>
Con&#x017F;i&#x017F;torium aber blieb noch ver&#x017F;ammlet, um den<lb/>
Pra&#x0364;&#x017F;identen, ein lateini&#x017F;ches Chronodi&#x017F;tichon, auf die-<lb/>
&#x017F;en merkwu&#x0364;rdigen zur Fe&#x017F;thaltung der reinen orthodo-<lb/>
ren Lehre abzweckenden <hi rendition="#aq">Actum,</hi> verle&#x017F;en zu ho&#x0364;ren, das<lb/>
er in den vierzehn Tagen &#x017F;eit der letzten Seßion zu<lb/>
Stande gebracht hatte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> war, als er auf die Straße kam, von<lb/>
dem, was vorgegangen war, &#x017F;o beta&#x0364;ubt, daß er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">alle</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0062] er hineinbeſchieden, um die Sentenz anzuhoͤren, wel- che, nach dem gewoͤhnlichen Eingange, folgenderma- ßen lautete: „daß Beklagter wegen irriger Lehre und „Abweichung von den ſo theuer beſchwornen ſymboli- „ſchen Buͤchern, wobey er aller liebreichen Ermah- „nungen ohnerachtet verharret, ſeines Predigt- und „Lehramts zu entſetzen, und er bedeutet werde, ſich alles „fernern Lehrens, Predigens und ſonſtiger Actuum mi- „niſterialium gaͤnzlich zu enthalten, ſo lieb als ihm die „Vermeidung fuͤrſtl. Ungnade, und zweyjaͤhriger Zucht- „hausſtrafe ſey. V. R. W.‟ Es fand keine Appella- tion ſtatt. Es ward dem guten Sebaldus von dem Conſiſtorialbothen unverzuͤglich Kragen und Mantel abgenommen, zugleich ward er ernſtlich bedeutet, die Pfarrwohnung zu raͤumen, indem die Pfarre bereits vergeben ſey, und darauf ward er mit einer vaͤterlichen Ermahnung in Frieden entlaſſen. Das Conſiſtorium aber blieb noch verſammlet, um den Praͤſidenten, ein lateiniſches Chronodiſtichon, auf die- ſen merkwuͤrdigen zur Feſthaltung der reinen orthodo- ren Lehre abzweckenden Actum, verleſen zu hoͤren, das er in den vierzehn Tagen ſeit der letzten Seßion zu Stande gebracht hatte. Sebaldus war, als er auf die Straße kam, von dem, was vorgegangen war, ſo betaͤubt, daß er alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/62
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/62>, abgerufen am 14.05.2024.