Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.er hineinbeschieden, um die Sentenz anzuhören, wel- che, nach dem gewöhnlichen Eingange, folgenderma- ßen lautete: "daß Beklagter wegen irriger Lehre und "Abweichung von den so theuer beschwornen symboli- "schen Büchern, wobey er aller liebreichen Ermah- "nungen ohnerachtet verharret, seines Predigt- und "Lehramts zu entsetzen, und er bedeutet werde, sich alles "fernern Lehrens, Predigens und sonstiger Actuum mi- "nisterialium gänzlich zu enthalten, so lieb als ihm die "Vermeidung fürstl. Ungnade, und zweyjähriger Zucht- "hausstrafe sey. V. R. W." Es fand keine Appella- tion statt. Es ward dem guten Sebaldus von dem Consistorialbothen unverzüglich Kragen und Mantel abgenommen, zugleich ward er ernstlich bedeutet, die Pfarrwohnung zu räumen, indem die Pfarre bereits vergeben sey, und darauf ward er mit einer väterlichen Ermahnung in Frieden entlassen. Das Consistorium aber blieb noch versammlet, um den Präsidenten, ein lateinisches Chronodistichon, auf die- sen merkwürdigen zur Festhaltung der reinen orthodo- ren Lehre abzweckenden Actum, verlesen zu hören, das er in den vierzehn Tagen seit der letzten Seßion zu Stande gebracht hatte. Sebaldus war, als er auf die Straße kam, von alle
er hineinbeſchieden, um die Sentenz anzuhoͤren, wel- che, nach dem gewoͤhnlichen Eingange, folgenderma- ßen lautete: „daß Beklagter wegen irriger Lehre und „Abweichung von den ſo theuer beſchwornen ſymboli- „ſchen Buͤchern, wobey er aller liebreichen Ermah- „nungen ohnerachtet verharret, ſeines Predigt- und „Lehramts zu entſetzen, und er bedeutet werde, ſich alles „fernern Lehrens, Predigens und ſonſtiger Actuum mi- „niſterialium gaͤnzlich zu enthalten, ſo lieb als ihm die „Vermeidung fuͤrſtl. Ungnade, und zweyjaͤhriger Zucht- „hausſtrafe ſey. V. R. W.‟ Es fand keine Appella- tion ſtatt. Es ward dem guten Sebaldus von dem Conſiſtorialbothen unverzuͤglich Kragen und Mantel abgenommen, zugleich ward er ernſtlich bedeutet, die Pfarrwohnung zu raͤumen, indem die Pfarre bereits vergeben ſey, und darauf ward er mit einer vaͤterlichen Ermahnung in Frieden entlaſſen. Das Conſiſtorium aber blieb noch verſammlet, um den Praͤſidenten, ein lateiniſches Chronodiſtichon, auf die- ſen merkwuͤrdigen zur Feſthaltung der reinen orthodo- ren Lehre abzweckenden Actum, verleſen zu hoͤren, das er in den vierzehn Tagen ſeit der letzten Seßion zu Stande gebracht hatte. Sebaldus war, als er auf die Straße kam, von alle
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ßen lautete: „daß Beklagter wegen irriger Lehre und
„Abweichung von den ſo theuer beſchwornen ſymboli-
„ſchen Buͤchern, wobey er aller liebreichen Ermah-
„nungen ohnerachtet verharret, ſeines Predigt- und
„Lehramts zu entſetzen, und er bedeutet werde, ſich alles
„fernern Lehrens, Predigens und ſonſtiger Actuum mi-
„niſterialium gaͤnzlich zu enthalten, ſo lieb als ihm die
„Vermeidung fuͤrſtl. Ungnade, und zweyjaͤhriger Zucht-
„hausſtrafe ſey. V. R. W.‟ Es fand keine Appella-
tion ſtatt. Es ward dem guten Sebaldus von dem
Conſiſtorialbothen unverzuͤglich Kragen und Mantel
abgenommen, zugleich ward er ernſtlich bedeutet,
die Pfarrwohnung zu raͤumen, indem die Pfarre
bereits vergeben ſey, und darauf ward er mit einer
vaͤterlichen Ermahnung in Frieden entlaſſen. Das
Conſiſtorium aber blieb noch verſammlet, um den
Praͤſidenten, ein lateiniſches Chronodiſtichon, auf die-
ſen merkwuͤrdigen zur Feſthaltung der reinen orthodo-
ren Lehre abzweckenden Actum, verleſen zu hoͤren, das
er in den vierzehn Tagen ſeit der letzten Seßion zu
Stande gebracht hatte.
Sebaldus war, als er auf die Straße kam, von
dem, was vorgegangen war, ſo betaͤubt, daß er
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Zitationshilfe: | Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/62>, abgerufen am 16.02.2025. |