Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.alle Besonnenheit verlohr. Seine Füsse trugen ihn mechanischer Weise gerade nach Hanse. Wilhelmine hatte sich, aus zureichenden Gründen, von dem Aus- gange des Processes die beste Hofnung gemacht. Sie hatte daher, in der von ihr selbst gepflanzten Laube, neben dem Pfarrhause, eine ländliche Abendmahlzeit zugerichtet. Als sie damit fertig war, gieng sie ihrem Manne, mit ihren beiden Töchtern, entgegen. Er kam endlich. Als er noch einige Schritte von ihr war, sahe sie schon in seinen wilden starr auf sie gerichteten Augen, einen Theil des über sie schwebenden Unfalls. Er kam näher, und sagte ihr in wenig Worten, wie groß ihr Unglück sey. Wilhelmine ward blaß, die Knie zitterten ihr, sie fiel in ihrer Tochter Arme, und die kleine Charlotte warf sich auf ihre Mutter und weinete. Wilhelmine ward erst nach geraumer Zeit ihrer Sinne wieder mächtig, und in großer Schwach- heit nach Hause gebracht. Alle die Vergnügungen, die sich diese kleine Familie, bey dem Abendmahl in der Laube, nach der Zurückkunft ihres Vaters ver- sprochen hatte, waren dahin. Wilhelmine war von dem heftigen Schrecken so sehr beweget worden, daß sie in wenig Stunden in einem starken Fieber lag. Mariane, ob sie gleich ihr Herzeleid verbarg, konte doch, indem sie ihrer Mutter Handreichung leistete, ihre
alle Beſonnenheit verlohr. Seine Fuͤſſe trugen ihn mechaniſcher Weiſe gerade nach Hanſe. Wilhelmine hatte ſich, aus zureichenden Gruͤnden, von dem Aus- gange des Proceſſes die beſte Hofnung gemacht. Sie hatte daher, in der von ihr ſelbſt gepflanzten Laube, neben dem Pfarrhauſe, eine laͤndliche Abendmahlzeit zugerichtet. Als ſie damit fertig war, gieng ſie ihrem Manne, mit ihren beiden Toͤchtern, entgegen. Er kam endlich. Als er noch einige Schritte von ihr war, ſahe ſie ſchon in ſeinen wilden ſtarr auf ſie gerichteten Augen, einen Theil des uͤber ſie ſchwebenden Unfalls. Er kam naͤher, und ſagte ihr in wenig Worten, wie groß ihr Ungluͤck ſey. Wilhelmine ward blaß, die Knie zitterten ihr, ſie fiel in ihrer Tochter Arme, und die kleine Charlotte warf ſich auf ihre Mutter und weinete. Wilhelmine ward erſt nach geraumer Zeit ihrer Sinne wieder maͤchtig, und in großer Schwach- heit nach Hauſe gebracht. Alle die Vergnuͤgungen, die ſich dieſe kleine Familie, bey dem Abendmahl in der Laube, nach der Zuruͤckkunft ihres Vaters ver- ſprochen hatte, waren dahin. Wilhelmine war von dem heftigen Schrecken ſo ſehr beweget worden, daß ſie in wenig Stunden in einem ſtarken Fieber lag. Mariane, ob ſie gleich ihr Herzeleid verbarg, konte doch, indem ſie ihrer Mutter Handreichung leiſtete, ihre
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mechaniſcher Weiſe gerade nach Hanſe. Wilhelmine
hatte ſich, aus zureichenden Gruͤnden, von dem Aus-
gange des Proceſſes die beſte Hofnung gemacht. Sie
hatte daher, in der von ihr ſelbſt gepflanzten Laube,
neben dem Pfarrhauſe, eine laͤndliche Abendmahlzeit
zugerichtet. Als ſie damit fertig war, gieng ſie ihrem
Manne, mit ihren beiden Toͤchtern, entgegen. Er
kam endlich. Als er noch einige Schritte von ihr war,
ſahe ſie ſchon in ſeinen wilden ſtarr auf ſie gerichteten
Augen, einen Theil des uͤber ſie ſchwebenden Unfalls.
Er kam naͤher, und ſagte ihr in wenig Worten, wie
groß ihr Ungluͤck ſey. Wilhelmine ward blaß, die
Knie zitterten ihr, ſie fiel in ihrer Tochter Arme, und
die kleine Charlotte warf ſich auf ihre Mutter und
weinete. Wilhelmine ward erſt nach geraumer Zeit
ihrer Sinne wieder maͤchtig, und in großer Schwach-
heit nach Hauſe gebracht. Alle die Vergnuͤgungen,
die ſich dieſe kleine Familie, bey dem Abendmahl
in der Laube, nach der Zuruͤckkunft ihres Vaters ver-
ſprochen hatte, waren dahin. Wilhelmine war von
dem heftigen Schrecken ſo ſehr beweget worden, daß
ſie in wenig Stunden in einem ſtarken Fieber lag.
Mariane, ob ſie gleich ihr Herzeleid verbarg, konte
doch, indem ſie ihrer Mutter Handreichung leiſtete,
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