Es war heller Sonnenschein, da dis geschah, hin- gegen war es freilich Tuffelius Schuld nicht, daß eine Viertelstunde darauf ein starker Regen fiel. Wilhelmine mit ihren Kindern suchte sich unter einen am Hause gelegenen Schuppen vorm Regen zu verwahren. Alle Bauern waren zusammengelaufen. Sie hätten bey einer andern Gelegenheit ihrem Pfar- rer freilich nachdrücklich Hülfe geleistet. Aber der An- blick der fürstlichen Uniform und des blanken Palla- sches des Unterofficiers, erinnerte sie ihrer treugehor- samsten Pflicht. Einer kratzte sich den Kopf, der an- dere schüttelte den Kopf, und so gieng einer nach dem andern weg, bis sie der Regen vollends zerstreute.
Nur ein Bauer, den Sebaldus bey einem gewis- sen Vergehen, wegen dessen er ihn hätte zur Kirchen- buße zwingen können, mit einer bloßen liebreichen Ermahnung bestraft hatte, ließ sich das Elend zu Her- zen gehen. Er führte Wilhelminen mit ihren Kin- dern in sein Haus, und holte mit seinem Knechte ihre Sachen nach, die er bis auf weitere Anordnung we- nigstens vor dem Regen sicher stellte.
Sebaldus war unterdessen in der Stadt ange- kommen. Sein erster Gang war zum Hofmarschall, bey dem er sich melden ließ, und auch nach einem halb- stündigen Warten vorgelaßen ward. Der Hofmar-
schall
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Es war heller Sonnenſchein, da dis geſchah, hin- gegen war es freilich Tuffelius Schuld nicht, daß eine Viertelſtunde darauf ein ſtarker Regen fiel. Wilhelmine mit ihren Kindern ſuchte ſich unter einen am Hauſe gelegenen Schuppen vorm Regen zu verwahren. Alle Bauern waren zuſammengelaufen. Sie haͤtten bey einer andern Gelegenheit ihrem Pfar- rer freilich nachdruͤcklich Huͤlfe geleiſtet. Aber der An- blick der fuͤrſtlichen Uniform und des blanken Palla- ſches des Unterofficiers, erinnerte ſie ihrer treugehor- ſamſten Pflicht. Einer kratzte ſich den Kopf, der an- dere ſchuͤttelte den Kopf, und ſo gieng einer nach dem andern weg, bis ſie der Regen vollends zerſtreute.
Nur ein Bauer, den Sebaldus bey einem gewiſ- ſen Vergehen, wegen deſſen er ihn haͤtte zur Kirchen- buße zwingen koͤnnen, mit einer bloßen liebreichen Ermahnung beſtraft hatte, ließ ſich das Elend zu Her- zen gehen. Er fuͤhrte Wilhelminen mit ihren Kin- dern in ſein Haus, und holte mit ſeinem Knechte ihre Sachen nach, die er bis auf weitere Anordnung we- nigſtens vor dem Regen ſicher ſtellte.
Sebaldus war unterdeſſen in der Stadt ange- kommen. Sein erſter Gang war zum Hofmarſchall, bey dem er ſich melden ließ, und auch nach einem halb- ſtuͤndigen Warten vorgelaßen ward. Der Hofmar-
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Es war heller Sonnenſchein, da dis geſchah, hin-
gegen war es freilich Tuffelius Schuld nicht, daß
eine Viertelſtunde darauf ein ſtarker Regen fiel.
Wilhelmine mit ihren Kindern ſuchte ſich unter
einen am Hauſe gelegenen Schuppen vorm Regen zu
verwahren. Alle Bauern waren zuſammengelaufen.
Sie haͤtten bey einer andern Gelegenheit ihrem Pfar-
rer freilich nachdruͤcklich Huͤlfe geleiſtet. Aber der An-
blick der fuͤrſtlichen Uniform und des blanken Palla-
ſches des Unterofficiers, erinnerte ſie ihrer treugehor-
ſamſten Pflicht. Einer kratzte ſich den Kopf, der an-
dere ſchuͤttelte den Kopf, und ſo gieng einer nach dem
andern weg, bis ſie der Regen vollends zerſtreute.
Nur ein Bauer, den Sebaldus bey einem gewiſ-
ſen Vergehen, wegen deſſen er ihn haͤtte zur Kirchen-
buße zwingen koͤnnen, mit einer bloßen liebreichen
Ermahnung beſtraft hatte, ließ ſich das Elend zu Her-
zen gehen. Er fuͤhrte Wilhelminen mit ihren Kin-
dern in ſein Haus, und holte mit ſeinem Knechte ihre
Sachen nach, die er bis auf weitere Anordnung we-
nigſtens vor dem Regen ſicher ſtellte.
Sebaldus war unterdeſſen in der Stadt ange-
kommen. Sein erſter Gang war zum Hofmarſchall,
bey dem er ſich melden ließ, und auch nach einem halb-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/73>, abgerufen am 16.02.2025.
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