Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.schall war nicht mehr eben derselbe, der er vor einigen zwanzig Jahren gewesen war, als er Wilhelminen dem Pastor zuführete. Er hatte sich unterdessen mit der schönen Clarisse vermählet. Dis war ein eitles, verschwenderisches, cokettes Ding, bey der er wenig vergnügte Stunden hatte. Sie verschwendete seine Güter, putzte sich den halben Tag, und brachte die an- dere Hälfte mit ihren Liebhabern zu, die sie alle vier Wochen abwechselte. Jhren Gemahl bekam sie nicht zu sehen, als wenn sie Geld zur Bezahlung ihrer Spielschulden von ihm zu fordern, oder sonst mit ihm zu zanken hatte, und endlich nach einem zehnjährigen Ehestande starb sie im Wochenbette, woran, wie da- malige Hofnachrichten bezeugen, der Hofmarschall gar nicht schuld zu seyn glaubte. Er auf seiner Seite hatte mehr als fünf und zwanzig Jahre lang, wie es einem treugehorsamsten Hofmarschall gebühret, allen Hof- festen Ehre gemacht, und zur Ehre des Fürsten dessen Wein nie gesparet, sondern hatte alle durchreisende hoch- adeliche, freyherrliche und gräfliche Layen, redlich unter den Tisch getrunken, hingegen war er auch freilich von manchen geistlichen Herren, als Aebten, Domherren, Mönchen, Capitularen, deutschen Rittern und Malthe- serrittern, wieder redlich unter dem Tisch getrunken worden. Er hatte auf diese Art in den Diensten der gnädig-
ſchall war nicht mehr eben derſelbe, der er vor einigen zwanzig Jahren geweſen war, als er Wilhelminen dem Paſtor zufuͤhrete. Er hatte ſich unterdeſſen mit der ſchoͤnen Clariſſe vermaͤhlet. Dis war ein eitles, verſchwenderiſches, cokettes Ding, bey der er wenig vergnuͤgte Stunden hatte. Sie verſchwendete ſeine Guͤter, putzte ſich den halben Tag, und brachte die an- dere Haͤlfte mit ihren Liebhabern zu, die ſie alle vier Wochen abwechſelte. Jhren Gemahl bekam ſie nicht zu ſehen, als wenn ſie Geld zur Bezahlung ihrer Spielſchulden von ihm zu fordern, oder ſonſt mit ihm zu zanken hatte, und endlich nach einem zehnjaͤhrigen Eheſtande ſtarb ſie im Wochenbette, woran, wie da- malige Hofnachrichten bezeugen, der Hofmarſchall gar nicht ſchuld zu ſeyn glaubte. Er auf ſeiner Seite hatte mehr als fuͤnf und zwanzig Jahre lang, wie es einem treugehorſamſten Hofmarſchall gebuͤhret, allen Hof- feſten Ehre gemacht, und zur Ehre des Fuͤrſten deſſen Wein nie geſparet, ſondern hatte alle durchreiſende hoch- adeliche, freyherrliche und graͤfliche Layen, redlich unter den Tiſch getrunken, hingegen war er auch freilich von manchen geiſtlichen Herren, als Aebten, Domherren, Moͤnchen, Capitularen, deutſchen Rittern und Malthe- ſerrittern, wieder redlich unter dem Tiſch getrunken worden. Er hatte auf dieſe Art in den Dienſten der gnaͤdig-
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zwanzig Jahren geweſen war, als er Wilhelminen
dem Paſtor zufuͤhrete. Er hatte ſich unterdeſſen mit
der ſchoͤnen Clariſſe vermaͤhlet. Dis war ein eitles,
verſchwenderiſches, cokettes Ding, bey der er wenig
vergnuͤgte Stunden hatte. Sie verſchwendete ſeine
Guͤter, putzte ſich den halben Tag, und brachte die an-
dere Haͤlfte mit ihren Liebhabern zu, die ſie alle vier
Wochen abwechſelte. Jhren Gemahl bekam ſie nicht
zu ſehen, als wenn ſie Geld zur Bezahlung ihrer
Spielſchulden von ihm zu fordern, oder ſonſt mit ihm
zu zanken hatte, und endlich nach einem zehnjaͤhrigen
Eheſtande ſtarb ſie im Wochenbette, woran, wie da-
malige Hofnachrichten bezeugen, der Hofmarſchall gar
nicht ſchuld zu ſeyn glaubte. Er auf ſeiner Seite hatte
mehr als fuͤnf und zwanzig Jahre lang, wie es einem
treugehorſamſten Hofmarſchall gebuͤhret, allen Hof-
feſten Ehre gemacht, und zur Ehre des Fuͤrſten deſſen
Wein nie geſparet, ſondern hatte alle durchreiſende hoch-
adeliche, freyherrliche und graͤfliche Layen, redlich unter
den Tiſch getrunken, hingegen war er auch freilich von
manchen geiſtlichen Herren, als Aebten, Domherren,
Moͤnchen, Capitularen, deutſchen Rittern und Malthe-
ſerrittern, wieder redlich unter dem Tiſch getrunken
worden. Er hatte auf dieſe Art in den Dienſten der
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