Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.Bücklingen dem hochgräflichen Lager, und stamlete etwas einem Complimente ähnliches, welches der Graf, in eine Frage nach seinem Befinden verdol- metschte, und nach verschiedentlichem Räuspern ant- wortete: "Nicht recht wohl mein lieber Herr Pastor, "mein böser Morgenhusten quälet mich alle Tage "mehr! Jch kaun nichts mehr eßen. Gestern habe "ichs nur einmal gewagt, eine Auerhahnpastete zu "kosten, die liegt mir heute noch im Magen. Jch "bin gar zu schwach. Selbst die astrakanschen Melo- "nen wollen mir nicht bekommen, die Ananas ma- "chen mir Blähungen. Jch habe mir heute blos ein "einziges Ragout fin bestellt, ich muß heute fasten, "um meinen Magen wieder herzustellen. Aber ists "nicht elend, mein lieber Herr Pastor, wenn man "nicht eßen kann." Sebaldus antwortete mit ei- nem tiefen Seufzer: "Ja wohl, Ew. Hochgräfl. "Gnaden, beinahe eben so schlimm, als wenn man "nichts zu eßen hat, ich befürchte beinahe, daß ich in "diesem Fall--" der Graf fiel ihm ins Wort: "Sie "haben Recht, lieber Herr Pastor, bald wird man "auch gar nichts zu eßen haben, der leidige Krieg ver- "derbt alles. Jch habe vorigen Winter recht elend "zugebracht. Die Austern kamen sehr unrichtig an. "Den ganzen Winter über habe ich aus Preußen kein "Birk-
Buͤcklingen dem hochgraͤflichen Lager, und ſtamlete etwas einem Complimente aͤhnliches, welches der Graf, in eine Frage nach ſeinem Befinden verdol- metſchte, und nach verſchiedentlichem Raͤuſpern ant- wortete: „Nicht recht wohl mein lieber Herr Paſtor, „mein boͤſer Morgenhuſten quaͤlet mich alle Tage „mehr! Jch kaun nichts mehr eßen. Geſtern habe „ichs nur einmal gewagt, eine Auerhahnpaſtete zu „koſten, die liegt mir heute noch im Magen. Jch „bin gar zu ſchwach. Selbſt die aſtrakanſchen Melo- „nen wollen mir nicht bekommen, die Ananas ma- „chen mir Blaͤhungen. Jch habe mir heute blos ein „einziges Ragout fin beſtellt, ich muß heute faſten, „um meinen Magen wieder herzuſtellen. Aber iſts „nicht elend, mein lieber Herr Paſtor, wenn man „nicht eßen kann.‟ Sebaldus antwortete mit ei- nem tiefen Seufzer: „Ja wohl, Ew. Hochgraͤfl. „Gnaden, beinahe eben ſo ſchlimm, als wenn man „nichts zu eßen hat, ich befuͤrchte beinahe, daß ich in „dieſem Fall—‟ der Graf fiel ihm ins Wort: „Sie „haben Recht, lieber Herr Paſtor, bald wird man „auch gar nichts zu eßen haben, der leidige Krieg ver- „derbt alles. Jch habe vorigen Winter recht elend „zugebracht. Die Auſtern kamen ſehr unrichtig an. „Den ganzen Winter uͤber habe ich aus Preußen kein „Birk-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0078" n="56"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Buͤcklingen dem hochgraͤflichen Lager, und ſtamlete<lb/> etwas einem Complimente aͤhnliches, welches der<lb/> Graf, in eine Frage nach ſeinem Befinden verdol-<lb/> metſchte, und nach verſchiedentlichem Raͤuſpern ant-<lb/> wortete: „Nicht recht wohl mein lieber Herr Paſtor,<lb/> „mein boͤſer Morgenhuſten quaͤlet mich alle Tage<lb/> „mehr! Jch kaun nichts mehr eßen. Geſtern habe<lb/> „ichs nur einmal gewagt, eine Auerhahnpaſtete zu<lb/> „koſten, die liegt mir heute noch im Magen. Jch<lb/> „bin gar zu ſchwach. Selbſt die aſtrakanſchen Melo-<lb/> „nen wollen mir nicht bekommen, die Ananas ma-<lb/> „chen mir Blaͤhungen. Jch habe mir heute blos ein<lb/> „einziges <hi rendition="#fr">Ragout fin</hi> beſtellt, ich muß heute faſten,<lb/> „um meinen Magen wieder herzuſtellen. Aber iſts<lb/> „nicht elend, mein lieber Herr Paſtor, wenn man<lb/> „nicht eßen kann.‟ <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> antwortete mit ei-<lb/> nem tiefen Seufzer: „Ja wohl, Ew. Hochgraͤfl.<lb/> „Gnaden, beinahe eben ſo ſchlimm, als wenn man<lb/> „nichts zu eßen hat, ich befuͤrchte beinahe, daß ich in<lb/> „dieſem Fall—‟ der Graf fiel ihm ins Wort: „Sie<lb/> „haben Recht, lieber Herr Paſtor, bald wird man<lb/> „auch gar nichts zu eßen haben, der leidige Krieg ver-<lb/> „derbt alles. Jch habe vorigen Winter recht elend<lb/> „zugebracht. Die Auſtern kamen ſehr unrichtig an.<lb/> „Den ganzen Winter uͤber habe ich aus Preußen kein<lb/> <fw place="bottom" type="catch">„Birk-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0078]
Buͤcklingen dem hochgraͤflichen Lager, und ſtamlete
etwas einem Complimente aͤhnliches, welches der
Graf, in eine Frage nach ſeinem Befinden verdol-
metſchte, und nach verſchiedentlichem Raͤuſpern ant-
wortete: „Nicht recht wohl mein lieber Herr Paſtor,
„mein boͤſer Morgenhuſten quaͤlet mich alle Tage
„mehr! Jch kaun nichts mehr eßen. Geſtern habe
„ichs nur einmal gewagt, eine Auerhahnpaſtete zu
„koſten, die liegt mir heute noch im Magen. Jch
„bin gar zu ſchwach. Selbſt die aſtrakanſchen Melo-
„nen wollen mir nicht bekommen, die Ananas ma-
„chen mir Blaͤhungen. Jch habe mir heute blos ein
„einziges Ragout fin beſtellt, ich muß heute faſten,
„um meinen Magen wieder herzuſtellen. Aber iſts
„nicht elend, mein lieber Herr Paſtor, wenn man
„nicht eßen kann.‟ Sebaldus antwortete mit ei-
nem tiefen Seufzer: „Ja wohl, Ew. Hochgraͤfl.
„Gnaden, beinahe eben ſo ſchlimm, als wenn man
„nichts zu eßen hat, ich befuͤrchte beinahe, daß ich in
„dieſem Fall—‟ der Graf fiel ihm ins Wort: „Sie
„haben Recht, lieber Herr Paſtor, bald wird man
„auch gar nichts zu eßen haben, der leidige Krieg ver-
„derbt alles. Jch habe vorigen Winter recht elend
„zugebracht. Die Auſtern kamen ſehr unrichtig an.
„Den ganzen Winter uͤber habe ich aus Preußen kein
„Birk-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |