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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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er auch ruhig geschehen ließ. Hingegen hob er seine
Hand auf, um an seine Schlafmütze zu greifen, weil
er aber vermuthlich vergaß, daß er die Hand nicht
wohl beugen konnte, empfand er plötzlich einen so
empfindlichen Schmerz, daß er ein Sacr ** ausrief,
sogleich nach Goezens Todesbetrachtungen griff,
und laut an zu lesen fieng: Betrachtung am 15ten
Junius.

Sebaldus war durch diesen Besuch wenig getrö-
stet worden. Er suchte seinen Freund Hieronymus
auf, hörte aber, daß derselbe verreiset wäre. Er
ging daher nach einem Wirthshause, wo er den Rest
des Tages blieb. Den andern Morgen frühe machte
er sich nach Rennsdorf, dem Sitze des Grafen von
Nimmer, auf, wo er gegen eilf Uhr ankam. Die-
se Zeit, die dem bürgerlichen Theile der menschlichen
Gesellschaft beinahe Mittag ist, war für den Hoch-
gräflichen Greis kaum Morgen. Seit einer halben
Stunde ohngefehr hatte er das Bette verlaßen, hat-
te das wichtige Geschäfft des Küchenzettels abgefer-
tigt, und war itzt beschäftigt, auf einem weichen So-
fa seine Chocolate einzuschlürfen, und auf die Ver-
dauung der gestrigen Mahlzeiten zu warten. Sobald
sich Sebaldus anmelden ließ, ward er sogleich vor-
gelaßen. Er näherte sich mit wenigstens zwanzig

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er auch ruhig geſchehen ließ. Hingegen hob er ſeine
Hand auf, um an ſeine Schlafmuͤtze zu greifen, weil
er aber vermuthlich vergaß, daß er die Hand nicht
wohl beugen konnte, empfand er ploͤtzlich einen ſo
empfindlichen Schmerz, daß er ein Sacr ** ausrief,
ſogleich nach Goezens Todesbetrachtungen griff,
und laut an zu leſen fieng: Betrachtung am 15ten
Junius.

Sebaldus war durch dieſen Beſuch wenig getroͤ-
ſtet worden. Er ſuchte ſeinen Freund Hieronymus
auf, hoͤrte aber, daß derſelbe verreiſet waͤre. Er
ging daher nach einem Wirthshauſe, wo er den Reſt
des Tages blieb. Den andern Morgen fruͤhe machte
er ſich nach Rennsdorf, dem Sitze des Grafen von
Nimmer, auf, wo er gegen eilf Uhr ankam. Die-
ſe Zeit, die dem buͤrgerlichen Theile der menſchlichen
Geſellſchaft beinahe Mittag iſt, war fuͤr den Hoch-
graͤflichen Greis kaum Morgen. Seit einer halben
Stunde ohngefehr hatte er das Bette verlaßen, hat-
te das wichtige Geſchaͤfft des Kuͤchenzettels abgefer-
tigt, und war itzt beſchaͤftigt, auf einem weichen So-
fa ſeine Chocolate einzuſchluͤrfen, und auf die Ver-
dauung der geſtrigen Mahlzeiten zu warten. Sobald
ſich Sebaldus anmelden ließ, ward er ſogleich vor-
gelaßen. Er naͤherte ſich mit wenigſtens zwanzig

Buͤck-
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[55/0077] er auch ruhig geſchehen ließ. Hingegen hob er ſeine Hand auf, um an ſeine Schlafmuͤtze zu greifen, weil er aber vermuthlich vergaß, daß er die Hand nicht wohl beugen konnte, empfand er ploͤtzlich einen ſo empfindlichen Schmerz, daß er ein Sacr ** ausrief, ſogleich nach Goezens Todesbetrachtungen griff, und laut an zu leſen fieng: Betrachtung am 15ten Junius. Sebaldus war durch dieſen Beſuch wenig getroͤ- ſtet worden. Er ſuchte ſeinen Freund Hieronymus auf, hoͤrte aber, daß derſelbe verreiſet waͤre. Er ging daher nach einem Wirthshauſe, wo er den Reſt des Tages blieb. Den andern Morgen fruͤhe machte er ſich nach Rennsdorf, dem Sitze des Grafen von Nimmer, auf, wo er gegen eilf Uhr ankam. Die- ſe Zeit, die dem buͤrgerlichen Theile der menſchlichen Geſellſchaft beinahe Mittag iſt, war fuͤr den Hoch- graͤflichen Greis kaum Morgen. Seit einer halben Stunde ohngefehr hatte er das Bette verlaßen, hat- te das wichtige Geſchaͤfft des Kuͤchenzettels abgefer- tigt, und war itzt beſchaͤftigt, auf einem weichen So- fa ſeine Chocolate einzuſchluͤrfen, und auf die Ver- dauung der geſtrigen Mahlzeiten zu warten. Sobald ſich Sebaldus anmelden ließ, ward er ſogleich vor- gelaßen. Er naͤherte ſich mit wenigſtens zwanzig Buͤck- D 4

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/77>, abgerufen am 24.11.2024.