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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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anständig, viel zu lesen, der andere erwartete alle
Wirkung seiner Predigten von der seligmachenden
Gnade, und hielt also alle menschliche Gelehrsamkeit
für ganz überflüßig.

So zufrieden aber auch Sebaldus und Mariane
in dem Hause ihres freundschaftlichen Wirthes waren,
so lagen sie ihm doch beständig an, für sie Posten zu
finden, in denen sie ihren Unterhalt erwerben könnten.
Kurz darauf fand sich eine gewünschte Stelle für Ma-
rianen,
denn als Hieronymus wieder in Geschäf-
ten verreiset war, ersuhr er, daß eine adeliche Da-
me, eine französische Demoiselle zu Erziehung ihrer
beiden Fräulein verlangte. Hierzu schlug er Ma-
rianen
vor, die auch sehr gern darin willigte. "Diese
"Stelle, sagte Hieronymus, scheint für Sie sehr
"vortheilhaft zu seyn, aber ich rathe Jhnen, nicht
"Jhren Namen zu führen. Diese Dame ist eine weit-
"läuftige Verwandtin des D. Stauzius, und ich
"befürchte, er mögte aus Rachgier Jhnen auch dort
"üble Dienste leisten. Und ob es gleich heißt, daß
"Sie zur Erziehung der jungen Fräulein berufen wer-
"den, so ist doch, wie ich merke, die Uebung in der
"französischen Sprache, das vornehmste, das von
"Jhnen verlangt wird. Jch habe Sie also, als die
"Tochter eines von den Russen vertriebenen französi-

"schen



anſtaͤndig, viel zu leſen, der andere erwartete alle
Wirkung ſeiner Predigten von der ſeligmachenden
Gnade, und hielt alſo alle menſchliche Gelehrſamkeit
fuͤr ganz uͤberfluͤßig.

So zufrieden aber auch Sebaldus und Mariane
in dem Hauſe ihres freundſchaftlichen Wirthes waren,
ſo lagen ſie ihm doch beſtaͤndig an, fuͤr ſie Poſten zu
finden, in denen ſie ihren Unterhalt erwerben koͤnnten.
Kurz darauf fand ſich eine gewuͤnſchte Stelle fuͤr Ma-
rianen,
denn als Hieronymus wieder in Geſchaͤf-
ten verreiſet war, erſuhr er, daß eine adeliche Da-
me, eine franzoͤſiſche Demoiſelle zu Erziehung ihrer
beiden Fraͤulein verlangte. Hierzu ſchlug er Ma-
rianen
vor, die auch ſehr gern darin willigte. „Dieſe
„Stelle, ſagte Hieronymus, ſcheint fuͤr Sie ſehr
„vortheilhaft zu ſeyn, aber ich rathe Jhnen, nicht
„Jhren Namen zu fuͤhren. Dieſe Dame iſt eine weit-
„laͤuftige Verwandtin des D. Stauzius, und ich
„befuͤrchte, er moͤgte aus Rachgier Jhnen auch dort
„uͤble Dienſte leiſten. Und ob es gleich heißt, daß
„Sie zur Erziehung der jungen Fraͤulein berufen wer-
„den, ſo iſt doch, wie ich merke, die Uebung in der
„franzoͤſiſchen Sprache, das vornehmſte, das von
„Jhnen verlangt wird. Jch habe Sie alſo, als die
„Tochter eines von den Ruſſen vertriebenen franzoͤſi-

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[74/0098] anſtaͤndig, viel zu leſen, der andere erwartete alle Wirkung ſeiner Predigten von der ſeligmachenden Gnade, und hielt alſo alle menſchliche Gelehrſamkeit fuͤr ganz uͤberfluͤßig. So zufrieden aber auch Sebaldus und Mariane in dem Hauſe ihres freundſchaftlichen Wirthes waren, ſo lagen ſie ihm doch beſtaͤndig an, fuͤr ſie Poſten zu finden, in denen ſie ihren Unterhalt erwerben koͤnnten. Kurz darauf fand ſich eine gewuͤnſchte Stelle fuͤr Ma- rianen, denn als Hieronymus wieder in Geſchaͤf- ten verreiſet war, erſuhr er, daß eine adeliche Da- me, eine franzoͤſiſche Demoiſelle zu Erziehung ihrer beiden Fraͤulein verlangte. Hierzu ſchlug er Ma- rianen vor, die auch ſehr gern darin willigte. „Dieſe „Stelle, ſagte Hieronymus, ſcheint fuͤr Sie ſehr „vortheilhaft zu ſeyn, aber ich rathe Jhnen, nicht „Jhren Namen zu fuͤhren. Dieſe Dame iſt eine weit- „laͤuftige Verwandtin des D. Stauzius, und ich „befuͤrchte, er moͤgte aus Rachgier Jhnen auch dort „uͤble Dienſte leiſten. Und ob es gleich heißt, daß „Sie zur Erziehung der jungen Fraͤulein berufen wer- „den, ſo iſt doch, wie ich merke, die Uebung in der „franzoͤſiſchen Sprache, das vornehmſte, das von „Jhnen verlangt wird. Jch habe Sie alſo, als die „Tochter eines von den Ruſſen vertriebenen franzoͤſi- „ſchen

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/98>, abgerufen am 21.11.2024.