Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."Anzug sehr bald das Merkzeichen eines jeden Luthe- "rischen Pfarrers. Denn die Reformirten, dem "Hofe näher, wollten sich nicht so sehr von der ge- "wöhnlichen Kleidung abwenden. Sie behielten den "gewöhnlichen dreymal aufgestutzten Hut bey, und "den Mantel,*) dessen viele pedantische Falten sie "unmerklich vermindert hatten, schlugen sie von den "Schultern zurück, und hoben ihn im Gehen mit der "linken Hand zierlich auf, so daß sie mit mehrerm "Anstande fortschreiten konnten. Nach einiger Zeit "fiengen sie an, den Mantel**), den sie mit der linken "Hand empor gehalten hatten, zu mehrerer Bequem- "lichkeit ganz auf den linken Arm zu legen. Unter "den Lutheranern, welche schon längst den schmalern "Mantel, und die freyern Füße der Reformirten "mit heimlichem Neide mochten angesehen haben, "wagte es zuerst ein Mann, in großen Dingen klein, "und in kleinen Dingen groß, den Mantel***) um "den Leib zu schlagen, und mit freyen Füßen einher zu "treten, worinn er bald viele Nachahmer bekam. Es "wäre zu weitläuftig zu erzählen, welche Widersprü- "che jede von diesen Veränderungen habe leiden "müssen, wie oft man aus der veränderten Art den "Mantel zu tragen, auf eine Neuerung in der Lehre "geschlossen *) Fig. 3. **) Fig. 4. ***) Fig. 5. G 2
”Anzug ſehr bald das Merkzeichen eines jeden Luthe- ”riſchen Pfarrers. Denn die Reformirten, dem ”Hofe naͤher, wollten ſich nicht ſo ſehr von der ge- ”woͤhnlichen Kleidung abwenden. Sie behielten den ”gewoͤhnlichen dreymal aufgeſtutzten Hut bey, und ”den Mantel,*) deſſen viele pedantiſche Falten ſie ”unmerklich vermindert hatten, ſchlugen ſie von den ”Schultern zuruͤck, und hoben ihn im Gehen mit der ”linken Hand zierlich auf, ſo daß ſie mit mehrerm ”Anſtande fortſchreiten konnten. Nach einiger Zeit ”fiengen ſie an, den Mantel**), den ſie mit der linken ”Hand empor gehalten hatten, zu mehrerer Bequem- ”lichkeit ganz auf den linken Arm zu legen. Unter ”den Lutheranern, welche ſchon laͤngſt den ſchmalern ”Mantel, und die freyern Fuͤße der Reformirten ”mit heimlichem Neide mochten angeſehen haben, ”wagte es zuerſt ein Mann, in großen Dingen klein, ”und in kleinen Dingen groß, den Mantel***) um ”den Leib zu ſchlagen, und mit freyen Fuͤßen einher zu ”treten, worinn er bald viele Nachahmer bekam. Es ”waͤre zu weitlaͤuftig zu erzaͤhlen, welche Widerſpruͤ- ”che jede von dieſen Veraͤnderungen habe leiden ”muͤſſen, wie oft man aus der veraͤnderten Art den ”Mantel zu tragen, auf eine Neuerung in der Lehre ”geſchloſſen *) Fig. 3. **) Fig. 4. ***) Fig. 5. G 2
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”Anzug ſehr bald das Merkzeichen eines jeden Luthe-
”riſchen Pfarrers. Denn die Reformirten, dem
”Hofe naͤher, wollten ſich nicht ſo ſehr von der ge-
”woͤhnlichen Kleidung abwenden. Sie behielten den
”gewoͤhnlichen dreymal aufgeſtutzten Hut bey, und
”den Mantel, *) deſſen viele pedantiſche Falten ſie
”unmerklich vermindert hatten, ſchlugen ſie von den
”Schultern zuruͤck, und hoben ihn im Gehen mit der
”linken Hand zierlich auf, ſo daß ſie mit mehrerm
”Anſtande fortſchreiten konnten. Nach einiger Zeit
”fiengen ſie an, den Mantel **), den ſie mit der linken
”Hand empor gehalten hatten, zu mehrerer Bequem-
”lichkeit ganz auf den linken Arm zu legen. Unter
”den Lutheranern, welche ſchon laͤngſt den ſchmalern
”Mantel, und die freyern Fuͤße der Reformirten
”mit heimlichem Neide mochten angeſehen haben,
”wagte es zuerſt ein Mann, in großen Dingen klein,
”und in kleinen Dingen groß, den Mantel ***) um
”den Leib zu ſchlagen, und mit freyen Fuͤßen einher zu
”treten, worinn er bald viele Nachahmer bekam. Es
”waͤre zu weitlaͤuftig zu erzaͤhlen, welche Widerſpruͤ-
”che jede von dieſen Veraͤnderungen habe leiden
”muͤſſen, wie oft man aus der veraͤnderten Art den
”Mantel zu tragen, auf eine Neuerung in der Lehre
”geſchloſſen
*) Fig. 3.
**) Fig. 4.
***) Fig. 5.
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