Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."vollen Hofe unsers guten Königs Friedrichs I. gese- "hen hatten. Selbst die Pietistischen Prediger mochten "diese so oft abgekanzelte, und, nebst den Fontangen der "Frauenzimmer, vom Einblasen des leidigen Teu- "fels hergeleitete Kopfzierde, so bald sie die Welt- "leute mit dem Regierungsantritte König Frie- "drich Wilhelms ablegten, ferner nicht verschmä- "hen. Vermuthlich ihrer Gravität wegen; denn sie "fiengen nunmehr, gleich den Leuten, die ihre "Denkzettel breit und die Säume an ihren Klei- "dern groß machten,*) an, in ihrer Kleidung sich "geflissentlich von andern Menschen zu unterschei- "den.**) Sie machten an ihren Kragen einen breiten "Saum. Ein breiter nur zweymal aufgestutzter "Schiffhut beschattete vorn und hinten ihr Haupt, "und in den Mantel wickelten sie den Unterleib der- "maßen ein, daß, bey dem wenigen Raume, den die "Füße übrig behielten, derjenige unter ihnen, der "von Natur nicht bedächtig war, einen bedächtigen "Gang anuehmen mußte. Da unsere ganze Lutheri- "sche Geistlichkeit um diese Zeit aufieng, sich von "der Hamburgischen Orthodoxie der polternden "Mayer und Neumeister, ab, und zum sanftern Pie- "tismus zu neigen, so ward dieser eben beschriebene "Anzug *) Matth. XXIII. 5. **) Fig. 2.
”vollen Hofe unſers guten Koͤnigs Friedrichs I. geſe- ”hen hatten. Selbſt die Pietiſtiſchen Prediger mochten ”dieſe ſo oft abgekanzelte, und, nebſt den Fontangen der ”Frauenzimmer, vom Einblaſen des leidigen Teu- ”fels hergeleitete Kopfzierde, ſo bald ſie die Welt- ”leute mit dem Regierungsantritte Koͤnig Frie- ”drich Wilhelms ablegten, ferner nicht verſchmaͤ- ”hen. Vermuthlich ihrer Gravitaͤt wegen; denn ſie ”fiengen nunmehr, gleich den Leuten, die ihre ”Denkzettel breit und die Saͤume an ihren Klei- ”dern groß machten,*) an, in ihrer Kleidung ſich ”gefliſſentlich von andern Menſchen zu unterſchei- ”den.**) Sie machten an ihren Kragen einen breiten ”Saum. Ein breiter nur zweymal aufgeſtutzter ”Schiffhut beſchattete vorn und hinten ihr Haupt, ”und in den Mantel wickelten ſie den Unterleib der- ”maßen ein, daß, bey dem wenigen Raume, den die ”Fuͤße uͤbrig behielten, derjenige unter ihnen, der ”von Natur nicht bedaͤchtig war, einen bedaͤchtigen ”Gang anuehmen mußte. Da unſere ganze Lutheri- ”ſche Geiſtlichkeit um dieſe Zeit aufieng, ſich von ”der Hamburgiſchen Orthodoxie der polternden ”Mayer und Neumeiſter, ab, und zum ſanftern Pie- ”tiſmus zu neigen, ſo ward dieſer eben beſchriebene ”Anzug *) Matth. XXIII. 5. **) Fig. 2.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0102" n="94"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ”vollen Hofe unſers guten Koͤnigs <hi rendition="#fr">Friedrichs</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">I.</hi></hi> geſe-<lb/> ”hen hatten. Selbſt die Pietiſtiſchen Prediger mochten<lb/> ”dieſe ſo oft abgekanzelte, und, nebſt den Fontangen der<lb/> ”Frauenzimmer, vom Einblaſen des leidigen Teu-<lb/> ”fels hergeleitete Kopfzierde, ſo bald ſie die Welt-<lb/> ”leute mit dem Regierungsantritte Koͤnig <hi rendition="#fr">Frie-<lb/> ”drich Wilhelms</hi> ablegten, ferner nicht verſchmaͤ-<lb/> ”hen. Vermuthlich ihrer Gravitaͤt wegen; denn ſie<lb/> ”fiengen nunmehr, gleich den Leuten, <hi rendition="#fr">die ihre<lb/> ”Denkzettel breit und die Saͤume an ihren Klei-<lb/> ”dern groß machten,</hi><note place="foot" n="*)">Matth. <hi rendition="#aq">XXIII.</hi> 5.</note> an, in ihrer Kleidung ſich<lb/> ”gefliſſentlich von andern Menſchen zu unterſchei-<lb/> ”den.<note place="foot" n="**)">Fig. 2.</note> Sie machten an ihren Kragen einen breiten<lb/> ”Saum. Ein breiter nur zweymal aufgeſtutzter<lb/> ”Schiffhut beſchattete vorn und hinten ihr Haupt,<lb/> ”und in den Mantel wickelten ſie den Unterleib der-<lb/> ”maßen ein, daß, bey dem wenigen Raume, den die<lb/> ”Fuͤße uͤbrig behielten, derjenige unter ihnen, der<lb/> ”von Natur nicht bedaͤchtig war, einen bedaͤchtigen<lb/> ”Gang anuehmen mußte. Da unſere ganze Lutheri-<lb/> ”ſche Geiſtlichkeit um dieſe Zeit aufieng, ſich von<lb/> ”der Hamburgiſchen Orthodoxie der polternden<lb/> ”<hi rendition="#fr">Mayer</hi> und <hi rendition="#fr">Neumeiſter,</hi> ab, und zum ſanftern Pie-<lb/> ”tiſmus zu neigen, ſo ward dieſer eben beſchriebene<lb/> <fw place="bottom" type="catch">”Anzug</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0102]
”vollen Hofe unſers guten Koͤnigs Friedrichs I. geſe-
”hen hatten. Selbſt die Pietiſtiſchen Prediger mochten
”dieſe ſo oft abgekanzelte, und, nebſt den Fontangen der
”Frauenzimmer, vom Einblaſen des leidigen Teu-
”fels hergeleitete Kopfzierde, ſo bald ſie die Welt-
”leute mit dem Regierungsantritte Koͤnig Frie-
”drich Wilhelms ablegten, ferner nicht verſchmaͤ-
”hen. Vermuthlich ihrer Gravitaͤt wegen; denn ſie
”fiengen nunmehr, gleich den Leuten, die ihre
”Denkzettel breit und die Saͤume an ihren Klei-
”dern groß machten, *) an, in ihrer Kleidung ſich
”gefliſſentlich von andern Menſchen zu unterſchei-
”den. **) Sie machten an ihren Kragen einen breiten
”Saum. Ein breiter nur zweymal aufgeſtutzter
”Schiffhut beſchattete vorn und hinten ihr Haupt,
”und in den Mantel wickelten ſie den Unterleib der-
”maßen ein, daß, bey dem wenigen Raume, den die
”Fuͤße uͤbrig behielten, derjenige unter ihnen, der
”von Natur nicht bedaͤchtig war, einen bedaͤchtigen
”Gang anuehmen mußte. Da unſere ganze Lutheri-
”ſche Geiſtlichkeit um dieſe Zeit aufieng, ſich von
”der Hamburgiſchen Orthodoxie der polternden
”Mayer und Neumeiſter, ab, und zum ſanftern Pie-
”tiſmus zu neigen, ſo ward dieſer eben beſchriebene
”Anzug
*) Matth. XXIII. 5.
**) Fig. 2.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |