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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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großer Klugheit gemacht, daß nichts an uns ohne
Ursach ist. Wie könnte er denn von uns etwas ver-
langen, das wir nicht leisten könnten? Sehen Sie
hier meinen Hühnerhund, der ist ein Hühnerhund,
und weiter nichts, er wird vor einem Huhn stehn;
aber wenn ich verlangen wollte, daß er eine Sau
stellen sollte, so kann ich nicht sagen, der Hund fün-
digt, wenn ers nicht kann.

Seb. Sie schließen viel zu rasch. Wir würden
langsamer gehen müssen, wenn wir diese Frage gründ-
lich untersuchen wollten, dazu fehlt uns itzt aber die
Zeit. Lassen Sie uns auf das künftige Leben zurück-
kommen. Ueberlegen Sie wohl, daß wenn es weg-
fällt, auch alle Belohnungen und Bestrafungen weg-
fallen, welche Tugend und Laster, wie es offenbar ist,
in diesem Leben nicht in angemessenem Maße erhal-
ten. Und damit würden also auch alle Bewegungs-
gründe zur Tugend wegfallen.

Maj. Warum das? Ein ehrlicher Kerl muß Recht
thun, weil es Recht ist, und nicht weil er dafür be-
lohnt seyn will. Werde ich belohnt, so ists gut, wo-
fern aber nicht, so muß ich doch rechtschaffen handeln.
Jch habe im letztern Kriege oft mein Leben gewagt,
ob ich gleich immer Major geblieben bin. Oder glaubt
er, Herr! daß ich nur deswegen den Schurken da

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großer Klugheit gemacht, daß nichts an uns ohne
Urſach iſt. Wie koͤnnte er denn von uns etwas ver-
langen, das wir nicht leiſten koͤnnten? Sehen Sie
hier meinen Huͤhnerhund, der iſt ein Huͤhnerhund,
und weiter nichts, er wird vor einem Huhn ſtehn;
aber wenn ich verlangen wollte, daß er eine Sau
ſtellen ſollte, ſo kann ich nicht ſagen, der Hund fuͤn-
digt, wenn ers nicht kann.

Seb. Sie ſchließen viel zu raſch. Wir wuͤrden
langſamer gehen muͤſſen, wenn wir dieſe Frage gruͤnd-
lich unterſuchen wollten, dazu fehlt uns itzt aber die
Zeit. Laſſen Sie uns auf das kuͤnftige Leben zuruͤck-
kommen. Ueberlegen Sie wohl, daß wenn es weg-
faͤllt, auch alle Belohnungen und Beſtrafungen weg-
fallen, welche Tugend und Laſter, wie es offenbar iſt,
in dieſem Leben nicht in angemeſſenem Maße erhal-
ten. Und damit wuͤrden alſo auch alle Bewegungs-
gruͤnde zur Tugend wegfallen.

Maj. Warum das? Ein ehrlicher Kerl muß Recht
thun, weil es Recht iſt, und nicht weil er dafuͤr be-
lohnt ſeyn will. Werde ich belohnt, ſo iſts gut, wo-
fern aber nicht, ſo muß ich doch rechtſchaffen handeln.
Jch habe im letztern Kriege oft mein Leben gewagt,
ob ich gleich immer Major geblieben bin. Oder glaubt
er, Herr! daß ich nur deswegen den Schurken da

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[119/0129] großer Klugheit gemacht, daß nichts an uns ohne Urſach iſt. Wie koͤnnte er denn von uns etwas ver- langen, das wir nicht leiſten koͤnnten? Sehen Sie hier meinen Huͤhnerhund, der iſt ein Huͤhnerhund, und weiter nichts, er wird vor einem Huhn ſtehn; aber wenn ich verlangen wollte, daß er eine Sau ſtellen ſollte, ſo kann ich nicht ſagen, der Hund fuͤn- digt, wenn ers nicht kann. Seb. Sie ſchließen viel zu raſch. Wir wuͤrden langſamer gehen muͤſſen, wenn wir dieſe Frage gruͤnd- lich unterſuchen wollten, dazu fehlt uns itzt aber die Zeit. Laſſen Sie uns auf das kuͤnftige Leben zuruͤck- kommen. Ueberlegen Sie wohl, daß wenn es weg- faͤllt, auch alle Belohnungen und Beſtrafungen weg- fallen, welche Tugend und Laſter, wie es offenbar iſt, in dieſem Leben nicht in angemeſſenem Maße erhal- ten. Und damit wuͤrden alſo auch alle Bewegungs- gruͤnde zur Tugend wegfallen. Maj. Warum das? Ein ehrlicher Kerl muß Recht thun, weil es Recht iſt, und nicht weil er dafuͤr be- lohnt ſeyn will. Werde ich belohnt, ſo iſts gut, wo- fern aber nicht, ſo muß ich doch rechtſchaffen handeln. Jch habe im letztern Kriege oft mein Leben gewagt, ob ich gleich immer Major geblieben bin. Oder glaubt er, Herr! daß ich nur deswegen den Schurken da oben

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/129>, abgerufen am 21.11.2024.