Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite



ich nicht glauben, daß Gott jemand verdammen wer-
de, weil er nicht richtig genug gedacht hat, *) und
Menschen sollten es auch nicht thun.

Pr. O! der schönen Philosophie! O! der sündlichen
Weichherzigkeit eines natürlichen Menschen! Wer
Gottes Wort nicht für Gottes Wort hält, wer sich
der Sakramente als von Gott gegebener Gnadenmit-
tel nicht gebraucht, und so in seinen Sünden dahin
stirbt, der ist verdammt.

Seb.
*) Diese Meinung des Sebaldus, die vielen Gottesgelehr-
ten als nach Ketzerey schmeckend vorkommen möchte-
hegte auch ein sehr verständiger und gottseliger Mann.
Er sagt: ,So ist es im Heidenohume den Epikuraern,
"und im Judenthume den Sadducäern ergangen. Wo-
"bey mir ein öfters eingekommener Gedanke wieder ein-
"fällt: was doch die Ursache seyn müsse, daß unser Hei-
"land, der bey allen Gelegenheiten die Pharisäer so hart
"anlässet, weit gelinder mit den Sadducäern umgeht, die
"doch, weil Sie die Auferstehung, und ein anderes Le-
"ben, wo das Gute belohnt, und das Böse bestraft wird,
"das Daseyn der Geister, mithin auch gute und böse
"Engel, leugneten, den Grund aller Religion umstießen?
"Jch erinnere mich nicht irgendwo etwas gründliches
"darüber gelesen zu haben. Sollte vielleicht daraus zu
"schließen seyn, daß in Gottes Augen, die Heucheley,
"der geistliche Hochmuth, und der verstockte Aberglau-
"ben, für grössere Fehler
angesehen werden, als die blo-
"ßen Jrrthümer des Verstandes, wenn sie auch noch
"so wichtige Gegenstände betreffen
?' S. v. Bünau Be-
trachtungen über die Religion. Leipzig 1769. in 8. 1tes
Buch. S. 90.
J



ich nicht glauben, daß Gott jemand verdammen wer-
de, weil er nicht richtig genug gedacht hat, *) und
Menſchen ſollten es auch nicht thun.

Pr. O! der ſchoͤnen Philoſophie! O! der ſuͤndlichen
Weichherzigkeit eines natuͤrlichen Menſchen! Wer
Gottes Wort nicht fuͤr Gottes Wort haͤlt, wer ſich
der Sakramente als von Gott gegebener Gnadenmit-
tel nicht gebraucht, und ſo in ſeinen Suͤnden dahin
ſtirbt, der iſt verdammt.

Seb.
*) Dieſe Meinung des Sebaldus, die vielen Gottesgelehr-
ten als nach Ketzerey ſchmeckend vorkommen möchte-
hegte auch ein ſehr verſtändiger und gottſeliger Mann.
Er ſagt: ‚So iſt es im Heidenohume den Epikuraern,
”und im Judenthume den Sadducäern ergangen. Wo-
”bey mir ein öfters eingekommener Gedanke wieder ein-
”fällt: was doch die Urſache ſeyn müſſe, daß unſer Hei-
”land, der bey allen Gelegenheiten die Phariſäer ſo hart
”anläſſet, weit gelinder mit den Sadducäern umgeht, die
”doch, weil Sie die Auferſtehung, und ein anderes Le-
”ben, wo das Gute belohnt, und das Böſe beſtraft wird,
”das Daſeyn der Geiſter, mithin auch gute und böſe
”Engel, leugneten, den Grund aller Religion umſtießen?
”Jch erinnere mich nicht irgendwo etwas gründliches
”darüber geleſen zu haben. Sollte vielleicht daraus zu
”ſchließen ſeyn, daß in Gottes Augen, die Heucheley,
”der geiſtliche Hochmuth, und der verſtockte Aberglau-
”ben, für groͤſſere Fehler
angeſehen werden, als die blo-
”ßen Jrrthuͤmer des Verſtandes, wenn ſie auch noch
”ſo wichtige Gegenſtaͤnde betreffen
?‛ S. v. Bünau Be-
trachtungen über die Religion. Leipzig 1769. in 8. 1tes
Buch. S. 90.
J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="125"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ich nicht glauben, daß Gott jemand verdammen wer-<lb/>
de, weil er nicht richtig genug gedacht hat, <note place="foot" n="*)">Die&#x017F;e Meinung des <hi rendition="#fr">Sebaldus,</hi> die vielen Gottesgelehr-<lb/>
ten als nach <hi rendition="#fr">Ketzerey</hi> &#x017F;chmeckend vorkommen möchte-<lb/>
hegte auch ein &#x017F;ehr ver&#x017F;tändiger und gott&#x017F;eliger Mann.<lb/>
Er &#x017F;agt: &#x201A;So i&#x017F;t es im Heidenohume den Epikuraern,<lb/>
&#x201D;und im Judenthume den Sadducäern ergangen. Wo-<lb/>
&#x201D;bey mir ein öfters eingekommener Gedanke wieder ein-<lb/>
&#x201D;fällt: was doch die Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn mü&#x017F;&#x017F;e, daß un&#x017F;er Hei-<lb/>
&#x201D;land, der bey allen Gelegenheiten die Phari&#x017F;äer &#x017F;o hart<lb/>
&#x201D;anlä&#x017F;&#x017F;et, weit gelinder mit den Sadducäern umgeht, die<lb/>
&#x201D;doch, weil Sie die Aufer&#x017F;tehung, und ein anderes Le-<lb/>
&#x201D;ben, wo das Gute belohnt, und das Bö&#x017F;e be&#x017F;traft wird,<lb/>
&#x201D;das Da&#x017F;eyn der Gei&#x017F;ter, mithin auch gute und bö&#x017F;e<lb/>
&#x201D;Engel, leugneten, den Grund aller Religion um&#x017F;tießen?<lb/>
&#x201D;Jch erinnere mich nicht irgendwo etwas gründliches<lb/>
&#x201D;darüber gele&#x017F;en zu haben. Sollte vielleicht daraus zu<lb/>
&#x201D;&#x017F;chließen &#x017F;eyn, daß in Gottes Augen, die <hi rendition="#fr">Heucheley,<lb/>
&#x201D;der gei&#x017F;tliche Hochmuth, und der ver&#x017F;tockte Aberglau-<lb/>
&#x201D;ben, für gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Fehler</hi> ange&#x017F;ehen werden, als <hi rendition="#fr">die blo-<lb/>
&#x201D;ßen Jrrthu&#x0364;mer des Ver&#x017F;tandes, wenn &#x017F;ie auch noch<lb/>
&#x201D;&#x017F;o wichtige Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde betreffen</hi>?&#x201B; S. v. Bünau Be-<lb/>
trachtungen über die Religion. Leipzig 1769. in 8. 1tes<lb/>
Buch. S. 90.</note> und<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;ollten es auch nicht thun.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Pr.</hi> O! der &#x017F;cho&#x0364;nen Philo&#x017F;ophie! O! der &#x017F;u&#x0364;ndlichen<lb/>
Weichherzigkeit eines natu&#x0364;rlichen Men&#x017F;chen! Wer<lb/>
Gottes Wort nicht fu&#x0364;r Gottes Wort ha&#x0364;lt, wer &#x017F;ich<lb/>
der Sakramente als von Gott gegebener Gnadenmit-<lb/>
tel nicht gebraucht, und &#x017F;o in &#x017F;einen Su&#x0364;nden dahin<lb/>
&#x017F;tirbt, der i&#x017F;t <hi rendition="#fr">verdammt.</hi></p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">J</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Seb.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0135] ich nicht glauben, daß Gott jemand verdammen wer- de, weil er nicht richtig genug gedacht hat, *) und Menſchen ſollten es auch nicht thun. Pr. O! der ſchoͤnen Philoſophie! O! der ſuͤndlichen Weichherzigkeit eines natuͤrlichen Menſchen! Wer Gottes Wort nicht fuͤr Gottes Wort haͤlt, wer ſich der Sakramente als von Gott gegebener Gnadenmit- tel nicht gebraucht, und ſo in ſeinen Suͤnden dahin ſtirbt, der iſt verdammt. Seb. *) Dieſe Meinung des Sebaldus, die vielen Gottesgelehr- ten als nach Ketzerey ſchmeckend vorkommen möchte- hegte auch ein ſehr verſtändiger und gottſeliger Mann. Er ſagt: ‚So iſt es im Heidenohume den Epikuraern, ”und im Judenthume den Sadducäern ergangen. Wo- ”bey mir ein öfters eingekommener Gedanke wieder ein- ”fällt: was doch die Urſache ſeyn müſſe, daß unſer Hei- ”land, der bey allen Gelegenheiten die Phariſäer ſo hart ”anläſſet, weit gelinder mit den Sadducäern umgeht, die ”doch, weil Sie die Auferſtehung, und ein anderes Le- ”ben, wo das Gute belohnt, und das Böſe beſtraft wird, ”das Daſeyn der Geiſter, mithin auch gute und böſe ”Engel, leugneten, den Grund aller Religion umſtießen? ”Jch erinnere mich nicht irgendwo etwas gründliches ”darüber geleſen zu haben. Sollte vielleicht daraus zu ”ſchließen ſeyn, daß in Gottes Augen, die Heucheley, ”der geiſtliche Hochmuth, und der verſtockte Aberglau- ”ben, für groͤſſere Fehler angeſehen werden, als die blo- ”ßen Jrrthuͤmer des Verſtandes, wenn ſie auch noch ”ſo wichtige Gegenſtaͤnde betreffen?‛ S. v. Bünau Be- trachtungen über die Religion. Leipzig 1769. in 8. 1tes Buch. S. 90. J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/135
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/135>, abgerufen am 21.11.2024.