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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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Seb. Wenn Sie nähere Nachrichten von dem Zu-
stande in jenem Leben haben, so muß ich es gesche-
hen lassen. Jch wenigstens kann mich nicht überzeu-
gen, daß ein Mensch, der, so viel er gekonnt, seinen
Pflichten nachgelebt, und Gutes gethan hat, der un-
eigennützig, gerecht und wohlthätig gewesen, und sich
bey seinem Ende in des barmherzigen Gottes Arme
geworfen hat, -- daß dieser von Gott ausdrücklich
müsse verdammt werden. Jsts anders, so weiß ichs
wenigstens nicht.

Pr. Ja! Jch aber weiß es besser! Jch, als ein be-
rufener und verordneter Diener Gottes, sage Jhnen,
daß Gottes Wort ausdrücklich lehret: Wer nicht an
den dreyeinigen Gott glaubt, der ist ewig verdammt,
und ist keine Erlösung für ihn, weder in Zeit noch
in Ewigkeit.

Sebaldus, dessen Blut durch das Wort ewige
Verdammniß
sehr leicht erhitzt ward, fuhr auf, und
wollte im Zorne heftig antworten. Er faßte sich aber
zum Glücke bald, und sagte bloß, indem er einen
Schritt zur Thüre gieng:

,Jn der That, bloß der, welcher glaubt, er sey
"ein unmittelbarer Gesandter Gottes, darf sich un-
"terstehen, das Schicksal eines Menschen so positiv
"zu bestimmen. Verantworten Sie dieß bey dem,

"der


Seb. Wenn Sie naͤhere Nachrichten von dem Zu-
ſtande in jenem Leben haben, ſo muß ich es geſche-
hen laſſen. Jch wenigſtens kann mich nicht uͤberzeu-
gen, daß ein Menſch, der, ſo viel er gekonnt, ſeinen
Pflichten nachgelebt, und Gutes gethan hat, der un-
eigennuͤtzig, gerecht und wohlthaͤtig geweſen, und ſich
bey ſeinem Ende in des barmherzigen Gottes Arme
geworfen hat, — daß dieſer von Gott ausdruͤcklich
muͤſſe verdammt werden. Jſts anders, ſo weiß ichs
wenigſtens nicht.

Pr. Ja! Jch aber weiß es beſſer! Jch, als ein be-
rufener und verordneter Diener Gottes, ſage Jhnen,
daß Gottes Wort ausdruͤcklich lehret: Wer nicht an
den dreyeinigen Gott glaubt, der iſt ewig verdammt,
und iſt keine Erloͤſung fuͤr ihn, weder in Zeit noch
in Ewigkeit.

Sebaldus, deſſen Blut durch das Wort ewige
Verdammniß
ſehr leicht erhitzt ward, fuhr auf, und
wollte im Zorne heftig antworten. Er faßte ſich aber
zum Gluͤcke bald, und ſagte bloß, indem er einen
Schritt zur Thuͤre gieng:

‚Jn der That, bloß der, welcher glaubt, er ſey
”ein unmittelbarer Geſandter Gottes, darf ſich un-
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”zu beſtimmen. Verantworten Sie dieß bey dem,

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[126/0136] Seb. Wenn Sie naͤhere Nachrichten von dem Zu- ſtande in jenem Leben haben, ſo muß ich es geſche- hen laſſen. Jch wenigſtens kann mich nicht uͤberzeu- gen, daß ein Menſch, der, ſo viel er gekonnt, ſeinen Pflichten nachgelebt, und Gutes gethan hat, der un- eigennuͤtzig, gerecht und wohlthaͤtig geweſen, und ſich bey ſeinem Ende in des barmherzigen Gottes Arme geworfen hat, — daß dieſer von Gott ausdruͤcklich muͤſſe verdammt werden. Jſts anders, ſo weiß ichs wenigſtens nicht. Pr. Ja! Jch aber weiß es beſſer! Jch, als ein be- rufener und verordneter Diener Gottes, ſage Jhnen, daß Gottes Wort ausdruͤcklich lehret: Wer nicht an den dreyeinigen Gott glaubt, der iſt ewig verdammt, und iſt keine Erloͤſung fuͤr ihn, weder in Zeit noch in Ewigkeit. Sebaldus, deſſen Blut durch das Wort ewige Verdammniß ſehr leicht erhitzt ward, fuhr auf, und wollte im Zorne heftig antworten. Er faßte ſich aber zum Gluͤcke bald, und ſagte bloß, indem er einen Schritt zur Thuͤre gieng: ‚Jn der That, bloß der, welcher glaubt, er ſey ”ein unmittelbarer Geſandter Gottes, darf ſich un- ”terſtehen, das Schickſal eines Menſchen ſo poſitiv ”zu beſtimmen. Verantworten Sie dieß bey dem, ”der

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/136>, abgerufen am 21.11.2024.