Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.ein ächter Crusianer, auf die Thelematologie grün- dete. Sebaldus hingegen wollte seiner seits sei- nem Freunde auch seine neuen Entdeckungen über die Apokalypse mittheilen, welche aber gar kein Gehör fanden, sondern vielmehr gerade zu ausgelacht wur- den, weil Herr F. schon längst bey sich ausgemacht hatte, daß in der ganzen Apokalypse kein Sensus Kommunis zu finden sey. Sebaldus fieng zu sei- ner eignen Vertheidigung an, das Grundgesetz des Sensus kommunis zu untergraben. Er zeigte mit philosophischen Gründen, welch ein schwankender Be- griff dieß sey, und bewies, daß eine Appellation an den Sensus kommunis, als an ein untrügliches Gericht über den Werth spekulativer Wahrheiten, nicht viel mehr, als eine Appellation an ein inne- res Gefühl bedeute, und da dieses von Menschen zu Menschen verschieden seyn müßte, so wäre nicht zu erwarten, daß dadurch irgend etwas könnte mit Er- folge behauptet oder wiederlegt werden. Vergebens. Herr F. hatte sein System lieb, Sebaldus wollte sich seine Weißagungen auch nicht nehmen lassen, sie wurden also heftig, machten nichts aus, und endlich, ob sie gleich nicht aufhörten sich hochzuschätzen, ward doch ihr Umgang laulicher, und einer fand nicht mehr so viel Vergnügen in der Gesellschaft des andern. So J 3
ein aͤchter Cruſianer, auf die Thelematologie gruͤn- dete. Sebaldus hingegen wollte ſeiner ſeits ſei- nem Freunde auch ſeine neuen Entdeckungen uͤber die Apokalypſe mittheilen, welche aber gar kein Gehoͤr fanden, ſondern vielmehr gerade zu ausgelacht wur- den, weil Herr F. ſchon laͤngſt bey ſich ausgemacht hatte, daß in der ganzen Apokalypſe kein Senſus Kommunis zu finden ſey. Sebaldus fieng zu ſei- ner eignen Vertheidigung an, das Grundgeſetz des Senſus kommunis zu untergraben. Er zeigte mit philoſophiſchen Gruͤnden, welch ein ſchwankender Be- griff dieß ſey, und bewies, daß eine Appellation an den Senſus kommunis, als an ein untruͤgliches Gericht uͤber den Werth ſpekulativer Wahrheiten, nicht viel mehr, als eine Appellation an ein inne- res Gefuͤhl bedeute, und da dieſes von Menſchen zu Menſchen verſchieden ſeyn muͤßte, ſo waͤre nicht zu erwarten, daß dadurch irgend etwas koͤnnte mit Er- folge behauptet oder wiederlegt werden. Vergebens. Herr F. hatte ſein Syſtem lieb, Sebaldus wollte ſich ſeine Weißagungen auch nicht nehmen laſſen, ſie wurden alſo heftig, machten nichts aus, und endlich, ob ſie gleich nicht aufhoͤrten ſich hochzuſchaͤtzen, ward doch ihr Umgang laulicher, und einer fand nicht mehr ſo viel Vergnuͤgen in der Geſellſchaft des andern. So J 3
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ein aͤchter Cruſianer, auf die Thelematologie gruͤn-
dete. Sebaldus hingegen wollte ſeiner ſeits ſei-
nem Freunde auch ſeine neuen Entdeckungen uͤber die
Apokalypſe mittheilen, welche aber gar kein Gehoͤr
fanden, ſondern vielmehr gerade zu ausgelacht wur-
den, weil Herr F. ſchon laͤngſt bey ſich ausgemacht
hatte, daß in der ganzen Apokalypſe kein Senſus
Kommunis zu finden ſey. Sebaldus fieng zu ſei-
ner eignen Vertheidigung an, das Grundgeſetz des
Senſus kommunis zu untergraben. Er zeigte mit
philoſophiſchen Gruͤnden, welch ein ſchwankender Be-
griff dieß ſey, und bewies, daß eine Appellation an
den Senſus kommunis, als an ein untruͤgliches
Gericht uͤber den Werth ſpekulativer Wahrheiten,
nicht viel mehr, als eine Appellation an ein inne-
res Gefuͤhl bedeute, und da dieſes von Menſchen zu
Menſchen verſchieden ſeyn muͤßte, ſo waͤre nicht zu
erwarten, daß dadurch irgend etwas koͤnnte mit Er-
folge behauptet oder wiederlegt werden. Vergebens.
Herr F. hatte ſein Syſtem lieb, Sebaldus wollte
ſich ſeine Weißagungen auch nicht nehmen laſſen, ſie
wurden alſo heftig, machten nichts aus, und endlich,
ob ſie gleich nicht aufhoͤrten ſich hochzuſchaͤtzen, ward
doch ihr Umgang laulicher, und einer fand nicht mehr
ſo viel Vergnuͤgen in der Geſellſchaft des andern.
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