Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite



"Lesart der Schule zu al Kufah oder al Basrah sey,
"welches, wie er sagt, ein so großer Unterschied ist,
"als zwischen Lutheranern oder Katholiken. Er sagt
"ausdrücklich, daß man noch einhundert Jahre hin-
"durch gute Arabische Bücher drucken, und sich bis
"dahin die Lust darüber zu philosophiren ganz
"vergehen lassen sollte.
Er vergleicht, sehr tref-
"fend, die Theologen, die itzt schon das Hebräische
"aus dem Arabischen erläutern wollen, mit den al-
"ten Philosophen, welche die Wirkungen der Dinge
"in der Natur a priori demonstriren wollten, ehe sie
"noch die Natur durchstudiret hatten, und dadurch
"die lächerlichsten Grillen in die Physik brachten.'
Habe ich Unrecht, fuhr Sebaldus fort, wenn ich
Reisken, dem größten Kenner der Arabischen Spra-
che, hierinn glaube?

Ey! rief der Fremde ziemlich entrüstet, Reiske
kann hievon nicht urtheilen; der Mann versteht zwar
etwas Arabisch, aber von dem Hebräischen und an-
dern orientalischen Sprachen, weiß er so viel als
nichts. Und Sie, mein guter Herr, der Sie von
allen diesen gelehrten Sachen ganz und gar nichts
verstehen, Sie sollten davon auch ganz und gar nicht
urtheilen, sondern Ehrfurcht für die Bemühungen

gelehr-



”Lesart der Schule zu al Kufah oder al Baſrah ſey,
”welches, wie er ſagt, ein ſo großer Unterſchied iſt,
”als zwiſchen Lutheranern oder Katholiken. Er ſagt
”ausdruͤcklich, daß man noch einhundert Jahre hin-
”durch gute Arabiſche Buͤcher drucken, und ſich bis
”dahin die Luſt daruͤber zu philoſophiren ganz
”vergehen laſſen ſollte.
Er vergleicht, ſehr tref-
”fend, die Theologen, die itzt ſchon das Hebraͤiſche
”aus dem Arabiſchen erlaͤutern wollen, mit den al-
”ten Philoſophen, welche die Wirkungen der Dinge
”in der Natur a priori demonſtriren wollten, ehe ſie
”noch die Natur durchſtudiret hatten, und dadurch
”die laͤcherlichſten Grillen in die Phyſik brachten.‛
Habe ich Unrecht, fuhr Sebaldus fort, wenn ich
Reisken, dem groͤßten Kenner der Arabiſchen Spra-
che, hierinn glaube?

Ey! rief der Fremde ziemlich entruͤſtet, Reiske
kann hievon nicht urtheilen; der Mann verſteht zwar
etwas Arabiſch, aber von dem Hebraͤiſchen und an-
dern orientaliſchen Sprachen, weiß er ſo viel als
nichts. Und Sie, mein guter Herr, der Sie von
allen dieſen gelehrten Sachen ganz und gar nichts
verſtehen, Sie ſollten davon auch ganz und gar nicht
urtheilen, ſondern Ehrfurcht fuͤr die Bemuͤhungen

gelehr-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0149" n="139"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201D;Lesart der Schule zu <hi rendition="#fr">al Kufah</hi> oder <hi rendition="#fr">al Ba&#x017F;rah</hi> &#x017F;ey,<lb/>
&#x201D;welches, wie er &#x017F;agt, ein &#x017F;o großer Unter&#x017F;chied i&#x017F;t,<lb/>
&#x201D;als zwi&#x017F;chen Lutheranern oder Katholiken. Er &#x017F;agt<lb/>
&#x201D;ausdru&#x0364;cklich, daß man noch einhundert Jahre hin-<lb/>
&#x201D;durch gute Arabi&#x017F;che Bu&#x0364;cher drucken, <hi rendition="#fr">und &#x017F;ich bis<lb/>
&#x201D;dahin die Lu&#x017F;t daru&#x0364;ber zu philo&#x017F;ophiren ganz<lb/>
&#x201D;vergehen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte.</hi> Er vergleicht, &#x017F;ehr tref-<lb/>
&#x201D;fend, die Theologen, die itzt &#x017F;chon das Hebra&#x0364;i&#x017F;che<lb/>
&#x201D;aus dem Arabi&#x017F;chen erla&#x0364;utern wollen, mit den al-<lb/>
&#x201D;ten Philo&#x017F;ophen, welche die Wirkungen der Dinge<lb/>
&#x201D;in der Natur <hi rendition="#aq">a priori</hi> demon&#x017F;triren wollten, ehe &#x017F;ie<lb/>
&#x201D;noch die Natur durch&#x017F;tudiret hatten, und dadurch<lb/>
&#x201D;die la&#x0364;cherlich&#x017F;ten Grillen in die Phy&#x017F;ik brachten.&#x201B;<lb/>
Habe ich Unrecht, fuhr <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> fort, wenn ich<lb/><hi rendition="#fr">Reisken,</hi> dem gro&#x0364;ßten Kenner der Arabi&#x017F;chen Spra-<lb/>
che, hierinn glaube?</p><lb/>
          <p>Ey! rief der Fremde ziemlich entru&#x0364;&#x017F;tet, <hi rendition="#fr">Reiske</hi><lb/>
kann hievon nicht urtheilen; der Mann ver&#x017F;teht zwar<lb/>
etwas Arabi&#x017F;ch, aber von dem Hebra&#x0364;i&#x017F;chen und an-<lb/>
dern orientali&#x017F;chen Sprachen, weiß er &#x017F;o viel als<lb/>
nichts. Und Sie, mein guter Herr, der Sie von<lb/>
allen die&#x017F;en gelehrten Sachen ganz und gar nichts<lb/>
ver&#x017F;tehen, Sie &#x017F;ollten davon auch ganz und gar nicht<lb/>
urtheilen, &#x017F;ondern Ehrfurcht fu&#x0364;r die Bemu&#x0364;hungen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gelehr-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0149] ”Lesart der Schule zu al Kufah oder al Baſrah ſey, ”welches, wie er ſagt, ein ſo großer Unterſchied iſt, ”als zwiſchen Lutheranern oder Katholiken. Er ſagt ”ausdruͤcklich, daß man noch einhundert Jahre hin- ”durch gute Arabiſche Buͤcher drucken, und ſich bis ”dahin die Luſt daruͤber zu philoſophiren ganz ”vergehen laſſen ſollte. Er vergleicht, ſehr tref- ”fend, die Theologen, die itzt ſchon das Hebraͤiſche ”aus dem Arabiſchen erlaͤutern wollen, mit den al- ”ten Philoſophen, welche die Wirkungen der Dinge ”in der Natur a priori demonſtriren wollten, ehe ſie ”noch die Natur durchſtudiret hatten, und dadurch ”die laͤcherlichſten Grillen in die Phyſik brachten.‛ Habe ich Unrecht, fuhr Sebaldus fort, wenn ich Reisken, dem groͤßten Kenner der Arabiſchen Spra- che, hierinn glaube? Ey! rief der Fremde ziemlich entruͤſtet, Reiske kann hievon nicht urtheilen; der Mann verſteht zwar etwas Arabiſch, aber von dem Hebraͤiſchen und an- dern orientaliſchen Sprachen, weiß er ſo viel als nichts. Und Sie, mein guter Herr, der Sie von allen dieſen gelehrten Sachen ganz und gar nichts verſtehen, Sie ſollten davon auch ganz und gar nicht urtheilen, ſondern Ehrfurcht fuͤr die Bemuͤhungen gelehr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/149
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/149>, abgerufen am 24.11.2024.