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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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,Jn großer Furcht und Schrecken, in finstrer Dun-
"kelheit, wird die Verdammten decken, Angst, Grauen,
"Traurigkeit, die Zähne werden klappen für Frost und
"großer Hitz, und werden blindlings tappen, nach einem
"frischen Sitz.'

,Sie werden ewig fallen ins Loch, das keinen
"Grund, und auf einander prallen zusammen in den
"Schlund, sich beißen, fressen, nagen, sich fluchen, lä-
"stern stets, der Tod wird sie recht plagen, ohn Ende t
"Seht, so gehts.'

,So geht es den Verfluchten in ihrem Höllenloch,
"den Schlemmern und Verruchten, ach gläubets, gläu-
"bets doch, wollt ihr daran noch zweifeln? so wahr ists,
"so wahr Gott, ihr fahret zu den Teufeln, wo ihr das
"halt't für Spott!'

Dieß Lied sang Sebaldus nicht mit, vielmehr
zeigte er unter Absingung desselben sichtbare Kennzei-
chen der Ungeduld. Nach dessen Endigung, gerieth
er einige Minuten lang in ein tiefes Nachsinnen, und
fragte endlich seinen Mitwanderer:

,Sind Sie denn also ein Wiedergebohrner?'

,Ja, antwortete er, mit sehr sanfter Stimme,
"das bin ich durch Gottes Gnade. Vor drey Jahren
"den 11ten September, Nachmittags um 5. Uhr,
"hatte ich zuerst das selige innere Gefühl der Gnade,

die


‚Jn großer Furcht und Schrecken, in finſtrer Dun-
”kelheit, wird die Verdammten decken, Angſt, Grauen,
”Traurigkeit, die Zaͤhne werden klappen fuͤr Froſt und
”großer Hitz, und werden blindlings tappen, nach einem
”friſchen Sitz.‛

‚Sie werden ewig fallen ins Loch, das keinen
”Grund, und auf einander prallen zuſammen in den
”Schlund, ſich beißen, freſſen, nagen, ſich fluchen, laͤ-
”ſtern ſtets, der Tod wird ſie recht plagen, ohn Ende t
”Seht, ſo gehts.‛

‚So geht es den Verfluchten in ihrem Hoͤllenloch,
”den Schlemmern und Verruchten, ach glaͤubets, glaͤu-
”bets doch, wollt ihr daran noch zweifeln? ſo wahr iſts,
”ſo wahr Gott, ihr fahret zu den Teufeln, wo ihr das
”halt’t fuͤr Spott!‛

Dieß Lied ſang Sebaldus nicht mit, vielmehr
zeigte er unter Abſingung deſſelben ſichtbare Kennzei-
chen der Ungeduld. Nach deſſen Endigung, gerieth
er einige Minuten lang in ein tiefes Nachſinnen, und
fragte endlich ſeinen Mitwanderer:

‚Sind Sie denn alſo ein Wiedergebohrner?‛

‚Ja, antwortete er, mit ſehr ſanfter Stimme,
”das bin ich durch Gottes Gnade. Vor drey Jahren
”den 11ten September, Nachmittags um 5. Uhr,
”hatte ich zuerſt das ſelige innere Gefuͤhl der Gnade,

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[11/0015] ‚Jn großer Furcht und Schrecken, in finſtrer Dun- ”kelheit, wird die Verdammten decken, Angſt, Grauen, ”Traurigkeit, die Zaͤhne werden klappen fuͤr Froſt und ”großer Hitz, und werden blindlings tappen, nach einem ”friſchen Sitz.‛ ‚Sie werden ewig fallen ins Loch, das keinen ”Grund, und auf einander prallen zuſammen in den ”Schlund, ſich beißen, freſſen, nagen, ſich fluchen, laͤ- ”ſtern ſtets, der Tod wird ſie recht plagen, ohn Ende t ”Seht, ſo gehts.‛ ‚So geht es den Verfluchten in ihrem Hoͤllenloch, ”den Schlemmern und Verruchten, ach glaͤubets, glaͤu- ”bets doch, wollt ihr daran noch zweifeln? ſo wahr iſts, ”ſo wahr Gott, ihr fahret zu den Teufeln, wo ihr das ”halt’t fuͤr Spott!‛ Dieß Lied ſang Sebaldus nicht mit, vielmehr zeigte er unter Abſingung deſſelben ſichtbare Kennzei- chen der Ungeduld. Nach deſſen Endigung, gerieth er einige Minuten lang in ein tiefes Nachſinnen, und fragte endlich ſeinen Mitwanderer: ‚Sind Sie denn alſo ein Wiedergebohrner?‛ ‚Ja, antwortete er, mit ſehr ſanfter Stimme, ”das bin ich durch Gottes Gnade. Vor drey Jahren ”den 11ten September, Nachmittags um 5. Uhr, ”hatte ich zuerſt das ſelige innere Gefuͤhl der Gnade, die

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/15>, abgerufen am 21.11.2024.