Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.saune erfunden zu haben. Er hieng sonderlich diesem letztern Vergnügen so stark nach, daß er, nach ge- raumer Zeit, aus untrieglichen Kennzeichen merkte, er sey auf einem ganz andern Wege, als auf dem er gekommen war; denn er befand sich dicht vor einem andern Dorfe, und merkte, aus der Höhe der Sonne, es sey wirklich Mittag. Er eilte also zurück, und fand, zu seinem großen Erstaunen, daß die Gesellschaft noch nicht angekommen war. Er befürchtete, ihr möchte ein Unglück begegnet seyn, er foderte sein Pferd, um ihr ent- gegen zu reiten. Aber wie erstaunte er, da niemand von seinem Pferde etwas wissen wollte. Er hatte, wie es scheint, einen fremden Kerl für einen Knecht aus dem Hause angesehen, und ihm sein Pferd ge- geben, der sich aber, so bald er sahe, daß Sebaldus im Hause war, darauf geschwungen und es fortgerit- ten hatte. Er war also um seine Gesellschaft und um sein Pferd gekommen, und hatte zum Troste nichts, als seine apokalyptische Entdeckung, und ein übergahres Mittagsessen auf vier Personen, davon er sich, so hungrig er war, doch nicht zu essen ge- trauete, weil er immer noch auf die Ankunft seiner Ge- sellschaft hoffte. Endlich nöthigte ihn der Hunger doch, sein Antheil davon zu verzehren, und die Wir- thinn nöthigte ihn, das ganze zu bezahlen. Er O 3
ſaune erfunden zu haben. Er hieng ſonderlich dieſem letztern Vergnuͤgen ſo ſtark nach, daß er, nach ge- raumer Zeit, aus untrieglichen Kennzeichen merkte, er ſey auf einem ganz andern Wege, als auf dem er gekommen war; denn er befand ſich dicht vor einem andern Dorfe, und merkte, aus der Hoͤhe der Sonne, es ſey wirklich Mittag. Er eilte alſo zuruͤck, und fand, zu ſeinem großen Erſtaunen, daß die Geſellſchaft noch nicht angekommen war. Er befuͤrchtete, ihr moͤchte ein Ungluͤck begegnet ſeyn, er foderte ſein Pferd, um ihr ent- gegen zu reiten. Aber wie erſtaunte er, da niemand von ſeinem Pferde etwas wiſſen wollte. Er hatte, wie es ſcheint, einen fremden Kerl fuͤr einen Knecht aus dem Hauſe angeſehen, und ihm ſein Pferd ge- geben, der ſich aber, ſo bald er ſahe, daß Sebaldus im Hauſe war, darauf geſchwungen und es fortgerit- ten hatte. Er war alſo um ſeine Geſellſchaft und um ſein Pferd gekommen, und hatte zum Troſte nichts, als ſeine apokalyptiſche Entdeckung, und ein uͤbergahres Mittagseſſen auf vier Perſonen, davon er ſich, ſo hungrig er war, doch nicht zu eſſen ge- trauete, weil er immer noch auf die Ankunft ſeiner Ge- ſellſchaft hoffte. Endlich noͤthigte ihn der Hunger doch, ſein Antheil davon zu verzehren, und die Wir- thinn noͤthigte ihn, das ganze zu bezahlen. Er O 3
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raumer Zeit, aus untrieglichen Kennzeichen merkte,
er ſey auf einem ganz andern Wege, als auf dem er
gekommen war; denn er befand ſich dicht vor einem
andern Dorfe, und merkte, aus der Hoͤhe der Sonne,
es ſey wirklich Mittag. Er eilte alſo zuruͤck, und fand,
zu ſeinem großen Erſtaunen, daß die Geſellſchaft noch
nicht angekommen war. Er befuͤrchtete, ihr moͤchte ein
Ungluͤck begegnet ſeyn, er foderte ſein Pferd, um ihr ent-
gegen zu reiten. Aber wie erſtaunte er, da niemand
von ſeinem Pferde etwas wiſſen wollte. Er hatte,
wie es ſcheint, einen fremden Kerl fuͤr einen Knecht
aus dem Hauſe angeſehen, und ihm ſein Pferd ge-
geben, der ſich aber, ſo bald er ſahe, daß Sebaldus
im Hauſe war, darauf geſchwungen und es fortgerit-
ten hatte. Er war alſo um ſeine Geſellſchaft und
um ſein Pferd gekommen, und hatte zum Troſte
nichts, als ſeine apokalyptiſche Entdeckung, und ein
uͤbergahres Mittagseſſen auf vier Perſonen, davon
er ſich, ſo hungrig er war, doch nicht zu eſſen ge-
trauete, weil er immer noch auf die Ankunft ſeiner Ge-
ſellſchaft hoffte. Endlich noͤthigte ihn der Hunger
doch, ſein Antheil davon zu verzehren, und die Wir-
thinn noͤthigte ihn, das ganze zu bezahlen.
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