Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.men, von Kopien und Abgüssen alter Statuen und Basrelieffe, und von allerhand ächten und unächten Griechischen und Römischen Alterthümern an. Diese Sammlung zu vermehren, zu ordnen, seinen Besu- chern zu zeigen, und darüber zu schwatzen, war seine hauptsächlichste, einer verständigen und gelehrten so ähnlich scheinende Beschäfftigung, daß er sich oft selbst einbildete, er habe Verstand und Gelehrsamkeit. Frey- lich gieng es ihm mit seinem Kabinette zuweilen, wie sonst mit seinem Kleiderputze. Bey diesem mußte oft Straß anstatt Juwelen, Plüsch statt Sammet, und ein bunter Lack von Martin, statt Goldes die- nen. Eben so war auch jenes, anstatt wahrer Al- terthümer, Münzen und Gemmen, meist mit aller- hand Lumpenzeuge angefüllt, welches den größten Werth davon hatte, daß es zerbrochen, beschmutzt und unbrauchbar war. Der kleine Mann war aber in allen antiquarischen Kenntnissen, durch die er hätte einsehen können, daß seine Alterthümer lange nicht alt genug wären, glücklicherweise so unwissend, daß ihm seine älten Lampen, Urnen, Opferbeile, Schei- demünzen und Petschafte, vollkommen eben das Ver- gnügen machten, was sie einem ächten Alterthums- kenner würden gemacht haben, wenn sie tausend Jahre älter gewesen wären. Er hatte weiter keine Kennt- O 4
men, von Kopien und Abguͤſſen alter Statuen und Basrelieffe, und von allerhand aͤchten und unaͤchten Griechiſchen und Roͤmiſchen Alterthuͤmern an. Dieſe Sammlung zu vermehren, zu ordnen, ſeinen Beſu- chern zu zeigen, und daruͤber zu ſchwatzen, war ſeine hauptſaͤchlichſte, einer verſtaͤndigen und gelehrten ſo aͤhnlich ſcheinende Beſchaͤfftigung, daß er ſich oft ſelbſt einbildete, er habe Verſtand und Gelehrſamkeit. Frey- lich gieng es ihm mit ſeinem Kabinette zuweilen, wie ſonſt mit ſeinem Kleiderputze. Bey dieſem mußte oft Straß anſtatt Juwelen, Pluͤſch ſtatt Sammet, und ein bunter Lack von Martin, ſtatt Goldes die- nen. Eben ſo war auch jenes, anſtatt wahrer Al- terthuͤmer, Muͤnzen und Gemmen, meiſt mit aller- hand Lumpenzeuge angefuͤllt, welches den groͤßten Werth davon hatte, daß es zerbrochen, beſchmutzt und unbrauchbar war. Der kleine Mann war aber in allen antiquariſchen Kenntniſſen, durch die er haͤtte einſehen koͤnnen, daß ſeine Alterthuͤmer lange nicht alt genug waͤren, gluͤcklicherweiſe ſo unwiſſend, daß ihm ſeine aͤlten Lampen, Urnen, Opferbeile, Schei- demuͤnzen und Petſchafte, vollkommen eben das Ver- gnuͤgen machten, was ſie einem aͤchten Alterthums- kenner wuͤrden gemacht haben, wenn ſie tauſend Jahre aͤlter geweſen waͤren. Er hatte weiter keine Kennt- O 4
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Basrelieffe, und von allerhand aͤchten und unaͤchten
Griechiſchen und Roͤmiſchen Alterthuͤmern an. Dieſe
Sammlung zu vermehren, zu ordnen, ſeinen Beſu-
chern zu zeigen, und daruͤber zu ſchwatzen, war ſeine
hauptſaͤchlichſte, einer verſtaͤndigen und gelehrten ſo
aͤhnlich ſcheinende Beſchaͤfftigung, daß er ſich oft ſelbſt
einbildete, er habe Verſtand und Gelehrſamkeit. Frey-
lich gieng es ihm mit ſeinem Kabinette zuweilen, wie
ſonſt mit ſeinem Kleiderputze. Bey dieſem mußte oft
Straß anſtatt Juwelen, Pluͤſch ſtatt Sammet,
und ein bunter Lack von Martin, ſtatt Goldes die-
nen. Eben ſo war auch jenes, anſtatt wahrer Al-
terthuͤmer, Muͤnzen und Gemmen, meiſt mit aller-
hand Lumpenzeuge angefuͤllt, welches den groͤßten
Werth davon hatte, daß es zerbrochen, beſchmutzt und
unbrauchbar war. Der kleine Mann war aber in
allen antiquariſchen Kenntniſſen, durch die er haͤtte
einſehen koͤnnen, daß ſeine Alterthuͤmer lange nicht
alt genug waͤren, gluͤcklicherweiſe ſo unwiſſend, daß
ihm ſeine aͤlten Lampen, Urnen, Opferbeile, Schei-
demuͤnzen und Petſchafte, vollkommen eben das Ver-
gnuͤgen machten, was ſie einem aͤchten Alterthums-
kenner wuͤrden gemacht haben, wenn ſie tauſend
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