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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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Kenntnisse, als die er aus einigen Kompendien und
Journalen aufraffte, und die ihm diejenigen einpräg-
ten, die ihm Münzen und Gemmen verkauften. Er
fand diese auch zu seinem Zwecke, sich als eine wich-
tige Person zu fühlen, so vollkommen hinlänglich,
daß er nicht daran dachte, andere und bessere zu er-
werben; zumal da er noch dabey die glückliche Gabe
hatte, wenn er gelehrte Leute reden hörte, still zu
schweigen, und das, was sie gesagt hatten, in der
nächsten Vierteistunde wörtlich, als seine eignen Ge-
danken, zu wiederholen, welches in vielen Vorfällen
beynahe eben die Dienste that, als ob er selbst gedacht
und geurtheilt hätte.

Der hochwohlgeborne Kenner empfieng den Se-
baldus
mitten in seinem Kabinette, wo alle seine
Herrlichkeiten zur Schau ausgestellt waren, sitzend
auf einer Sella curulis, nicht zwar von Elfenbein, doch
aber von weiß angestrichnem Holze, mit bloßem halb-
geschornem Haupte, wie ein Römischer Konsul, und
in einem Schlafrocke, der nach dem ächten Modell einer
Trabea zugeschnitten war, welches ihm, gegen reich-
liche Bezahlung, von einem gelehrten Professor, war
mitgetheilt worden, der ausdrücklich die Schneider-
kunst gelernt hatte, um den ächten Schnitt dieses Rö-
mischen Feyerkleides endlich einmal herauszubringen;

wel-



Kenntniſſe, als die er aus einigen Kompendien und
Journalen aufraffte, und die ihm diejenigen einpraͤg-
ten, die ihm Muͤnzen und Gemmen verkauften. Er
fand dieſe auch zu ſeinem Zwecke, ſich als eine wich-
tige Perſon zu fuͤhlen, ſo vollkommen hinlaͤnglich,
daß er nicht daran dachte, andere und beſſere zu er-
werben; zumal da er noch dabey die gluͤckliche Gabe
hatte, wenn er gelehrte Leute reden hoͤrte, ſtill zu
ſchweigen, und das, was ſie geſagt hatten, in der
naͤchſten Vierteiſtunde woͤrtlich, als ſeine eignen Ge-
danken, zu wiederholen, welches in vielen Vorfaͤllen
beynahe eben die Dienſte that, als ob er ſelbſt gedacht
und geurtheilt haͤtte.

Der hochwohlgeborne Kenner empfieng den Se-
baldus
mitten in ſeinem Kabinette, wo alle ſeine
Herrlichkeiten zur Schau ausgeſtellt waren, ſitzend
auf einer Sella curulis, nicht zwar von Elfenbein, doch
aber von weiß angeſtrichnem Holze, mit bloßem halb-
geſchornem Haupte, wie ein Roͤmiſcher Konſul, und
in einem Schlafrocke, der nach dem aͤchten Modell einer
Trabea zugeſchnitten war, welches ihm, gegen reich-
liche Bezahlung, von einem gelehrten Profeſſor, war
mitgetheilt worden, der ausdruͤcklich die Schneider-
kunſt gelernt hatte, um den aͤchten Schnitt dieſes Roͤ-
miſchen Feyerkleides endlich einmal herauszubringen;

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[212/0224] Kenntniſſe, als die er aus einigen Kompendien und Journalen aufraffte, und die ihm diejenigen einpraͤg- ten, die ihm Muͤnzen und Gemmen verkauften. Er fand dieſe auch zu ſeinem Zwecke, ſich als eine wich- tige Perſon zu fuͤhlen, ſo vollkommen hinlaͤnglich, daß er nicht daran dachte, andere und beſſere zu er- werben; zumal da er noch dabey die gluͤckliche Gabe hatte, wenn er gelehrte Leute reden hoͤrte, ſtill zu ſchweigen, und das, was ſie geſagt hatten, in der naͤchſten Vierteiſtunde woͤrtlich, als ſeine eignen Ge- danken, zu wiederholen, welches in vielen Vorfaͤllen beynahe eben die Dienſte that, als ob er ſelbſt gedacht und geurtheilt haͤtte. Der hochwohlgeborne Kenner empfieng den Se- baldus mitten in ſeinem Kabinette, wo alle ſeine Herrlichkeiten zur Schau ausgeſtellt waren, ſitzend auf einer Sella curulis, nicht zwar von Elfenbein, doch aber von weiß angeſtrichnem Holze, mit bloßem halb- geſchornem Haupte, wie ein Roͤmiſcher Konſul, und in einem Schlafrocke, der nach dem aͤchten Modell einer Trabea zugeſchnitten war, welches ihm, gegen reich- liche Bezahlung, von einem gelehrten Profeſſor, war mitgetheilt worden, der ausdruͤcklich die Schneider- kunſt gelernt hatte, um den aͤchten Schnitt dieſes Roͤ- miſchen Feyerkleides endlich einmal herauszubringen; wel-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/224>, abgerufen am 21.11.2024.