Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.hatte, so konnte er sein Amt beynahe ganz mechanisch ausüben. Die Zeit, die ihm davon übrig blieb, brach- te er, zur Motion, mit Graben und Pflanzen in sei- nem Pfarrgarten zu; denn er war ein großer Ken- ner und Liebhaber von allen raren Nelkenarten und Tulpenzwiebeln, und zog sie in großer Volkommen- heit. Eine unverdächtige Beschäfftigung. Denn man will bemerkt haben, daß die Liebhaber derselben we- der in der Kirche noch in dem Staate Unruhen zu er- regen pflegen. Er hielt auch viel auf Federvieh, wel- ches er täglich selbst zu füttern, und seine tolligen Hühner, eine nach der andern, beym Namen zu sich zu rufen pflegte. Daneben hatte er auch einen schö- nen Taubenschlag, der ihm manche halbe Stunde vertrieb. Bibelfest war er sehr, und konnte bey al- ler Gelegenheit Sprüche anführen; welches ihm, wenn sich der Jnnhalt auch gar nicht zur Sache schickte, sondern nur etwan ein Wort einen ähnli- chen Klang hatte, nicht unerbaulich schien. Sonst las er eben nicht sonderlich viel Bücher, und weil er meist aus dem Stegereife predigte, so kam auch das Schreiben selten an ihn, außer, daß er akkurate Li- sten von allen bey ihm beichtenden Kommunikanten hielt, und selbige wöchentlich nachtrug. Er hatte sie in so guter Ordnung, daß er mit Einem Blicke über- sehen
hatte, ſo konnte er ſein Amt beynahe ganz mechaniſch ausuͤben. Die Zeit, die ihm davon uͤbrig blieb, brach- te er, zur Motion, mit Graben und Pflanzen in ſei- nem Pfarrgarten zu; denn er war ein großer Ken- ner und Liebhaber von allen raren Nelkenarten und Tulpenzwiebeln, und zog ſie in großer Volkommen- heit. Eine unverdaͤchtige Beſchaͤfftigung. Denn man will bemerkt haben, daß die Liebhaber derſelben we- der in der Kirche noch in dem Staate Unruhen zu er- regen pflegen. Er hielt auch viel auf Federvieh, wel- ches er taͤglich ſelbſt zu fuͤttern, und ſeine tolligen Huͤhner, eine nach der andern, beym Namen zu ſich zu rufen pflegte. Daneben hatte er auch einen ſchoͤ- nen Taubenſchlag, der ihm manche halbe Stunde vertrieb. Bibelfeſt war er ſehr, und konnte bey al- ler Gelegenheit Spruͤche anfuͤhren; welches ihm, wenn ſich der Jnnhalt auch gar nicht zur Sache ſchickte, ſondern nur etwan ein Wort einen aͤhnli- chen Klang hatte, nicht unerbaulich ſchien. Sonſt las er eben nicht ſonderlich viel Buͤcher, und weil er meiſt aus dem Stegereife predigte, ſo kam auch das Schreiben ſelten an ihn, außer, daß er akkurate Li- ſten von allen bey ihm beichtenden Kommunikanten hielt, und ſelbige woͤchentlich nachtrug. Er hatte ſie in ſo guter Ordnung, daß er mit Einem Blicke uͤber- ſehen
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hatte, ſo konnte er ſein Amt beynahe ganz mechaniſch
ausuͤben. Die Zeit, die ihm davon uͤbrig blieb, brach-
te er, zur Motion, mit Graben und Pflanzen in ſei-
nem Pfarrgarten zu; denn er war ein großer Ken-
ner und Liebhaber von allen raren Nelkenarten und
Tulpenzwiebeln, und zog ſie in großer Volkommen-
heit. Eine unverdaͤchtige Beſchaͤfftigung. Denn man
will bemerkt haben, daß die Liebhaber derſelben we-
der in der Kirche noch in dem Staate Unruhen zu er-
regen pflegen. Er hielt auch viel auf Federvieh, wel-
ches er taͤglich ſelbſt zu fuͤttern, und ſeine tolligen
Huͤhner, eine nach der andern, beym Namen zu ſich
zu rufen pflegte. Daneben hatte er auch einen ſchoͤ-
nen Taubenſchlag, der ihm manche halbe Stunde
vertrieb. Bibelfeſt war er ſehr, und konnte bey al-
ler Gelegenheit Spruͤche anfuͤhren; welches ihm,
wenn ſich der Jnnhalt auch gar nicht zur Sache
ſchickte, ſondern nur etwan ein Wort einen aͤhnli-
chen Klang hatte, nicht unerbaulich ſchien. Sonſt
las er eben nicht ſonderlich viel Buͤcher, und weil er
meiſt aus dem Stegereife predigte, ſo kam auch das
Schreiben ſelten an ihn, außer, daß er akkurate Li-
ſten von allen bey ihm beichtenden Kommunikanten
hielt, und ſelbige woͤchentlich nachtrug. Er hatte ſie
in ſo guter Ordnung, daß er mit Einem Blicke uͤber-
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