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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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erhalten hoffen konnte, so gab er sich die Mühe, die
[e]r sich sonst nicht leicht gab, einen Versuch zu ma-
chen, ihn zu überzeugen, daß er sich auf einer ge-
fährlichen Lehre habe betreten lassen, der er nothwen-
dig absagen müsse.

Seb. Und was ist an dieser Lehre verwerfliches?
Gebietet uns nicht die Schrift, unsern Nächsten
zu lieben, als uns selbst?
Jst davon derjenige un-
serer Nebenmenschen ausgenommen, der in Glau-
benssachen anders denkt, als wir?

Mackl. Dieß will ich nun freylich eben nicht sa-
gen; nur dünkt mich, in Absicht auf die Sektirer ists
[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] gesagt, daß sie unsere Nächsten seyn
sollen. Wir mögen sie immer lieben, wenn sie nur!
weit weg sind. Wenigstens in dieser guten Stadt ist
es nun einmal der Grundverfassung gemäß, daß nur
bloß rechtgläubige Lutheraner darinn wohnen können,
und dabey muß man fest halten. Es ist also hier sehr
bedenklich, zu predigen, daß man die Jrrgläubigen
lieben soll; denn wenn sie erst wissen, daß wir sie lie-
ben, so werden sie auch bey uns wohnen wollen. Da
gehts denn immer weiter. Dann würden auch
symbolischen Bücher kaum mehr helfen, und es
würde keine Einigkeit und Reinigkeit der Lehre mehr
da seyn. Haben sich nicht so bey uns die Kalvinischen

Tuch-



erhalten hoffen konnte, ſo gab er ſich die Muͤhe, die
[e]r ſich ſonſt nicht leicht gab, einen Verſuch zu ma-
chen, ihn zu uͤberzeugen, daß er ſich auf einer ge-
faͤhrlichen Lehre habe betreten laſſen, der er nothwen-
dig abſagen muͤſſe.

Seb. Und was iſt an dieſer Lehre verwerfliches?
Gebietet uns nicht die Schrift, unſern Naͤchſten
zu lieben, als uns ſelbſt?
Jſt davon derjenige un-
ſerer Nebenmenſchen ausgenommen, der in Glau-
bensſachen anders denkt, als wir?

Mackl. Dieß will ich nun freylich eben nicht ſa-
gen; nur duͤnkt mich, in Abſicht auf die Sektirer iſts
[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] geſagt, daß ſie unſere Naͤchſten ſeyn
ſollen. Wir moͤgen ſie immer lieben, wenn ſie nur!
weit weg ſind. Wenigſtens in dieſer guten Stadt iſt
es nun einmal der Grundverfaſſung gemaͤß, daß nur
bloß rechtglaͤubige Lutheraner darinn wohnen koͤnnen,
und dabey muß man feſt halten. Es iſt alſo hier ſehr
bedenklich, zu predigen, daß man die Jrrglaͤubigen
lieben ſoll; denn wenn ſie erſt wiſſen, daß wir ſie lie-
ben, ſo werden ſie auch bey uns wohnen wollen. Da
gehts denn immer weiter. Dann wuͤrden auch
ſymboliſchen Buͤcher kaum mehr helfen, und es
wuͤrde keine Einigkeit und Reinigkeit der Lehre mehr
da ſeyn. Haben ſich nicht ſo bey uns die Kalviniſchen

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[231/0243] erhalten hoffen konnte, ſo gab er ſich die Muͤhe, die er ſich ſonſt nicht leicht gab, einen Verſuch zu ma- chen, ihn zu uͤberzeugen, daß er ſich auf einer ge- faͤhrlichen Lehre habe betreten laſſen, der er nothwen- dig abſagen muͤſſe. Seb. Und was iſt an dieſer Lehre verwerfliches? Gebietet uns nicht die Schrift, unſern Naͤchſten zu lieben, als uns ſelbſt? Jſt davon derjenige un- ſerer Nebenmenſchen ausgenommen, der in Glau- bensſachen anders denkt, als wir? Mackl. Dieß will ich nun freylich eben nicht ſa- gen; nur duͤnkt mich, in Abſicht auf die Sektirer iſts _ geſagt, daß ſie unſere Naͤchſten ſeyn ſollen. Wir moͤgen ſie immer lieben, wenn ſie nur! weit weg ſind. Wenigſtens in dieſer guten Stadt iſt es nun einmal der Grundverfaſſung gemaͤß, daß nur bloß rechtglaͤubige Lutheraner darinn wohnen koͤnnen, und dabey muß man feſt halten. Es iſt alſo hier ſehr bedenklich, zu predigen, daß man die Jrrglaͤubigen lieben ſoll; denn wenn ſie erſt wiſſen, daß wir ſie lie- ben, ſo werden ſie auch bey uns wohnen wollen. Da gehts denn immer weiter. Dann wuͤrden auch ſymboliſchen Buͤcher kaum mehr helfen, und es wuͤrde keine Einigkeit und Reinigkeit der Lehre mehr da ſeyn. Haben ſich nicht ſo bey uns die Kalviniſchen Tuch-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/243>, abgerufen am 24.11.2024.