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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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Tuchmacher eingenistelt? Was half das Widerspre-
chen? Selbst der billige Vorschlag wurde verworfen,
daß jede Kalvinistische Feuerstelle dem Pastor ihres Kirch-
spiels jährlich einen Portugalöser abgeben sollte, weil
doch sonst die Jura Stolae litten, indem auf demselben
Flecke ein rechtgläubiger Lutheraner hätte wohnen
können. Ach! lieber Herr Magister, bey der einmal
festgesetzten Grundverfassung muß man halten, es
geht sonst nicht.

Seb. Und doch steht von solchen Grundverfassun-
gen, die unserm Nebenmenschen nicht die Luft gön-
nen wollen, im ganzen Neuen Testamente nicht ein
Wort. Jura Stolae, symbolische Bücher, und derglei-
Dinge mehr, sind auch darinn nicht geboten.

Viel Disputirens war Mackligius Sache nicht.
Er wollte sich also weiter nicht auf Gründe ein-
lassen, sondern rief nur ängstlich aus: ,Die Grund-
"verfassung unserer Stadt ist einmal nicht zu ändern.
"Auf die symbolischen Bücher sind wir auch verpflich-
"tet. Man muß keine Neuerungen gestatten. Die
"Verbindung ist einmal unverbrüchlich festgesetzt, und
"eidlich bestätiget, daß wir bey der alten Lehre blei-
"ben, und uns jeder fremden Lehre standhaft wider-
"setzen wollen; und nun kann man nicht wieder un-
"tersuchen, sondern die Sache muß ganz und gar ihr

Bewen-



Tuchmacher eingeniſtelt? Was half das Widerſpre-
chen? Selbſt der billige Vorſchlag wurde verworfen,
daß jede Kalviniſtiſche Feuerſtelle dem Paſtor ihres Kirch-
ſpiels jaͤhrlich einen Portugaloͤſer abgeben ſollte, weil
doch ſonſt die Jura Stolæ litten, indem auf demſelben
Flecke ein rechtglaͤubiger Lutheraner haͤtte wohnen
koͤnnen. Ach! lieber Herr Magiſter, bey der einmal
feſtgeſetzten Grundverfaſſung muß man halten, es
geht ſonſt nicht.

Seb. Und doch ſteht von ſolchen Grundverfaſſun-
gen, die unſerm Nebenmenſchen nicht die Luft goͤn-
nen wollen, im ganzen Neuen Teſtamente nicht ein
Wort. Jura Stolæ, ſymboliſche Buͤcher, und derglei-
Dinge mehr, ſind auch darinn nicht geboten.

Viel Diſputirens war Mackligius Sache nicht.
Er wollte ſich alſo weiter nicht auf Gruͤnde ein-
laſſen, ſondern rief nur aͤngſtlich aus: ‚Die Grund-
”verfaſſung unſerer Stadt iſt einmal nicht zu aͤndern.
”Auf die ſymboliſchen Buͤcher ſind wir auch verpflich-
”tet. Man muß keine Neuerungen geſtatten. Die
”Verbindung iſt einmal unverbruͤchlich feſtgeſetzt, und
”eidlich beſtaͤtiget, daß wir bey der alten Lehre blei-
”ben, und uns jeder fremden Lehre ſtandhaft wider-
”ſetzen wollen; und nun kann man nicht wieder un-
”terſuchen, ſondern die Sache muß ganz und gar ihr

Bewen-
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[232/0244] Tuchmacher eingeniſtelt? Was half das Widerſpre- chen? Selbſt der billige Vorſchlag wurde verworfen, daß jede Kalviniſtiſche Feuerſtelle dem Paſtor ihres Kirch- ſpiels jaͤhrlich einen Portugaloͤſer abgeben ſollte, weil doch ſonſt die Jura Stolæ litten, indem auf demſelben Flecke ein rechtglaͤubiger Lutheraner haͤtte wohnen koͤnnen. Ach! lieber Herr Magiſter, bey der einmal feſtgeſetzten Grundverfaſſung muß man halten, es geht ſonſt nicht. Seb. Und doch ſteht von ſolchen Grundverfaſſun- gen, die unſerm Nebenmenſchen nicht die Luft goͤn- nen wollen, im ganzen Neuen Teſtamente nicht ein Wort. Jura Stolæ, ſymboliſche Buͤcher, und derglei- Dinge mehr, ſind auch darinn nicht geboten. Viel Diſputirens war Mackligius Sache nicht. Er wollte ſich alſo weiter nicht auf Gruͤnde ein- laſſen, ſondern rief nur aͤngſtlich aus: ‚Die Grund- ”verfaſſung unſerer Stadt iſt einmal nicht zu aͤndern. ”Auf die ſymboliſchen Buͤcher ſind wir auch verpflich- ”tet. Man muß keine Neuerungen geſtatten. Die ”Verbindung iſt einmal unverbruͤchlich feſtgeſetzt, und ”eidlich beſtaͤtiget, daß wir bey der alten Lehre blei- ”ben, und uns jeder fremden Lehre ſtandhaft wider- ”ſetzen wollen; und nun kann man nicht wieder un- ”terſuchen, ſondern die Sache muß ganz und gar ihr Bewen-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/244>, abgerufen am 21.11.2024.