Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.Wenn Sie hätten weißagen wollen, so hätten Sie "müssen vor drey oder vier Jahren kommen, als wir "noch Krieg hatten. Da galten noch die Weißagun- "gen etwas. Und doch ist die Frage: ob nicht Pfan- "nenstiel, der Leinweber, weit über Sie gewe- "sen seyn würde, welcher nicht allein die Schlacht bey "Zorndorf auf den Tag vorher sagte, da sie wirklich "geschah, sondern auch, was noch mehr war, den "Gesaug, der den darauf folgenden Sonntag in der "Kirche gesungen werden sollte. Nein! mit Weißa- "gungen kommen wir nun in Berlin nicht mehr fort. "Verstehen Sie nichts anders? Können Sie Franzö- "sisch, können Sie rechnen, können Sie tanzen, kön- "nen Sie den Hunden den Tellwurm schneiden? Dieß "sind Künste, die ihren Mann ernähren.' ,Von alle dem verstehe ich nichts, sagte Sebal- ,Halt, mein Freund, damit kommen wir weiter, können. D 2
Wenn Sie haͤtten weißagen wollen, ſo haͤtten Sie ”muͤſſen vor drey oder vier Jahren kommen, als wir ”noch Krieg hatten. Da galten noch die Weißagun- ”gen etwas. Und doch iſt die Frage: ob nicht Pfan- ”nenſtiel, der Leinweber, weit uͤber Sie gewe- ”ſen ſeyn wuͤrde, welcher nicht allein die Schlacht bey ”Zorndorf auf den Tag vorher ſagte, da ſie wirklich ”geſchah, ſondern auch, was noch mehr war, den ”Geſaug, der den darauf folgenden Sonntag in der ”Kirche geſungen werden ſollte. Nein! mit Weißa- ”gungen kommen wir nun in Berlin nicht mehr fort. ”Verſtehen Sie nichts anders? Koͤnnen Sie Franzoͤ- ”ſiſch, koͤnnen Sie rechnen, koͤnnen Sie tanzen, koͤn- ”nen Sie den Hunden den Tellwurm ſchneiden? Dieß ”ſind Kuͤnſte, die ihren Mann ernaͤhren.‛ ‚Von alle dem verſtehe ich nichts, ſagte Sebal- ‚Halt, mein Freund, damit kommen wir weiter, koͤnnen. D 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0053" n="47"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Wenn Sie haͤtten weißagen wollen, ſo haͤtten Sie<lb/> ”muͤſſen vor drey oder vier Jahren kommen, als wir<lb/> ”noch Krieg hatten. Da galten noch die Weißagun-<lb/> ”gen etwas. Und doch iſt die Frage: ob nicht <hi rendition="#fr">Pfan-<lb/> ”nenſtiel, der Leinweber,</hi> weit uͤber Sie gewe-<lb/> ”ſen ſeyn wuͤrde, welcher nicht allein die Schlacht bey<lb/> ”Zorndorf auf den Tag vorher ſagte, da ſie wirklich<lb/> ”geſchah, ſondern auch, was noch mehr war, den<lb/> ”Geſaug, der den darauf folgenden Sonntag in der<lb/> ”Kirche geſungen werden ſollte. Nein! mit Weißa-<lb/> ”gungen kommen wir nun in Berlin nicht mehr fort.<lb/> ”Verſtehen Sie nichts anders? Koͤnnen Sie Franzoͤ-<lb/> ”ſiſch, koͤnnen Sie rechnen, koͤnnen Sie tanzen, koͤn-<lb/> ”nen Sie den Hunden den Tellwurm ſchneiden? Dieß<lb/> ”ſind Kuͤnſte, die ihren Mann ernaͤhren.‛</p><lb/> <p>‚Von alle dem verſtehe ich nichts, ſagte <hi rendition="#fr">Sebal-<lb/> ”dus,</hi> mit kleinmuͤthiger Miene. Jch verſtehe zwar<lb/> ”noch etwas, aber das wird mich auch zu nichts fuͤh-<lb/> ”ren, da man in Berlin ſogar mit der Philoſophie<lb/> ”nicht fortkoͤmmt. Jch kann ein wenig auf dem<lb/> ”Klaviere ſpielen; aber was wird mir das nuͤtzen?‛</p><lb/> <p>‚Halt, mein Freund, damit kommen wir weiter,<lb/> ”als mit allem andern. Dieſe Geſchicklichkeit wird<lb/> ”Jhnen nicht reichliches, aber doch nothduͤrftiges<lb/> ”Brodt geben. Sie werden auch Noten ſchreiben<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><fw place="bottom" type="catch">koͤnnen.</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0053]
Wenn Sie haͤtten weißagen wollen, ſo haͤtten Sie
”muͤſſen vor drey oder vier Jahren kommen, als wir
”noch Krieg hatten. Da galten noch die Weißagun-
”gen etwas. Und doch iſt die Frage: ob nicht Pfan-
”nenſtiel, der Leinweber, weit uͤber Sie gewe-
”ſen ſeyn wuͤrde, welcher nicht allein die Schlacht bey
”Zorndorf auf den Tag vorher ſagte, da ſie wirklich
”geſchah, ſondern auch, was noch mehr war, den
”Geſaug, der den darauf folgenden Sonntag in der
”Kirche geſungen werden ſollte. Nein! mit Weißa-
”gungen kommen wir nun in Berlin nicht mehr fort.
”Verſtehen Sie nichts anders? Koͤnnen Sie Franzoͤ-
”ſiſch, koͤnnen Sie rechnen, koͤnnen Sie tanzen, koͤn-
”nen Sie den Hunden den Tellwurm ſchneiden? Dieß
”ſind Kuͤnſte, die ihren Mann ernaͤhren.‛
‚Von alle dem verſtehe ich nichts, ſagte Sebal-
”dus, mit kleinmuͤthiger Miene. Jch verſtehe zwar
”noch etwas, aber das wird mich auch zu nichts fuͤh-
”ren, da man in Berlin ſogar mit der Philoſophie
”nicht fortkoͤmmt. Jch kann ein wenig auf dem
”Klaviere ſpielen; aber was wird mir das nuͤtzen?‛
‚Halt, mein Freund, damit kommen wir weiter,
”als mit allem andern. Dieſe Geſchicklichkeit wird
”Jhnen nicht reichliches, aber doch nothduͤrftiges
”Brodt geben. Sie werden auch Noten ſchreiben
koͤnnen.
D 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |