Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."ten sich hierüber so positiv erklären sollen. Wir müs- "sen uns dem Urtheile des gemeinen Haufens nicht bloß "stellen, er erschrickt über ungewohnte Wahrheiten, "und wir verlieren das Zutrauen, das wir zu seiner "Besserung anwenden könnten. Wenn ein Prediger "Zweifel über dogmatische Sätze hat, so ists am be- "sten, daß er sie ganz verschweige, aufs höchste kann "er lateinisch darüber schreiben, für gelehrte Theolo- "gen, die davon so viel in die Welt können kommen "lassen, als sie nöthig finden." ,Vergebens stellte ich ihm vor, wie nöthig es wäre, daß "wollte
”ten ſich hieruͤber ſo poſitiv erklaͤren ſollen. Wir muͤſ- ”ſen uns dem Urtheile des gemeinen Haufens nicht bloß ”ſtellen, er erſchrickt uͤber ungewohnte Wahrheiten, ”und wir verlieren das Zutrauen, das wir zu ſeiner ”Beſſerung anwenden koͤnnten. Wenn ein Prediger ”Zweifel uͤber dogmatiſche Saͤtze hat, ſo iſts am be- ”ſten, daß er ſie ganz verſchweige, aufs hoͤchſte kann ”er lateiniſch daruͤber ſchreiben, fuͤr gelehrte Theolo- ”gen, die davon ſo viel in die Welt koͤnnen kommen ”laſſen, als ſie noͤthig finden.‟ ‚Vergebens ſtellte ich ihm vor, wie noͤthig es waͤre, daß ”wollte
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”ten ſich hieruͤber ſo poſitiv erklaͤren ſollen. Wir muͤſ-
”ſen uns dem Urtheile des gemeinen Haufens nicht bloß
”ſtellen, er erſchrickt uͤber ungewohnte Wahrheiten,
”und wir verlieren das Zutrauen, das wir zu ſeiner
”Beſſerung anwenden koͤnnten. Wenn ein Prediger
”Zweifel uͤber dogmatiſche Saͤtze hat, ſo iſts am be-
”ſten, daß er ſie ganz verſchweige, aufs hoͤchſte kann
”er lateiniſch daruͤber ſchreiben, fuͤr gelehrte Theolo-
”gen, die davon ſo viel in die Welt koͤnnen kommen
”laſſen, als ſie noͤthig finden.‟
‚Vergebens ſtellte ich ihm vor, wie noͤthig es waͤre, daß
”der große Haufen uͤber gewiſſe Wahrheiten belehret
”wuͤrde; vergebens bemerkte ich, daß viele Zweifel deß-
”halb nicht unbekannt blieben, wenn auch die Gottes-
”gelehrten davon ſchwiegen, weil ſie den Weltleuten oft
”aus andern Buͤchern, und durch Unterhaltungen mit
”denkenden Koͤpfen, ſchon laͤngſt bekannt geworden waͤ-
”ren, und wenn ſie nicht naͤher beleuchtet und eroͤr-
”tert wuͤrden, zuweilen noch weit mehr Schaden
”thun koͤnnten. Jch wolltē noch weiter gehen, ich
”wollte ihm zeigen, daß ich es an der noͤthigen Klug-
”heit nicht haͤtte ermangeln laſſen, ſondern verſchie-
”dene Gedanken verſchwiegen haͤtte, die ich oͤffentlich
”bekannt zu machen noch nicht fuͤr rathſam hielte.
”Jch entdeckte ihm einige, ſie gefielen ihm nicht, er
”wollte
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