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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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"auf dem Beichtgelde. Zu der Zeit, da die Layen glaub-
"ten, daß sie die Vergebung der Sünden bloß von
"dem Priester, durch Beichte und Absolntion, erhalten
"könnten, wandten sie auf eine so nöthige Waare frey-
"lich schon ein Erkleckliches. Nachdem man ihnen aber,
"in Schriften und von den Kanzeln, so nachdrücklich
"eingeprägt hat, daß, ohne wahre Besserung des Her-
"zens, die Absolution gar keine Kraft habe, so hat die
"große Menge, welche nie Willens gewesen ist sich
"zu bessern, gemerkt, daß sie ihr Geld für eine leere
"Ceremonie ausgäbe, und hat theils die Absolution
"viel seltener verlangt, theils viel kärglicher bezahlt.
"Da nun also hierauf gar nicht mehr zu rechnen war,
"so konnten wohlgesinnte gelehrte Prediger, die nur
"ihre Pflichten zu erfüllen suchten, ganz ruhig darben,
"aber ökonomische Prediger, die ihr Amt als eine Art
"von Pachtung betrachteten, die sie aufs beste zu nut-
"zen suchen wollten, sahen sich zu einer ganz andern
"Art von Jndustrie genöthigt. Sie fiengen an in
"die Häuser zu gehen, sich ihren Pfarrkindern noth-
"wendig zu machen, sich nach ihrem Hauswesen zu
"erkundigen, ihre Zwistigkeiten zu erforschen, damit
"sie sie schlichten könnten, und durch fromme Unterre-
"dungen das Zutrauen der reichen Bürgerweiber zu
"gewinnen. Die Bürger, welche nun merkten, daß

"der



”auf dem Beichtgelde. Zu der Zeit, da die Layen glaub-
”ten, daß ſie die Vergebung der Suͤnden bloß von
”dem Prieſter, durch Beichte und Abſolntion, erhalten
”koͤnnten, wandten ſie auf eine ſo noͤthige Waare frey-
”lich ſchon ein Erkleckliches. Nachdem man ihnen aber,
”in Schriften und von den Kanzeln, ſo nachdruͤcklich
”eingepraͤgt hat, daß, ohne wahre Beſſerung des Her-
”zens, die Abſolution gar keine Kraft habe, ſo hat die
”große Menge, welche nie Willens geweſen iſt ſich
”zu beſſern, gemerkt, daß ſie ihr Geld fuͤr eine leere
”Ceremonie ausgaͤbe, und hat theils die Abſolution
”viel ſeltener verlangt, theils viel kaͤrglicher bezahlt.
”Da nun alſo hierauf gar nicht mehr zu rechnen war,
”ſo konnten wohlgeſinnte gelehrte Prediger, die nur
”ihre Pflichten zu erfuͤllen ſuchten, ganz ruhig darben,
”aber oͤkonomiſche Prediger, die ihr Amt als eine Art
”von Pachtung betrachteten, die ſie aufs beſte zu nut-
”zen ſuchen wollten, ſahen ſich zu einer ganz andern
”Art von Jnduſtrie genoͤthigt. Sie fiengen an in
”die Haͤuſer zu gehen, ſich ihren Pfarrkindern noth-
”wendig zu machen, ſich nach ihrem Hausweſen zu
”erkundigen, ihre Zwiſtigkeiten zu erforſchen, damit
”ſie ſie ſchlichten koͤnnten, und durch fromme Unterre-
”dungen das Zutrauen der reichen Buͤrgerweiber zu
”gewinnen. Die Buͤrger, welche nun merkten, daß

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[59/0065] ”auf dem Beichtgelde. Zu der Zeit, da die Layen glaub- ”ten, daß ſie die Vergebung der Suͤnden bloß von ”dem Prieſter, durch Beichte und Abſolntion, erhalten ”koͤnnten, wandten ſie auf eine ſo noͤthige Waare frey- ”lich ſchon ein Erkleckliches. Nachdem man ihnen aber, ”in Schriften und von den Kanzeln, ſo nachdruͤcklich ”eingepraͤgt hat, daß, ohne wahre Beſſerung des Her- ”zens, die Abſolution gar keine Kraft habe, ſo hat die ”große Menge, welche nie Willens geweſen iſt ſich ”zu beſſern, gemerkt, daß ſie ihr Geld fuͤr eine leere ”Ceremonie ausgaͤbe, und hat theils die Abſolution ”viel ſeltener verlangt, theils viel kaͤrglicher bezahlt. ”Da nun alſo hierauf gar nicht mehr zu rechnen war, ”ſo konnten wohlgeſinnte gelehrte Prediger, die nur ”ihre Pflichten zu erfuͤllen ſuchten, ganz ruhig darben, ”aber oͤkonomiſche Prediger, die ihr Amt als eine Art ”von Pachtung betrachteten, die ſie aufs beſte zu nut- ”zen ſuchen wollten, ſahen ſich zu einer ganz andern ”Art von Jnduſtrie genoͤthigt. Sie fiengen an in ”die Haͤuſer zu gehen, ſich ihren Pfarrkindern noth- ”wendig zu machen, ſich nach ihrem Hausweſen zu ”erkundigen, ihre Zwiſtigkeiten zu erforſchen, damit ”ſie ſie ſchlichten koͤnnten, und durch fromme Unterre- ”dungen das Zutrauen der reichen Buͤrgerweiber zu ”gewinnen. Die Buͤrger, welche nun merkten, daß ”der

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/65>, abgerufen am 24.11.2024.