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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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"der Pfarrer etwas fürs Geld that, bezahlten ihn auch
"reichlicher, der gelegentlichen Braten, Kuchen, Zucker-
"hüte, Magenmorschellen und anderer Geschenke nicht
"zu gedenken. Ohne diese Priesterkünste würde ein ehr-
"licher Bürgerssohn, der im geistlichen Stande nur ein
"gemächliches Leben suchte, und sonst, als ein Pächter
"oder als ein Krämer, auch sein gutes Auskommen hätte
"haben können, es schwerlich der Mühe werth finden,
"ein Prediger zu seyn. Meine Kollegen übten diese Kün-
"ste in ihrem ganzen Umfange aus, und hatten auch
"vollkommen Muße dazu, weil sie weder durch Studi-
"ren noch durch Nachdenken davon abgehalten wurden,
"Dinge, mit welchen ich die meiste Zeit, die mir von mei-
"nen ordentlichen Amtsgeschäften übrig blieb, zubrachte.'

,Jch würde den Mangel, der mich drückte, den-
"noch gern ertragen haben, weil ich mich, von Ju-
"gend auf, gewöhnet hatte, wenig zu bedürfen,
"Aber ich hatte mich in ein junges, schönes und ver-
"ständiges Frauenzimmer verliebt, die aber nicht das
"geringste Vermögen hatte. Jch sah die Verbin-
"dung mit derselben für die größte Glückseligkeit
"meines Lebens an; allein, bey so geringem Einkom-
"men, war diese Verbindung unmöglich. Bloß um
"derselben willen wünschte ich eine Verbesserung mei-
"ner Umstände. Jndessen war mit dem Verluste

"der



”der Pfarrer etwas fuͤrs Geld that, bezahlten ihn auch
”reichlicher, der gelegentlichen Braten, Kuchen, Zucker-
”huͤte, Magenmorſchellen und anderer Geſchenke nicht
”zu gedenken. Ohne dieſe Prieſterkuͤnſte wuͤrde ein ehr-
”licher Buͤrgersſohn, der im geiſtlichen Stande nur ein
”gemaͤchliches Leben ſuchte, und ſonſt, als ein Paͤchter
”oder als ein Kraͤmer, auch ſein gutes Auskommen haͤtte
”haben koͤnnen, es ſchwerlich der Muͤhe werth finden,
”ein Prediger zu ſeyn. Meine Kollegen uͤbten dieſe Kuͤn-
”ſte in ihrem ganzen Umfange aus, und hatten auch
”vollkommen Muße dazu, weil ſie weder durch Studi-
”ren noch durch Nachdenken davon abgehalten wurden,
”Dinge, mit welchen ich die meiſte Zeit, die mir von mei-
”nen ordentlichen Amtsgeſchaͤften uͤbrig blieb, zubrachte.‛

‚Jch wuͤrde den Mangel, der mich druͤckte, den-
”noch gern ertragen haben, weil ich mich, von Ju-
”gend auf, gewoͤhnet hatte, wenig zu beduͤrfen,
”Aber ich hatte mich in ein junges, ſchoͤnes und ver-
”ſtaͤndiges Frauenzimmer verliebt, die aber nicht das
”geringſte Vermoͤgen hatte. Jch ſah die Verbin-
”dung mit derſelben fuͤr die groͤßte Gluͤckſeligkeit
”meines Lebens an; allein, bey ſo geringem Einkom-
”men, war dieſe Verbindung unmoͤglich. Bloß um
”derſelben willen wuͤnſchte ich eine Verbeſſerung mei-
”ner Umſtaͤnde. Jndeſſen war mit dem Verluſte

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[60/0066] ”der Pfarrer etwas fuͤrs Geld that, bezahlten ihn auch ”reichlicher, der gelegentlichen Braten, Kuchen, Zucker- ”huͤte, Magenmorſchellen und anderer Geſchenke nicht ”zu gedenken. Ohne dieſe Prieſterkuͤnſte wuͤrde ein ehr- ”licher Buͤrgersſohn, der im geiſtlichen Stande nur ein ”gemaͤchliches Leben ſuchte, und ſonſt, als ein Paͤchter ”oder als ein Kraͤmer, auch ſein gutes Auskommen haͤtte ”haben koͤnnen, es ſchwerlich der Muͤhe werth finden, ”ein Prediger zu ſeyn. Meine Kollegen uͤbten dieſe Kuͤn- ”ſte in ihrem ganzen Umfange aus, und hatten auch ”vollkommen Muße dazu, weil ſie weder durch Studi- ”ren noch durch Nachdenken davon abgehalten wurden, ”Dinge, mit welchen ich die meiſte Zeit, die mir von mei- ”nen ordentlichen Amtsgeſchaͤften uͤbrig blieb, zubrachte.‛ ‚Jch wuͤrde den Mangel, der mich druͤckte, den- ”noch gern ertragen haben, weil ich mich, von Ju- ”gend auf, gewoͤhnet hatte, wenig zu beduͤrfen, ”Aber ich hatte mich in ein junges, ſchoͤnes und ver- ”ſtaͤndiges Frauenzimmer verliebt, die aber nicht das ”geringſte Vermoͤgen hatte. Jch ſah die Verbin- ”dung mit derſelben fuͤr die groͤßte Gluͤckſeligkeit ”meines Lebens an; allein, bey ſo geringem Einkom- ”men, war dieſe Verbindung unmoͤglich. Bloß um ”derſelben willen wuͤnſchte ich eine Verbeſſerung mei- ”ner Umſtaͤnde. Jndeſſen war mit dem Verluſte ”der

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/66>, abgerufen am 21.11.2024.