Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."viel Aufsehen, als an andern Orten. Hierdurch "geschiehet es, daß sich in Berlin, in dieser Absicht, "die Menschen mehr so zeigen, wie sie sind. Sie "können in Berlin vielleicht unter spekulativen Ge- "lehrten einige gefunden haben, die die Offenbarung "für unnöthig halten, und unter lockern Weltleuten "auch wohl einige, die alle Religion verachten. Aber "Leute von solchen Grundsätzen werden sie unter Ge- "lehrten und unter Weltleuten allenthalben, ob- "gleich nur etwas verborgner, finden können, und in "Berlin machen sie gewiß eine sehr geringe Anzahl "aus. Wenigstens, wer solche Meinungen an sich "merken läßt, wird weder hochgeschätzt noch geliebt "werden. Der Berlinische Pöbel ist noch eben so "beschaffen, als der, welcher im Jahre 1748, nach- "dem er eine erbauliche Predigt wider die Freygeister "gehört hatte, dem bekannten Edelmann die Fenster "einwarf. Und den Pöbel ungerechnet, sind auch un- "sere guten Berlinischen Bürger überhaupt zu nichts "weniger, als zu so freyen Meinungen, geneigt. Jch "wollte wohl Bürge für sie seyn, daß sie auch nicht "einmal die geringste Heterodoxie verschlucken wür- "den, sie müßten sie denn etwa, mit gutem Herzen, "für Orthodoxie halten.' ,Das
”viel Aufſehen, als an andern Orten. Hierdurch ”geſchiehet es, daß ſich in Berlin, in dieſer Abſicht, ”die Menſchen mehr ſo zeigen, wie ſie ſind. Sie ”koͤnnen in Berlin vielleicht unter ſpekulativen Ge- ”lehrten einige gefunden haben, die die Offenbarung ”fuͤr unnoͤthig halten, und unter lockern Weltleuten ”auch wohl einige, die alle Religion verachten. Aber ”Leute von ſolchen Grundſaͤtzen werden ſie unter Ge- ”lehrten und unter Weltleuten allenthalben, ob- ”gleich nur etwas verborgner, finden koͤnnen, und in ”Berlin machen ſie gewiß eine ſehr geringe Anzahl ”aus. Wenigſtens, wer ſolche Meinungen an ſich ”merken laͤßt, wird weder hochgeſchaͤtzt noch geliebt ”werden. Der Berliniſche Poͤbel iſt noch eben ſo ”beſchaffen, als der, welcher im Jahre 1748, nach- ”dem er eine erbauliche Predigt wider die Freygeiſter ”gehoͤrt hatte, dem bekannten Edelmann die Fenſter ”einwarf. Und den Poͤbel ungerechnet, ſind auch un- ”ſere guten Berliniſchen Buͤrger uͤberhaupt zu nichts ”weniger, als zu ſo freyen Meinungen, geneigt. Jch ”wollte wohl Buͤrge fuͤr ſie ſeyn, daß ſie auch nicht ”einmal die geringſte Heterodoxie verſchlucken wuͤr- ”den, ſie muͤßten ſie denn etwa, mit gutem Herzen, ”fuͤr Orthodoxie halten.‛ ‚Das
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”viel Aufſehen, als an andern Orten. Hierdurch
”geſchiehet es, daß ſich in Berlin, in dieſer Abſicht,
”die Menſchen mehr ſo zeigen, wie ſie ſind. Sie
”koͤnnen in Berlin vielleicht unter ſpekulativen Ge-
”lehrten einige gefunden haben, die die Offenbarung
”fuͤr unnoͤthig halten, und unter lockern Weltleuten
”auch wohl einige, die alle Religion verachten. Aber
”Leute von ſolchen Grundſaͤtzen werden ſie unter Ge-
”lehrten und unter Weltleuten allenthalben, ob-
”gleich nur etwas verborgner, finden koͤnnen, und in
”Berlin machen ſie gewiß eine ſehr geringe Anzahl
”aus. Wenigſtens, wer ſolche Meinungen an ſich
”merken laͤßt, wird weder hochgeſchaͤtzt noch geliebt
”werden. Der Berliniſche Poͤbel iſt noch eben ſo
”beſchaffen, als der, welcher im Jahre 1748, nach-
”dem er eine erbauliche Predigt wider die Freygeiſter
”gehoͤrt hatte, dem bekannten Edelmann die Fenſter
”einwarf. Und den Poͤbel ungerechnet, ſind auch un-
”ſere guten Berliniſchen Buͤrger uͤberhaupt zu nichts
”weniger, als zu ſo freyen Meinungen, geneigt. Jch
”wollte wohl Buͤrge fuͤr ſie ſeyn, daß ſie auch nicht
”einmal die geringſte Heterodoxie verſchlucken wuͤr-
”den, ſie muͤßten ſie denn etwa, mit gutem Herzen,
”fuͤr Orthodoxie halten.‛
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