Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."anmerkt, daß sie niemals weder Orthodoxie noch "Heterodoxie untersucht haben, bey denen es hinge- "gen festgesetzt bleibt, daß alles darinn bleiben foll, "wie es war. Es giebt unter ihnen so gar deliirte "Weltleute, die scherzen, Karten spielen, mit Frauen- "zimmern tändeln, und doch die Nase rümpfen kön- "nen, wenn sich die geringste Ketzerey spüren läßt. ,Dieß sollte mir herzlich leid thun, sagte Sebal- ,Jn diesen Gesinnungen werden viele Einwohner Sieben-
”anmerkt, daß ſie niemals weder Orthodoxie noch ”Heterodoxie unterſucht haben, bey denen es hinge- ”gen feſtgeſetzt bleibt, daß alles darinn bleiben foll, ”wie es war. Es giebt unter ihnen ſo gar deliirte ”Weltleute, die ſcherzen, Karten ſpielen, mit Frauen- ”zimmern taͤndeln, und doch die Naſe ruͤmpfen koͤn- ”nen, wenn ſich die geringſte Ketzerey ſpuͤren laͤßt. ‚Dieß ſollte mir herzlich leid thun, ſagte Sebal- ‚Jn dieſen Geſinnungen werden viele Einwohner Sieben-
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”anmerkt, daß ſie niemals weder Orthodoxie noch
”Heterodoxie unterſucht haben, bey denen es hinge-
”gen feſtgeſetzt bleibt, daß alles darinn bleiben foll,
”wie es war. Es giebt unter ihnen ſo gar deliirte
”Weltleute, die ſcherzen, Karten ſpielen, mit Frauen-
”zimmern taͤndeln, und doch die Naſe ruͤmpfen koͤn-
”nen, wenn ſich die geringſte Ketzerey ſpuͤren laͤßt.
‚Dieß ſollte mir herzlich leid thun, ſagte Sebal-
”dus; denn wenn ſolcher Leute in Berlin viele ſind,
”ſo koͤmmt mir Jhre Nachricht nur allzu glaubwuͤr-
”dig vor, daß hier die Erleuchtung und die Frey-
”heit zu denken noch nicht ſo groß iſt, als ich mir
”vorgeſtellt habe. Jch habe immer gefunden, daß
”diejenigen, die aus Traͤgheit und Nachlaͤßigkeit die
”Wahrheit nicht ſuchen wollen, die Selbſtdenker am
”meiſten haſſen, weil ſie ſich ſonſt ihrer Traͤgheit und
”Nachlaͤßigkeit ſchaͤmen muͤßten. Mir iſt aber immer,
”ſelbſt derjenige, viel ehrwuͤrdiger geweſen, der, durch
”Liebe zur Unterſuchung der Wahrheit, auf Jrrthuͤ-
”mer verfaͤllt, als derjenige, der ſie gar nicht unter-
”ſuchen mag.‛
‚Jn dieſen Geſinnungen werden viele Einwohner
”Berlins nicht mit Jhnen uͤbereinſtimmen, und viel-
”leicht nicht einmal alle Berliniſchen Geiſtlichen.‛
Sieben-
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