Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."Neukölln bis zum Eifer steige. Jn den dumpfi- "gen Gassen des Werders wohnen die Separa- "tisten, welche Gott einsam dienen; in den hö- "her gelegenen die stillen Gichtelianer,*) die ruhige "Beschaulichkeit lieben, und unerkannt wohlthun. Um "die Gegend der Hospitalkirche zu St. Gertraut "fangen die Herrnhuter an sich zu zeigen, und so "wie die breiten und hellen Straßen der Friedrichs- "stadt anfangen, so fangen auch die Religions- "gesinnungen der Einwohner an, luftiger und gei- "stiger zu werden. Pietisten, die in Gefühlen und "innigen Empfindungen ihre Religion suchen, und "Schwärmer von allen Gattungen, finden sich hier, "und der innere Trieb der Raschmacher und Woll- "kämmer bricht hier oft in Erbauungsstunden und "Weißagungen aus. Die Dorotheenstadt wird "zum Theil von ketzerischen Reformirten und Fran- "zosen bewohnt. Aber in allen Gegenden der Stadt "ist eine andere Gattung Leute verbreitet, die ich oft "in Gesellschaften angetroffen habe, denen man es "anmerkt, *) Diese harmlose Religionspartey unterscheidet sich sehn rühmlich durch sehr ansehnliche Almosen, (zuweilen von einigen tausend Thalern,) die sie giebt, und zwar mehren- kheils so unbekannter weise, daß man die Geber nur muthmaßen kann. F
”Neukoͤlln bis zum Eifer ſteige. Jn den dumpfi- ”gen Gaſſen des Werders wohnen die Separa- ”tiſten, welche Gott einſam dienen; in den hoͤ- ”her gelegenen die ſtillen Gichtelianer,*) die ruhige ”Beſchaulichkeit lieben, und unerkannt wohlthun. Um ”die Gegend der Hoſpitalkirche zu St. Gertraut ”fangen die Herrnhuter an ſich zu zeigen, und ſo ”wie die breiten und hellen Straßen der Friedrichs- ”ſtadt anfangen, ſo fangen auch die Religions- ”geſinnungen der Einwohner an, luftiger und gei- ”ſtiger zu werden. Pietiſten, die in Gefuͤhlen und ”innigen Empfindungen ihre Religion ſuchen, und ”Schwaͤrmer von allen Gattungen, finden ſich hier, ”und der innere Trieb der Raſchmacher und Woll- ”kaͤmmer bricht hier oft in Erbauungsſtunden und ”Weißagungen aus. Die Dorotheenſtadt wird ”zum Theil von ketzeriſchen Reformirten und Fran- ”zoſen bewohnt. Aber in allen Gegenden der Stadt ”iſt eine andere Gattung Leute verbreitet, die ich oft ”in Geſellſchaften angetroffen habe, denen man es ”anmerkt, *) Dieſe harmloſe Religionspartey unterſcheidet ſich ſehn rühmlich durch ſehr anſehnliche Almoſen, (zuweilen von einigen tauſend Thalern,) die ſie giebt, und zwar mehren- kheils ſo unbekannter weiſe, daß man die Geber nur muthmaßen kann. F
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”tiſten, welche Gott einſam dienen; in den hoͤ-
”her gelegenen die ſtillen Gichtelianer, *) die ruhige
”Beſchaulichkeit lieben, und unerkannt wohlthun. Um
”die Gegend der Hoſpitalkirche zu St. Gertraut
”fangen die Herrnhuter an ſich zu zeigen, und ſo
”wie die breiten und hellen Straßen der Friedrichs-
”ſtadt anfangen, ſo fangen auch die Religions-
”geſinnungen der Einwohner an, luftiger und gei-
”ſtiger zu werden. Pietiſten, die in Gefuͤhlen und
”innigen Empfindungen ihre Religion ſuchen, und
”Schwaͤrmer von allen Gattungen, finden ſich hier,
”und der innere Trieb der Raſchmacher und Woll-
”kaͤmmer bricht hier oft in Erbauungsſtunden und
”Weißagungen aus. Die Dorotheenſtadt wird
”zum Theil von ketzeriſchen Reformirten und Fran-
”zoſen bewohnt. Aber in allen Gegenden der Stadt
”iſt eine andere Gattung Leute verbreitet, die ich oft
”in Geſellſchaften angetroffen habe, denen man es
”anmerkt,
*) Dieſe harmloſe Religionspartey unterſcheidet ſich ſehn
rühmlich durch ſehr anſehnliche Almoſen, (zuweilen von
einigen tauſend Thalern,) die ſie giebt, und zwar mehren-
kheils ſo unbekannter weiſe, daß man die Geber nur
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