"logie bekommen, die sich für die Zeit, in der wir le- "ben, auf keine Weise schicken würde.'
,Sie haben ganz recht. Wenn unsere Theologen "die symbolischen Bücher des sechszehnten Jahrhun- "derts zur unveränderlichen Form des Glaubens an- "nehmen, so handeln sie gerade eben so klug, als "wenn unsere Schneider die steifen Kragen, kurzen "Mäntel, und weiten mit Pelz bebrämten Röcke eben "dieses Jahrhunderts zur unveränderlichen Form der "Kleidertracht hätten festsetzen wollen. Die Erfah- "rung lehret uns, daß die Meinungen sich nicht min- "der verändern, als die Kleidertrachten. Es geht da- "her auch den symbolischen Büchern eben so, wie der "Kleidung der Geistlichen. Als die symbolischen Bü- "cher gemacht wurden, enthielten sie bloß die allge- "mein angenommenen Meinungen aller Glieder der "Lutherischen Kirche, so wie die Kleidung der Geist- "lichen, dem Schnitte nach, die Kleidung aller ge- "lehrten Leute, und die schwarze Farbe, die "Farbe eines Biedermanns war, wenn er feyer- "lich erschien. Als die Kleidermoden sich änderten, so "blieben die Geistlichen in derselben immer wohl vier- "zig oder funfzig Jahre zurück, so wie es ihnen "noch oft in der Litteratur und Philosophie geht. "Endlich änderte sich die Welt so sehr, daß der Schnitt
"des
”logie bekommen, die ſich fuͤr die Zeit, in der wir le- ”ben, auf keine Weiſe ſchicken wuͤrde.‛
‚Sie haben ganz recht. Wenn unſere Theologen ”die ſymboliſchen Buͤcher des ſechszehnten Jahrhun- ”derts zur unveraͤnderlichen Form des Glaubens an- ”nehmen, ſo handeln ſie gerade eben ſo klug, als ”wenn unſere Schneider die ſteifen Kragen, kurzen ”Maͤntel, und weiten mit Pelz bebraͤmten Roͤcke eben ”dieſes Jahrhunderts zur unveraͤnderlichen Form der ”Kleidertracht haͤtten feſtſetzen wollen. Die Erfah- ”rung lehret uns, daß die Meinungen ſich nicht min- ”der veraͤndern, als die Kleidertrachten. Es geht da- ”her auch den ſymboliſchen Buͤchern eben ſo, wie der ”Kleidung der Geiſtlichen. Als die ſymboliſchen Buͤ- ”cher gemacht wurden, enthielten ſie bloß die allge- ”mein angenommenen Meinungen aller Glieder der ”Lutheriſchen Kirche, ſo wie die Kleidung der Geiſt- ”lichen, dem Schnitte nach, die Kleidung aller ge- ”lehrten Leute, und die ſchwarze Farbe, die ”Farbe eines Biedermanns war, wenn er feyer- ”lich erſchien. Als die Kleidermoden ſich aͤnderten, ſo ”blieben die Geiſtlichen in derſelben immer wohl vier- ”zig oder funfzig Jahre zuruͤck, ſo wie es ihnen ”noch oft in der Litteratur und Philoſophie geht. ”Endlich aͤnderte ſich die Welt ſo ſehr, daß der Schnitt
”des
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”logie bekommen, die ſich fuͤr die Zeit, in der wir le-
”ben, auf keine Weiſe ſchicken wuͤrde.‛
‚Sie haben ganz recht. Wenn unſere Theologen
”die ſymboliſchen Buͤcher des ſechszehnten Jahrhun-
”derts zur unveraͤnderlichen Form des Glaubens an-
”nehmen, ſo handeln ſie gerade eben ſo klug, als
”wenn unſere Schneider die ſteifen Kragen, kurzen
”Maͤntel, und weiten mit Pelz bebraͤmten Roͤcke eben
”dieſes Jahrhunderts zur unveraͤnderlichen Form der
”Kleidertracht haͤtten feſtſetzen wollen. Die Erfah-
”rung lehret uns, daß die Meinungen ſich nicht min-
”der veraͤndern, als die Kleidertrachten. Es geht da-
”her auch den ſymboliſchen Buͤchern eben ſo, wie der
”Kleidung der Geiſtlichen. Als die ſymboliſchen Buͤ-
”cher gemacht wurden, enthielten ſie bloß die allge-
”mein angenommenen Meinungen aller Glieder der
”Lutheriſchen Kirche, ſo wie die Kleidung der Geiſt-
”lichen, dem Schnitte nach, die Kleidung aller ge-
”lehrten Leute, und die ſchwarze Farbe, die
”Farbe eines Biedermanns war, wenn er feyer-
”lich erſchien. Als die Kleidermoden ſich aͤnderten, ſo
”blieben die Geiſtlichen in derſelben immer wohl vier-
”zig oder funfzig Jahre zuruͤck, ſo wie es ihnen
”noch oft in der Litteratur und Philoſophie geht.
”Endlich aͤnderte ſich die Welt ſo ſehr, daß der Schnitt
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/96>, abgerufen am 16.02.2025.
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