Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.chen konnte, vertrieb er sich indessen |die Zeit damit, daß er die Zeitungen durchlief und die Aufschriften der Briefe überlas, die der Postbote nicht lange ge- bracht hatte, und die noch im Zimmer auf dem Ti- sche lagen. Er fand unter den Briefen einen an den jungen Säugling, davon ihm die Handschrift be- kannt schien, und steckte ihn zu sich, um einen Scha- bernack damit zu machen, wovon er, wie wir schon wissen, ein Liebhaber war. Er konnte sich nicht lange darauf bedenken, indem Säugling der Sohn eben zurück kam, und ihm den Sebaldus, den er hier noch nicht gesehen hatte, vorstellte. Sebaldus gieng gleich darauf, zu sehen, ob der Kranke erwacht sey, und gab Rambolden freye Hand, Säuglin- gen wegen dessen Neigung zu einem Bettler, ge- wöhnlicher Art nach, aufzuziehen. Dennoch hörte er Säuglings Erzählung von Sebaldus Namen, Stand und Begebenheiten mit besonderer Aufmerk- samkeit an, fragte auch selbst, mit mehr als gewöhn- licher Neugier, nach verschiedenen Umständen. Da indessen Säugling fortfuhr, mit warmer Theilneh- mung die Geschichte zu erzehlen, schien Rambold darüber betroffen zu seyn, ward wider seine Ge- wohnheit ernsthaft, stand auf und gieng ein paar- mahl im Zimmer auf und nieder, schien über die Er- zehlung
chen konnte, vertrieb er ſich indeſſen |die Zeit damit, daß er die Zeitungen durchlief und die Aufſchriften der Briefe uͤberlas, die der Poſtbote nicht lange ge- bracht hatte, und die noch im Zimmer auf dem Ti- ſche lagen. Er fand unter den Briefen einen an den jungen Saͤugling, davon ihm die Handſchrift be- kannt ſchien, und ſteckte ihn zu ſich, um einen Scha- bernack damit zu machen, wovon er, wie wir ſchon wiſſen, ein Liebhaber war. Er konnte ſich nicht lange darauf bedenken, indem Saͤugling der Sohn eben zuruͤck kam, und ihm den Sebaldus, den er hier noch nicht geſehen hatte, vorſtellte. Sebaldus gieng gleich darauf, zu ſehen, ob der Kranke erwacht ſey, und gab Rambolden freye Hand, Saͤuglin- gen wegen deſſen Neigung zu einem Bettler, ge- woͤhnlicher Art nach, aufzuziehen. Dennoch hoͤrte er Saͤuglings Erzaͤhlung von Sebaldus Namen, Stand und Begebenheiten mit beſonderer Aufmerk- ſamkeit an, fragte auch ſelbſt, mit mehr als gewoͤhn- licher Neugier, nach verſchiedenen Umſtaͤnden. Da indeſſen Saͤugling fortfuhr, mit warmer Theilneh- mung die Geſchichte zu erzehlen, ſchien Rambold daruͤber betroffen zu ſeyn, ward wider ſeine Ge- wohnheit ernſthaft, ſtand auf und gieng ein paar- mahl im Zimmer auf und nieder, ſchien uͤber die Er- zehlung
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der Briefe uͤberlas, die der Poſtbote nicht lange ge-
bracht hatte, und die noch im Zimmer auf dem Ti-
ſche lagen. Er fand unter den Briefen einen an den
jungen Saͤugling, davon ihm die Handſchrift be-
kannt ſchien, und ſteckte ihn zu ſich, um einen Scha-
bernack damit zu machen, wovon er, wie wir ſchon
wiſſen, ein Liebhaber war. Er konnte ſich nicht
lange darauf bedenken, indem Saͤugling der Sohn
eben zuruͤck kam, und ihm den Sebaldus, den er
hier noch nicht geſehen hatte, vorſtellte. Sebaldus
gieng gleich darauf, zu ſehen, ob der Kranke erwacht
ſey, und gab Rambolden freye Hand, Saͤuglin-
gen wegen deſſen Neigung zu einem Bettler, ge-
woͤhnlicher Art nach, aufzuziehen. Dennoch hoͤrte
er Saͤuglings Erzaͤhlung von Sebaldus Namen,
Stand und Begebenheiten mit beſonderer Aufmerk-
ſamkeit an, fragte auch ſelbſt, mit mehr als gewoͤhn-
licher Neugier, nach verſchiedenen Umſtaͤnden. Da
indeſſen Saͤugling fortfuhr, mit warmer Theilneh-
mung die Geſchichte zu erzehlen, ſchien Rambold
daruͤber betroffen zu ſeyn, ward wider ſeine Ge-
wohnheit ernſthaft, ſtand auf und gieng ein paar-
mahl im Zimmer auf und nieder, ſchien uͤber die Er-
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