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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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ihren Einrichtungen, drang sehr gestissentlich in die
ihnen am Herzen liegende Glaubenspunkte ein, be-
sorgte ihre Angelegenheiten, correspondirte mit den
entfernten Brüderschaften, und vertheilte ihre Almo-
sen. Er hatte sich besonders, lange bey den Herrn-
hutern aufgehalten, und war nur erst alsdenn von
ihnen geschieden, da man ihn über gewisse Verwal-
tungen brüderlich befragen wollte, über welche er
nicht brüderlich zu antworten gemeinet war. Seine
Frau war ihm, eho dieß geschah, durchs Loos des
Heilandes zu gefallen, und dieses Loos behagte ihm
sehr wohl, denn die ihm zugefallne Schwester, war
in ihrem neunzehnten Jahre, hatte eine feine Haut,
ein wohlbeleibtes Ansehen, und große blaue Augen,
die sie bey geistlichen und weltlichen Entzückungen sehr
andächtig zu verdrehen wuste. Als er starb, ließ er
seiner Wittwe, nebst einem Vermögen von funfzig-
tausend Thalern, eine einzige Tochter, die Jungfer
Anastasia Gertrudtinn. Diese war jetzt in ihrem
achtzehnten Jahre, und sahe ohngefähr eben so aus,
als ihre Mutter, zu der Zeit, als sie ihrem Vater
durchs Loos zufiel. Sie hatte das gebenedeyte An-
sehn, welches der Frömmling aus der Zerknirschung
des Herzens herleitet, und der Weltling zuweilen in
einem ganz andern Verstande annimmt. Jhre Au-

gen



ihren Einrichtungen, drang ſehr geſtiſſentlich in die
ihnen am Herzen liegende Glaubenspunkte ein, be-
ſorgte ihre Angelegenheiten, correſpondirte mit den
entfernten Bruͤderſchaften, und vertheilte ihre Almo-
ſen. Er hatte ſich beſonders, lange bey den Herrn-
hutern aufgehalten, und war nur erſt alsdenn von
ihnen geſchieden, da man ihn uͤber gewiſſe Verwal-
tungen bruͤderlich befragen wollte, uͤber welche er
nicht bruͤderlich zu antworten gemeinet war. Seine
Frau war ihm, eho dieß geſchah, durchs Loos des
Heilandes zu gefallen, und dieſes Loos behagte ihm
ſehr wohl, denn die ihm zugefallne Schweſter, war
in ihrem neunzehnten Jahre, hatte eine feine Haut,
ein wohlbeleibtes Anſehen, und große blaue Augen,
die ſie bey geiſtlichen und weltlichen Entzuͤckungen ſehr
andaͤchtig zu verdrehen wuſte. Als er ſtarb, ließ er
ſeiner Wittwe, nebſt einem Vermoͤgen von funfzig-
tauſend Thalern, eine einzige Tochter, die Jungfer
Anaſtaſia Gertrudtinn. Dieſe war jetzt in ihrem
achtzehnten Jahre, und ſahe ohngefaͤhr eben ſo aus,
als ihre Mutter, zu der Zeit, als ſie ihrem Vater
durchs Loos zufiel. Sie hatte das gebenedeyte An-
ſehn, welches der Froͤmmling aus der Zerknirſchung
des Herzens herleitet, und der Weltling zuweilen in
einem ganz andern Verſtande annimmt. Jhre Au-

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[116[115]/0126] ihren Einrichtungen, drang ſehr geſtiſſentlich in die ihnen am Herzen liegende Glaubenspunkte ein, be- ſorgte ihre Angelegenheiten, correſpondirte mit den entfernten Bruͤderſchaften, und vertheilte ihre Almo- ſen. Er hatte ſich beſonders, lange bey den Herrn- hutern aufgehalten, und war nur erſt alsdenn von ihnen geſchieden, da man ihn uͤber gewiſſe Verwal- tungen bruͤderlich befragen wollte, uͤber welche er nicht bruͤderlich zu antworten gemeinet war. Seine Frau war ihm, eho dieß geſchah, durchs Loos des Heilandes zu gefallen, und dieſes Loos behagte ihm ſehr wohl, denn die ihm zugefallne Schweſter, war in ihrem neunzehnten Jahre, hatte eine feine Haut, ein wohlbeleibtes Anſehen, und große blaue Augen, die ſie bey geiſtlichen und weltlichen Entzuͤckungen ſehr andaͤchtig zu verdrehen wuſte. Als er ſtarb, ließ er ſeiner Wittwe, nebſt einem Vermoͤgen von funfzig- tauſend Thalern, eine einzige Tochter, die Jungfer Anaſtaſia Gertrudtinn. Dieſe war jetzt in ihrem achtzehnten Jahre, und ſahe ohngefaͤhr eben ſo aus, als ihre Mutter, zu der Zeit, als ſie ihrem Vater durchs Loos zufiel. Sie hatte das gebenedeyte An- ſehn, welches der Froͤmmling aus der Zerknirſchung des Herzens herleitet, und der Weltling zuweilen in einem ganz andern Verſtande annimmt. Jhre Au- gen

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 116[115]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/126>, abgerufen am 21.11.2024.