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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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und den ersten Kuß auf ihre jungfräulichen Lippen
drückte. Unnennbare Freude zitterte aus beiden in
dieser Umarmung, für alle Beschreibung zu innig.
Marianens ganze Zurückhaltung zerfloß in diesem
Gefühle, wie Eis beym Blick eines Maytages. Sie
schwor die Seinige zu seyn, sie war die Seinige.

Jn dieser wonnevollen Unterhaltung verstrich eine
Stunde, ohne daß sie es merkten. Säuglings Be-
dienter, der, an dem abgeredeten Orte, mit dem Wa-
gen so lange gewartet hatte, ward endlich unruhig,
suchte seinen Herrn im Walde, fand ihn, und erin-
nerte ihn, nach Hause zu fahren.

Siebenter Abschnitt.

Säugling kam so spät nach Hause, daß er sei-
nen Vater diesen Abend nicht sprechen konnte.
Nach einer Nacht voll unruhiges Schlafs, ließ er
bey frühem Morgen seinen Paßgänger satteln, und
ritt ganz allein nach dem Hause im Walde. Wie
ihn Mariane, in deren Herzen, nach langem freudelo-
sen Harren, die heißeste Liebe wallte, empfangen
habe, kann nicht beschrieben werden, und ist nicht nö-
thig zu beschreiben. Beide waren im ersten Tau-
mel wechselseitig gestandener Liebe, wo jedes halbge-

stammelte



und den erſten Kuß auf ihre jungfraͤulichen Lippen
druͤckte. Unnennbare Freude zitterte aus beiden in
dieſer Umarmung, fuͤr alle Beſchreibung zu innig.
Marianens ganze Zuruͤckhaltung zerfloß in dieſem
Gefuͤhle, wie Eis beym Blick eines Maytages. Sie
ſchwor die Seinige zu ſeyn, ſie war die Seinige.

Jn dieſer wonnevollen Unterhaltung verſtrich eine
Stunde, ohne daß ſie es merkten. Saͤuglings Be-
dienter, der, an dem abgeredeten Orte, mit dem Wa-
gen ſo lange gewartet hatte, ward endlich unruhig,
ſuchte ſeinen Herrn im Walde, fand ihn, und erin-
nerte ihn, nach Hauſe zu fahren.

Siebenter Abſchnitt.

Saͤugling kam ſo ſpaͤt nach Hauſe, daß er ſei-
nen Vater dieſen Abend nicht ſprechen konnte.
Nach einer Nacht voll unruhiges Schlafs, ließ er
bey fruͤhem Morgen ſeinen Paßgaͤnger ſatteln, und
ritt ganz allein nach dem Hauſe im Walde. Wie
ihn Mariane, in deren Herzen, nach langem freudelo-
ſen Harren, die heißeſte Liebe wallte, empfangen
habe, kann nicht beſchrieben werden, und iſt nicht noͤ-
thig zu beſchreiben. Beide waren im erſten Tau-
mel wechſelſeitig geſtandener Liebe, wo jedes halbge-

ſtammelte
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[126[125]/0138] und den erſten Kuß auf ihre jungfraͤulichen Lippen druͤckte. Unnennbare Freude zitterte aus beiden in dieſer Umarmung, fuͤr alle Beſchreibung zu innig. Marianens ganze Zuruͤckhaltung zerfloß in dieſem Gefuͤhle, wie Eis beym Blick eines Maytages. Sie ſchwor die Seinige zu ſeyn, ſie war die Seinige. Jn dieſer wonnevollen Unterhaltung verſtrich eine Stunde, ohne daß ſie es merkten. Saͤuglings Be- dienter, der, an dem abgeredeten Orte, mit dem Wa- gen ſo lange gewartet hatte, ward endlich unruhig, ſuchte ſeinen Herrn im Walde, fand ihn, und erin- nerte ihn, nach Hauſe zu fahren. Siebenter Abſchnitt. Saͤugling kam ſo ſpaͤt nach Hauſe, daß er ſei- nen Vater dieſen Abend nicht ſprechen konnte. Nach einer Nacht voll unruhiges Schlafs, ließ er bey fruͤhem Morgen ſeinen Paßgaͤnger ſatteln, und ritt ganz allein nach dem Hauſe im Walde. Wie ihn Mariane, in deren Herzen, nach langem freudelo- ſen Harren, die heißeſte Liebe wallte, empfangen habe, kann nicht beſchrieben werden, und iſt nicht noͤ- thig zu beſchreiben. Beide waren im erſten Tau- mel wechſelſeitig geſtandener Liebe, wo jedes halbge- ſtammelte

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 126[125]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/138>, abgerufen am 21.11.2024.