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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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Säugling, immer gewohnt, dem Frauenzim-
mer zu folgen, modelte sich unvermerkt nach Ma-
rianen.
Er erinnerte sich, daß er, ein Mann,
nicht mehr ein Jüngling sey. Er entsagte,
freylich nach einigen kleinen Kämpfen, erst seiner
allzu genauen Achtsamkeit auf den Kleiderputz,
dann seinen zierlichen Gesinnungen, und endlich
sogar seinen Gedichten. Er hat selbst an seinen em-
pfindsamen Roman nicht nur nicht weiter ge-
dacht, sondern ist auch allmählig ein völliger Land-
wirth geworden. Er steht mit Tagesanbruch auf,
theilet seinen Leuten ihr Tagewerk aus, reitet, in
aller Witterung, zu ihnen aufs Feld, und hat sich,
durch unabläßige Thätigkeit, eine solche praktische
Kenntniß des Ackerbaues erworben, daß er auf
seines Vaters Gütern die wichtigsten Verbesserun-
gen zu Stande gebracht hat. Jndessen, da sich
lange angewöhnte Unarten selten ganz ausrotten
lassen, so ist er doch, unter der Hand, wieder ein
Schriftsteller geworden, denn es wird nächstens
von ihm eine Abhandlung vom Bau der Kar-
toffeln
gedruckt werden, welche er, nach einer

ihm


Saͤugling, immer gewohnt, dem Frauenzim-
mer zu folgen, modelte ſich unvermerkt nach Ma-
rianen.
Er erinnerte ſich, daß er, ein Mann,
nicht mehr ein Juͤngling ſey. Er entſagte,
freylich nach einigen kleinen Kaͤmpfen, erſt ſeiner
allzu genauen Achtſamkeit auf den Kleiderputz,
dann ſeinen zierlichen Geſinnungen, und endlich
ſogar ſeinen Gedichten. Er hat ſelbſt an ſeinen em-
pfindſamen Roman nicht nur nicht weiter ge-
dacht, ſondern iſt auch allmaͤhlig ein voͤlliger Land-
wirth geworden. Er ſteht mit Tagesanbruch auf,
theilet ſeinen Leuten ihr Tagewerk aus, reitet, in
aller Witterung, zu ihnen aufs Feld, und hat ſich,
durch unablaͤßige Thaͤtigkeit, eine ſolche praktiſche
Kenntniß des Ackerbaues erworben, daß er auf
ſeines Vaters Guͤtern die wichtigſten Verbeſſerun-
gen zu Stande gebracht hat. Jndeſſen, da ſich
lange angewoͤhnte Unarten ſelten ganz ausrotten
laſſen, ſo iſt er doch, unter der Hand, wieder ein
Schriftſteller geworden, denn es wird naͤchſtens
von ihm eine Abhandlung vom Bau der Kar-
toffeln
gedruckt werden, welche er, nach einer

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[160[159]/0174] Saͤugling, immer gewohnt, dem Frauenzim- mer zu folgen, modelte ſich unvermerkt nach Ma- rianen. Er erinnerte ſich, daß er, ein Mann, nicht mehr ein Juͤngling ſey. Er entſagte, freylich nach einigen kleinen Kaͤmpfen, erſt ſeiner allzu genauen Achtſamkeit auf den Kleiderputz, dann ſeinen zierlichen Geſinnungen, und endlich ſogar ſeinen Gedichten. Er hat ſelbſt an ſeinen em- pfindſamen Roman nicht nur nicht weiter ge- dacht, ſondern iſt auch allmaͤhlig ein voͤlliger Land- wirth geworden. Er ſteht mit Tagesanbruch auf, theilet ſeinen Leuten ihr Tagewerk aus, reitet, in aller Witterung, zu ihnen aufs Feld, und hat ſich, durch unablaͤßige Thaͤtigkeit, eine ſolche praktiſche Kenntniß des Ackerbaues erworben, daß er auf ſeines Vaters Guͤtern die wichtigſten Verbeſſerun- gen zu Stande gebracht hat. Jndeſſen, da ſich lange angewoͤhnte Unarten ſelten ganz ausrotten laſſen, ſo iſt er doch, unter der Hand, wieder ein Schriftſteller geworden, denn es wird naͤchſtens von ihm eine Abhandlung vom Bau der Kar- toffeln gedruckt werden, welche er, nach einer ihm

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 160[159]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/174>, abgerufen am 21.11.2024.